Stiers Eingeständnis und massive Torwart-Schelte bei „Möllis“ Meistertsück

Ein in Vergessenheit geratener „Abo-Champ“? „Wir müssen nicht oben stehen - noch nicht!“

28. Oktober 2018, 18:52 Uhr

Der zuletzt gescholtene und häufig nur auf der Bank sitzende Maxi Dittrich durfte nach dem Triumph an der Dieselstraße die „Siegesworte“ an die Mannschaft richten. Foto: Kormanjos

Es waren die beiden Szenen, die noch im Nachgang für Diskussionsstoff sorgten: „Spielentscheidend war“, so BU-Coach Marco Stier, „dass wir die 100-prozentige Chance durch Hoeft haben, er gefoult wird – da braucht man nur seinen Oberschenkel sehen, weshalb ich ihn auch auswechseln musste – und der Maggio fast Gegenzug den Ball mit der Hand spielt.“ Statt 1:0 für die Barmbeker hieß es wenige Augenblicke später 0:1. Der Ärger Stiers schien auch aus neutraler Sicht zunächst verständlich – doch der Übungsleiter des HSV Barmbek-Uhlenhorst wollte es genau wissen, führte sich beide Szenen nach Spielende noch einmal zu Gemüte und zeigte dann Größe: „Ich habe mir die Bilder nochmal angeschaut und muss mich revidieren. Es war kein Foulspiel an Jon Hoeft und auch das Handspiel, was ich moniert habe, war keines.“

Tatsächlich sah die Rettungstat von Amando Aust gegen den viel zu lange zögernden Jon Hoeft im ersten Moment nicht ganz astrein aus – zumal der Barmbeker deutlich ersichtliche Spuren davontrug (61.). Doch Aust spielte erst den Ball, ehe er Hoeft am Oberschenkel traf. Keine fünf Zeigerumdrehungen darauf schien es so, als hätte Mattia Maggio eine Flanke von Marcel von Walsleben-Schied mit dem Oberarm mitgenommen, um dann zum Fallrückzieher anzusetzen. „Ein kläglicher Versuch“, witzelte Sven Möller, der als Nutznießer jener Aktion die Führung erzielte (66.)! „Ich weiß gar nicht, worüber die sich aufregen“, rätselte Maggio nach Schlusspfiff – und widersprach der These eines Handspiels: „Ich habe den Ball mit dem Fuß hochgenommen.“ Als sich die Barmbeker Bank beim Assistenten beschwerte, entgegnete dieser: „Das war kein Abseits!“ Konfusion an allen Ecken und Enden. „Das ist so weit entfernt, da müsste ich eine Brille tragen. Aber für mich war da nichts“, erklärte TuS-Trainer Elard Ostermann auf Nachfrage, ehe er die Aust vs. Hoeft-Szene von zuvor wie folgt bewertete: „Das war eine ganz normale Zweikampfsituation – und auch in so einer kann man sich mal einen blauen Fleck holen.“

Stier: „So viele Tore kann man gar nicht schießen, wie wir an Torwartfehlern produzieren“

Ian Claus (re.) war bei seinen ehemaligen Teamkameraden gut aufgehoben. Foto: Kormanjos

Für BU war die verpasste Führung und der prompt folgende Nackenschlag jedenfalls der schlussendliche Genickbruch. Auch, weil Torhüter Kaspars Plendiskis einen rabenschwarzen Tag erwischte. Nachdem er zweimal stark zur Stelle war, gingen die Tore zwei bis vier allesamt auf seine Kappe. „Dass wir das Spiel dann durch drei Torwartfehler mit 0:4 verlieren, ist unglaublich!“, ärgerte sich auch Stier über das Zustandekommen der Gegentreffer. Erst spielte Plendiskis den Ball in die Füße von Möller, der mit einem wahren Kunstschuss von Höhe der Mittellinie über den zu weit vor seinem Tor postierten BU-Fänger das 2:0 markierte – ein Wahnsinns-Tor (68.)! Dann beförderte er sich einen zwar strammen, aber alles andere als platzierten Linksschuss von Maximilian Dittrich, der heute mal wieder von Anfang an ran durfte, in die eigenen Maschen (83.), ehe Plendiskis nach einem Möller-Freistoß am Ball vorbei boxte und Rinik Carolus per Kopf das 4:0 ermöglichte (89.)! „So viele Tore kann man halt nicht schießen, wie wir an Torwartfehlern in dieser Saison produzieren“, fand Stier überaus deutliche Worte. „Wir bestrafen uns jede Woche selber. Dabei hatten wir es heute nicht verdient, zu verlieren. Es war über weite Strecken eigentlich ein Unentschieden-Spiel.“

Möller: „Die sollen uns ruhig vergessen. Wir müssen nicht oben stehen - noch nicht!“

Lange Zeit tat sich der Serienmeister an der Dieselstraße enorm schwer. Ostermanns Kabinenansprache: „Wir sollen weiter daran festhalten, dran glauben und mehr Gas geben. Auch Wege machen, die wehtun – und diese machen wir zurzeit noch zu wenig. Dass man sich einfach auch mal für die Mannschaft opfert und in Räume reinläuft, auch wenn der Ball mal nicht kommt“, so „Kunstschütze“ Möller, der angesprochen auf sein sehenswertes Tor meinte: „Ich habe ein bisschen darauf spekuliert, dass der Ball hoch zu mir kommt und nicht so flach. Denn im Endeffekt kam der so, dass ich ihn direkt nehmen musste, weil er sonst nicht reingeht. Wenn ich den vorher noch annehme, verstreicht zu viel Zeit und der Torwart wäre auch wieder im Tor gewesen. Man kann das ja nicht trainieren. Aber es gibt immer mal wieder solche Situationen, wo ich mal gucke und es auch direkt versuche.“ Derweil wusste sein Coach, „dass der reingeht“, wie er hinterher verriet. Denn: „Er hat die technischen Möglichkeiten, hatte den Kopf oben und hat gesehen, dass der Torwart weit draußen steht. Ich hätte eigentlich gedacht, dass er schon ein bisschen früher jubelt“, scherzte Ostermann. „Er hat ja gewartet, bis das Netz gezappelt hat.“ Apropos warten: In Dassendorf scheint man das Feld in dieser Saison von hinten und erst ganz am Ende aufrollen zu wollen. „Die sollen uns ruhig alle vergessen. Wir müssen da oben nicht stehen“, so Möller vielsagend, um hinterher zu schieben: „Noch nicht! Am Ende wollen wir da oben stehen.“

Dittrichs Befreiung? „Er hat das Vertrauen gerechtfertigt“

Auch Maxi Dittrich (li.) profitierte vom unglücklichen Nachmittag des Kaspars Plendiskis. Foto: Kormanjos

Vier Tore als Brustlöser für die kommenden Wochen und Aufgaben? „Man hat ja gesehen, wie schwer wir uns getan haben“, klammerte Ostermann die ersten 45 Minuten, die geprägt waren von „wenig Torraumszenen und vielen Fehlpässen“, wie er befand, nicht aus. „Wenn das erste Tor fällt, dann läuft es eigentlich immer bei uns. Wir brauchen so ein paar gute Aktionen. Denn man kann nicht immer versuchen, alles nur durch die Routine zu lösen. Man braucht auch Tempo und Aggressivität. Das hatten wir in der zweiten Halbzeit. Und wenn dann ein Tor fällt, dann können wir entweder nur ‚volle Kanne‘ oder ‚Flasche leer‘.“ Auch für Maxi Dittrich, der zwar bemüht, aber bis zu seinem Tor meist wirkungslos war, könnte es nach schweren Wochen – am Freitag zählte ihn sein Trainer in der „Bergedorfer Zeitung“ an – der Brustlöser gewesen sein. „Maxi hat ein gutes Tempo und am Freitag gut trainiert. Da wusste er noch nichts von dem Bericht“, erzählte Ostermann mit einem Augenzwinkern. „Über ein paar Dinge haben wir mit ihm gesprochen und da muss man ihm dann auch die Möglichkeit geben, diese zu ändern. Wir haben nun mal einen großen Kader und ‚Kuczy‘ (Kristof Kurczynski; Anm. d. Red.) hat das gut gemacht. Deshalb war’s für ihn heute auch ein bisschen bedauerlich. Aber letztlich passte der Gegner zu Maxis Spiel und er hat das Vertrauen gerechtfertigt.“ Abschließend konstatierte Ostermann: „Irgendwann musste doch mal einer reinflutschen, er hat das Fußballspielen ja nicht verlernt. Und es ist auch unsere Aufgabe, einen Weg aus der kleinen Krise, die er hatte, zu finden.“

Autor: Dennis Kormanjos