LOTTO-Pokal

„So einseitig hätte ich das tatsächlich nicht erwartet!“

03. November 2022, 10:07 Uhr

Marc Bölter (Mi.) bejubelt seinen Treffer zum 2:0 für seine Eintracht aus Norderstedt. Foto: noveski.com

87 Minuten waren gespielt, als der SC Victoria Hamburg mal das notwendige (Pokal-)Feuer zeigte. Aber auch nur, weil Juri Marxen mit vollem Einsatz gegen Magnus Hartwig zu Werke ging und gleich zweimal mit ganzer Körperlichkeit den Ball eroberte - und das fair. Aber: Sehr zum Unmut von Hartwig, der sich aufgrund der Tacklings den am Boden liegenden Marxen verbal zur Brust nahm. Aber allein jene Szene war bezeichnend für das, was sich während der 90 Minuten vor 232 zahlenden Zuschauern im Stadion Hoheluft abspielte (die Highlights im LIVE-Ticker)!

Hamajak Bojadgian (re.) nickt gegen einen zu passiven Yannick Siemsen zur frühen Eintracht-Führung ein. Foto: noveski.com

Allein das knappe Ergebnis nach 45 Minuten hielt die Spannung zumindest etwas am Leben. Ansonsten dominierte der FC Eintracht Norderstedt das Viertrunden-Duell im LOTTO-Pokal beim klassentieferen SC Victoria Hamburg über 75 Minuten lang nahezu nach Belieben. Mehr, als man es im Vorfeld vielleicht vermuten konnte. Viel zu passiv agierten die Hausherren, die schon nach acht Zeigerumdrehungen auf die Verliererstraße gerieten. Eine Hereingabe von Pelle Hoppe nickte der aufgerückte Hamajak Bojadgian aus kurzer Distanz in die Maschen!

Auch in der Folge erspielte sich der Regionalligist etliche Chancen, um das Ergebnis weiter in die Höhe schnellen zu lassen. Doch die Ausbeute war Mangelware - und einziger Kritikpunkt von Marius Ebbers. „Das ist zumindest ein großer Punkt auf unserer Liste. Wenn wir etwas konsequenter gewesen wären, dann wäre es hintenraus auch ein ganz anderer Abend geworden und das Spiel wäre relativ früh entschieden gewesen. Da müssen wir mehr Konsequenz und Galligkeit reinbekommen“, entgegnete der Co-Trainer der Eintracht, für den die Partie eine ganz besondere war.

"Ich war schon ein bisschen überrascht über die relativ defensive Einstellung"

Rückkehrer Jan Lüneburg (2. v. li.) ist als erster Gratulant bei "Hamo" Bojadgian. Foto: noveski.com

„Ich habe hier fast sieben Jahre lang eine schöne Zeit gehabt - sowohl als Spieler als auch als Trainer. Deswegen habe ich mich auf den Abend, das Spiel und einige Gesichter, die ich wiedergesehen habe, gefreut“, blickte Ebbers auf seine Vicky-Vergangenheit zurück - und zeigte sich auf Nachfrage von einer Komponente auch etwas verwundert: „So einseitig hätte ich das tatsächlich nicht erwartet. Ich war schon ein bisschen überrascht über die relativ defensive Einstellung der Vicky-Jungs. Wir haben es 75 Minuten lang komplett im Griff, verpassen es einfach, das dritte und vierte Tor nachzulegen. Schon zur Halbzeit müssen wir eigentlich relativ deutlich führen.“

Die Titze-Truppe präsentierte sich erschreckend harmlos, ohne jegliches Feuer und Aufbäumen. Hatte die herbe 3:5-Pleite am vergangenen Freitagabend gegen den FC Türkiye doch deutlichere Spuren hinterlassen? Auch nach der Pause war es ein Spiel in eine Richtung. Doch es dauerte bis zur 68. Minute, ehe Marc Bölter nach Zuspiel von Juri Marxen unbedrängt von der Strafraumgrenze zur vermeintlichen Vorentscheidung traf! Kaum vorstellbar, dass der SCV nach der bis dato gezeigten Vorstellung noch einmal zurückkommen und ein Comeback würde intiieren können. Doch eine Viertelstunde vor Ultimo passierte genau das, was wohl nicht mal der größte Norderstedter Pessimist zu diesem Zeitpunkt für möglich hielt. Nachdem Magnus Hartwig beim Schussversuch noch geblockt wurde, kam die Kugel rechts im Sechzehner zu Dennis Bergmann, der traumhaft schön per Fallrückzieher ins lange Eck finalisierte - nur noch 1:2! Und mehr aus dem Nichts ging eigentlich gar nicht!

"Diggi" zwingt Huxsohl zu einer Glanztat

Marc Bölter (Mi.) nimmt ohne Gegenwehr Maß - und schweißt trocken zum 2:0 für den Regionalligisten ein. Foto: noveski.com

Urplötzlich war Vicky zurück im Spiel - und wäre beinahe in der Schlussminute noch zum Ausgleich kommen, als wiederum Bergmann aus 30 Metern volles Risiko ging, ein mächtiges Pfund abfeuerte und Lars Huxsohl zu einer spektakulären Parade zwang (90.)! „Wir haben uns hintenraus etwas unsouverän angestellt“, befand Ebbers, dass es schlussendlich „nochmal eng wurde, weil ‚Diggi‘ (Dennis Bergmann, Anm. d. Red.) da so ein Traumtor macht und am Ende noch so ein Ding rausholt“. Aber: „Ich denke über ein verdient oder unverdient brauchen wir heute überhaupt nicht zu diskutieren. Denn verdient war das auf jeden Fall!“

Das Fazit von Sören Titze: „Ich bin mit der heutigen Leistung zufrieden. Wir haben alles in die Waagschale geworfen. Dass wir gegen eine sehr gute Mannschaft gespielt haben, die uns vom Grund auf erstmal überlegen ist, das war uns klar.“ Dennoch täuschte das knappe Ergebnis über die wahren Kräfteverhältnisse hinweg. Auf Nachfrage, ob er eine so deutliche Dominanz der Gäste erwartet hätte, erwiderte der Vicky-Coach: „In der ersten Halbzeit war es komischerweise schon sehr, sehr deutlich. Aber in den letzten 20 Minuten haben wir auf einmal ein richtig gutes Spiel gemacht. Wenn uns der Lucky Punch am Ende noch gelingt, sagen alle, das haben wir uns erkämpft. Aber vom gesamten Spielverlauf her muss man sagen, dass das Ergebnis völlig in Ordnung geht und wir auch aufgrund der Torchancen verdient verloren haben. Nichtsdestotrotz muss man auch einfach sagen, dass es nun mal ein Unterschied ist, ob du jeden Tag trainierst oder eben nur zwei-, dreimal die Woche“, sprach Titze unter anderem auch die Personalsituation an.

"Hätten wir mitgespielt, würde hier ein 2:7 stehen"

Lars Huxsohl (2. v. re.) kann dem Ball nur hinterherschauen. Aus dem Nichts bringt Dennis Bergmann (nicht im Bild) die Hausherren per Fallrückzieher zurück. Foto: noveski.com

„Ich glaube, in einem Elfmeterschießen hätten wir nach der Schlussphase eine gute Chance gehabt“, mutmaßte Titze. „Trotzdem habe ich der Mannschaft eben auch schon gesagt: Wenn wir so eine Laufbereitschaft auch in der Liga an den Tag legen würden, dann würden wir sicherlich ein paar Punkte mehr haben. Das ist das, was mich stört und ärgert, weil man sieht, dass es möglich ist. Wenn man in der Schlussphase noch solche Wege gehen kann und die im Spiel davor nicht von Anfang an geht, dann ist das schon ein bisschen erschreckend“, hatte die Vorstellung gegen Türkiye Wirkung gezeigt.

Warum sich seine Elf erst in der Schlussphase so richtig zur Wehr setzte und lange dieses Feuer vermissen ließ? „Da muss man wirklich fair sein. Das ist ein Gegner, der richtig gut spielt. Ich habe sie jetzt dreimal zu Hause gesehen. Die haben da schon gute Maschinen vorne drin. Und wenn wir hier von Anfang an einen offenen Schlagabtausch mitgehen, dann können wir das gar nicht leisten - wenn wir das könnten, würden wir in der Tabelle woanders stehen. Wenn wir mitgespielt hätten, dann hätte es für den neutralen Zuschauer vielleicht schöner ausgesehen. Aber dann würde hier ein 2:7 stehen. Aber wenn du das Ziel hast, eine Runde weiterzukommen, musst du auch genau gucken, mit welchen Möglichkeiten. Wir haben auch heute wieder viele Jungs nicht dabei gehabt. Es war ja letztlich bis zum Ende spannend, weil die nicht vorher den Deckel draufgemacht haben. Aber wenn wir am Ende noch das 2:2 gemacht hätten, dann wäre die Frage wahrscheinlich eine andere gewesen“, konterte der 37-Jährige.

"Das war eine gute Reaktion"

Das Norderstedter Unvermögen und Vicky-Keeper Dennis Lohmann (re.) bewahrten den Oberligisten vor einer deutlicheren Niederlage. Foto: noveski.com

Während Ebbers „gerne“ an seine ehemalige Wirkungsstätte zurückkehrte - und mit einem hochverdienten Sieg wieder davon fuhr. Norderstedt gab die richtige Antwort auf die 0:1-Derbypleite gegen Teutonia 05. „Wir waren danach sehr enttäuscht, weil es aus unserer Sicht einfach unnötig war und wir nicht unsere beste Leistung abgerufen. Das war eine gute Reaktion der Mannschaft und wichtig, dass wir erfolgreich vom Platz gegangen sind“, resümierte „Ebbe“.

Autor: Dennis Kormanjos