Titz: „Der Verein wird die Lizenz beantragen!“

HSV II-Coach im großen Gespräch über den Titelkampf und das Gipfeltreffen

09. Februar 2018, 12:25 Uhr

Christian Titz steht mit dem HSV-Nachwuchs an der Tabellenspitze und unmittelbar vor dem Topspiel in Flensburg. Foto: KBS-Picture

Je 18 Spiele absolviert und nur durch drei Punkte getrennt: Sollte das Wetter nicht einen Strich durch die Rechnung machen, kommt es am Samstag (13:30 Uhr) zum Gipfeltreffern in der Regionalliga Nord zwischen Verfolger SC Weiche Flensburg 08 und der U21 des Hamburger SV. Vor dem Top-Duell stellte sich „Rothöschen“-Coach Christian Titz den Fragen und blickt einerseits auf die überaus erfolgreiche Hinrunde zurück. Zudem erklärt er, was ihn überrascht hat, welche Mannschaft noch oben anklopfen könnte, was er am Samstag für ein Spiel erwartet, welche Rolle der Kopf im Titelkampf spielt – und natürlich bezieht er auch zum Aufstiegs-Thema Stellung.

Matti Steinmann (re.) entwickelte sich nach seiner Rückkehr aus Mainz schnell wieder zu einem absoluten Leistungsträger. Foto: KBS-Picture

„Ich bin nicht überrascht über die Art, wie wir Fußball gespielt haben“, erzählt Christian Titz, der mit seinen Schützlingen in der ersten Saisonhälfte zum Teil begeisternden Fußball zum Besten gab und den Bundesliga-Nachwuchs des HSV an die Spitze des Regionalliga-Nord-Tableaus führte. Der Grund für jene Einschätzung: Im vergangenen Sommer habe er „eine Mannschaft übernommen, die eine gute letzte Saison gespielt und den einen oder anderen Spieler dazu bekommen hat“, wie er sagt, ehe er anfügt: „Was aber für mich wichtig war – und das konnte ich nicht vorhersehen: Wie kommen wir in die ersten fünf Spiele rein? Denn die entscheiden darüber, wie eine Saison verlaufen kann. Da haben wir ein gutes Pfund vorgelegt und das hat vieles leichter gemacht.“ Ein zweiter wichtiger Faktor sei die Frage gewesen: „Wie kommen unsere erfahrenen Spieler wie Henrik Giese und Matti Steinmann rein, wie schnell akklimatisieren sie sich und nehmen die Rolle an?“ Die Antwort: „Beide haben das ganz hervorragend gemacht. Nicht nur in Form von ihrer Verbalität, sondern auch durch Leistung auf dem Platz.“ All jene Punkte haben „am Ende dazu geführt, dass wir so gut dastehen, weil wir als Mannschaft gewachsen sind. Rein fußballerisch war ich mir schon sicher, dass wir eine gute Mannschaft haben“, so Titz.

„Das ist das Schöne als U21-Trainer bei einem Profiverein“

Von Winter-Zugang Arianit Ferati (re.) schwärmt Titz regelrecht. Foto: KBS-Picture

Doch die erfolgreiche erste Saisonhälfte gehört nun der Geschichte an. Denn, und das betont Titz: „Wir können uns für die Vorrunde nix kaufen, denn jetzt geht es wieder bei null los! Und das wird schwieriger – denn jetzt heißt es, das Gezeigte zu untermauern, zu bestätigen und sich wieder von Neuem zu beweisen.“ Mit Arianit Ferati (kehrte vorzeitig von seiner Leihe aus Aue in die Hansestadt zurück) habe man im Winter einen Spieler mit viel Qualität dazu bekommen. „Das ist das Schöne, wenn du in einem Profiverein als U21-Trainer arbeiten darfst, dass du dann die Möglichkeit und die Chance hast, Spieler zu bekommen, die du als ‚normaler‘ Regionalliga-Trainer nicht transferieren könntest“, so Titz, der ausführt: „Er hat zwar anderthalb Jahre wenig gespielt, sich aber vom ersten Tag sehr gut eingeführt. Er ist ein Spieler, der ein Element mit ins Spiel bringt, das wir vorher noch nicht hatten: Er kann von der Außenbahn in die Halbspur reinrücken und in Räumen Fußball spielen, wo der Gegner vor eine Entscheidung gestellt wird. Er hat ein Gespür dafür, zu erahnen, was der Achter – die Positon hat er selbst gespielt – mit dem Ball denkt und bewegt sich dementsprechend vorher in den Raum rein. Das macht ihn sehr interessant“, lobt Titz den 20-Jährigen, der schon am Samstag im Spitzenspiel bei Weiche Flensburg sein Debüt feiern könnte – wenn denn die liebe Mutter Natur mitspielt. „Das, was uns erwartet, hängt maßgeblich mit den Platzverhältnissen zusammen. Selbst wenn das Spiel stattfindet, wird sehr viel darüber entscheiden, wie gut das Spielgeläuf ist.“

„Absolute Einstellung, das Spiel für uns zu entscheiden“

Stephan Ambrosius (re.) steht vor dem Sprung in den Profi-Kader für das Dortmund-Spiel am Samstag. Foto: KBS-Picture

Da der Rasen zu jener Jahreszeit mit Sicherheit nicht im allerbesten Zustand sein wird, erwartet Titz von seinen Jungs, die in der Hinserie mit ihrem sehr dominanten Spiel manchen Gegner schon früh zermürbten, dass sie „Eigenschaften wie Mentalität, Wille und Entschlossenheit, die Zweikämpfe gewinnen zu wollen“ an den Tag legen. „Es wird ein Spiel, auf das wir uns einlassen und was wir von der ersten Minute annehmen müssen.“ Der gebürtige Mannheimer macht aber auch keinen Hehl daraus, dass es „eine ganz wichtige Partie wird, weil der Gegner weiß, er kann rankommen – und wir wissen, dass wir wegziehen können. Wir gehen da mit der absoluten Einstellung hin, das Spiel für uns entscheiden zu wollen.“ Von einem vorentscheidenden Duell um die Meisterschaft will er aber nichts wissen. „Das glaube ich nicht. Aber ich weiß auch, wie es wäre, wenn wir gewinnen und auf sechs Punkte wegziehen würden. Das ist für die Psyche ein Vorteil. Es hat seinen Reiz. Denn wir haben alles selbst in der Hand.“ 


Dass seine „Rothöschen“ in guter Frühform sind, zeigten sie nicht zuletzt in einem Testspiel gegen die eigene Bundesliga-Mannschaft. Mit 3:1 behielt der aufstrebende Nachwuchs, verstärkt durch den einen oder anderen Akteur von oben, die Oberhand. Von Euphorie kann aber keine Rede sein. „Die Jungs wissen ganz genau, dass es nur ein Trainingsspiel war. Zudem erden wir sie wirklich sehr stark. Wir werden am Samstag auf etwas komplett anderes treffen: Das ist eine wirklich unangenehme Herren-Mannschaft, die Qualität hat. Sie haben Spiele, wo sie sehr dominant sind, aber eben auch welche, wo sie auf Konter spielen und viele Zweikämpfe führen. Flensburg hat Qualitäten in der Kompaktheit, dem schnellen Umschaltspiel, bei Standards und mit der Disziplin, Fußball zu spielen.“ Fehlen wird der HSV-U21 Young-Jae Seo, der noch an den Folgen eines Meniskuseinrisses laboriert. Fraglich sind derweil die Einsätze von Mats Köhlert, der nach Adduktorenproblemen aber schon wieder im Mannschaftstraining ist, und Stephan Ambrosius, dem ein Platz im Profi-Kader für das Dortmund-Spiel winkt.

„Wenn man da oben steht, wünscht man sich keinen Zweikampf“

Möchte mit seinen Mannen an die erfolgreiche Hinrunde anknüpfen: HSV II-Chefcoach Christian Titz (li.). Foto: KBS-Picture

Die Winterpause habe man derweil auch dazu genutzt, die Hinrunde noch einmal „intensiv zu analysieren“, wie der 46-jährige Fußballlehrer meint. „Und ich kann sagen, was ich auf jeden Fall nicht mehr sehen möchte: Die Anzahl der Gegentore in den letzten drei Spielen. Wir haben die klare Devise: Wenn du selbst nicht anspielbar bist, dann musst du dich so positionieren, dass du den defensiven Umschaltweg des Gegners unterbinden kannst. Und da waren wir nachlässig in dem Bereich. Daran haben wir intensiv gearbeitet.“ Auf die Frage, ob er denn bis zum Schluss mit einem Titel-Zweikampf rechnet, entgegnet Titz mit einem leichten Schmunzeln: „Wenn man Fußballspieler oder Trainer ist und man steht da oben, dann wünscht man sich ja eigentlich keinen Zweikampf…“ Wenngleich er auch der Meinung ist, dass „Wolfsburg die Mannschaft sein wird, die in das Geschehen mit eingreifen wird. Es ist eine sehr spielstarke Truppe, die auch eine hohe individuelle Klasse besitzt.“ Doch apropos Meisterschaft: Nicht zuletzt durch die kritische Situation bei den Profis des HSV zweifeln viele Beobachter einen Aufstieg der U21 – wenn denn der sportliche Erfolg weiter anhält – an. Doch Titz stellt unmissverständlich klar: „Wir haben die Aussage bekommen, dass die Lizenz beantragt wird und wenn wir es sportlich schaffen, möchte es der Verein auch ermöglichen. Und genau diese Aussage wurde nochmal bestätigt. Deshalb dürfte es im Moment kein Thema sein, weil der Verein klar mitgeteilt hat, wenn’s möglich ist, strebt man nach dem maximalen Erfolg.“ Eine klare Ansage, die Bernhard Peters (Direktor Sport/Nachwuchskoordinator) der Mannschaft gegenüber noch einmal bekräftigt hat. Titz: „Der Verein beantragt die Lizenz!“

„Die Mannschaft ist gefestigt und stabil“

Bernhard Peters bekräftigte der Mannschaft noch einmal gegenüber, dass man die Lizenz beantragen werde. Foto: KBS-Picture

Doch bis es soweit ist, geht noch eine Menge Wasser den Bach runter – und so untermauert auch der Übungsleiter sinnbildlich: „Ich zerlege ungern einen Braten, den ich noch gar nicht fertig serviert habe.“ Vielmehr liegt der Fokus erst einmal ganz woanders: „Wir stehen vor dem Flensburg-Spiel, einer ganz wichtigen Partie, in der die beiden Top-Teams aufeinandertreffen. Danach haben wir noch 15 weitere Matches, die alle ihre Aufgaben darstellen werden, weil man durch die Spielausfälle, die auch in den nächsten Wochen noch kommen werden, in den englischen Rhythmus reingehen muss. Und diese Spiele musst du erstmal schadlos überstehen.“ Eine ganz „entscheidende Rolle“ spiele dabei auch der Kopf, wie Titz betont. „Es ist leichter, hoch zu kommen, als sich dort zu bestätigen. Man muss lernen, damit umzugehen. Stand heute bin ich aber der Meinung, dass meine Mannschaft sehr gefestigt und stabil ist.“

Autor: Dennis Kormanjos