Shirdel: „Ich habe Baris versprochen: ‚Ich mache dir noch einen gut‘“

Ex-Profi im Interview über seinen Meiendorf-Wechsel

08. Juli 2018, 11:00 Uhr

Josef Shirdel (li.) ist zurück: Der ehemalige "Rothose" wechselt zum Meiendorfer SV und hat den Traum von der Nationalmannschaft noch nicht abgehakt. Foto: KBS-Picture.de

„Das Geschäft hat mich abgefuckt – hier erlebe ich wieder Spaß und Menschlichkeit“, sagte uns Josef Shirdel im April 2017 – und er weiß, wovon er spricht. Der 25-Jährige hat in seiner Fußballer-Laufbahn die Höhen und Tiefen des Sports hautnah miterlebt. Shirdel spielte in der Jugend für St. Pauli und den HSV, schaffte dort den Sprung in die U23, war afghanischer Nationalspieler und absolvierte diverse Probetrainings bei internationalen Clubs wie den Blackburn Rovers, West Ham United oder auch Orlando City. Nun ist er zurück in der Hansestadt und schließt sich dem Oberliga-Aufsteiger Meiendorfer SV an. Wir haben mit ihm gesprochen!

FussiFreunde: Josef, wie kam der Wechsel nach Meiendorf zustande?

In Meiendorf will Shirdel seinem Ex-Trainer Baris Saglam etwas zurückgeben. Foto: KBS-Picture.de

Shirdel: „Ich wollte wieder anfangen – nachdem ich mich beruflich selbstständig gemacht und deshalb eine kleine Auszeit vom Fußball genommen habe. Aber so wie es nun mal ist: Jeder Fußballer ist gierig nach dem Ball. Einige haben das mitbekommen, dass ich wieder beginnen möchte – und da waren auch diverse Vereine dabei, die mehr zahlen können. Aber Gott sei Dank bin ich nicht vom Finanziellen abhängig und habe mich deshalb für Meiendorf entschieden. Nicht wegen Meiendorf, sondern wegen Baris Saglam (Trainer; Anm. d. Red.) und Serhat Akkaya (Co-Trainer).“

Heißt: Du kennst beide schon länger?

Shirdel: „Mit Baris habe ich schon in der C-Jugend zusammengearbeitet, als er mich von St. Pauli zu HT 16 geholt und mit seinem Wechsel in den Nachwuchs von St. Pauli quasi mitgenommen hat. Ich kann mich noch genau daran erinnern, dass ich ihm damals versprochen habe: ‚Ich werde dir noch einen gut machen. ‘ Denn er hat mich damals weiter gebracht. Jetzt war die Situation so, dass ich mir gesagt habe – obwohl es auch andere Möglichkeiten gab –, dass ich es jetzt für Baris und für Serhat mache. Am Ende gehören sie für mich zur Familie. Wir haben über Jahre Kontakt gehabt, immer gehalten und häufig schon Witze darüber gemacht. Als ich ihnen schließlich gesagt habe, ich mache das, waren sie im ersten Moment ‚schockiert‘. Jetzt freue ich mich einfach auf die Saison mit den Jungs und mit dem Verein und habe wieder Bock, auf dem Platz zu stehen.“

Nun waren da – dem Vernehmen nach – auch durchaus sehr attraktive Anfragen dabei. Ist es dir leicht gefallen, denen aufgrund von Baris und Serhat abzusagen?

Shirdel: „Ja, sofort! Ich habe Baris relativ schnell zugesagt – unter der Voraussetzung, dass einige Sachen geklärt werden. Und damit meine ich nicht das Finanzielle, sondern andere Dinge! Den anderen Vereinen habe ich ganz offen gesagt, wie der Stand ist. Nun bin ich glücklich, dass es geklappt hat. Denn ich weiß, dass ich dem Trainerteam zu 100 Prozent vertrauen kann.“

Als du zu Dersimspor gewechselt bist, war das Echo – vor allem aufgrund deiner fußballerischen Vita – sehr groß. Nach einem halben Jahr hast du den Verein wieder verlassen. Eine bewusste Entscheidung?

Beim HSV II spielte Shirdel (li.) unter anderem mit dem heutigen Victorianer Dennis Bergmann (re.) zusammen. Foto: KBS-Picture.de

Shirdel: „Es hatte einerseits berufliche Gründe, andererseits habe ich mich auch verletzt. Es war jetzt nicht so, dass ich damit über ein Jahr lang ausgefallen wäre, aber sieben, acht Monate hätte es schon gedauert. Nun bin ich seit einem Jahr und drei Monaten raus. Aber ich befinde mich seit gut einem Jahr wieder in der sportlichen Entwicklung, mich auf den Fitnesszustand zu bekommen, auf dem ich mal war. Ich bin immer noch in Form und habe in der Zeit auch weiter mit einem Personal Trainer und dem Reha-Zentrum vom HSV zusammengearbeitet. Ich war mir persönlich sicher, dass ich auf jeden Fall noch einmal angreifen möchte. Aber Regionalligisten habe ich von vornherein gesagt, dass es schwierig wird, da ich beruflich nun in Hamburg tätig bin.“

Was hat bei dir zu der Einstellung geführt, „auf jeden Fall noch einmal angreifen“ zu wollen?

Shirdel: „Einer der Gründe ist die Nationalmannschaft. Ich habe wieder die Lust und den Hunger, für Afghanistan zu spielen.“

Wie stehen da die Chancen?

Der 25-Jährige will sich nach über einjähriger Pause die nötige Zeit geben, um wieder auf sein Top-Level zu kommen. Foto: KBS-Picture.de

Shirdel: „Wenn ich gesund bin und das auch bleibe, dann sehe ich sie bei 100 Prozent.“

Gab es auch schon Kontakt oder Reaktionen auf deine Rückkehr?

Shirdel: „Ja, man hat lose gesprochen. Alle haben sich damals gefragt, warum ich aufgehört habe. Viele waren schockiert und einige haben mich als ‚Dummkopf‘ bezeichnet, da sie der Ansicht waren: ‚Wie kann man so ein Talent einfach so wegschmeißen? ‘ Aber ich bin im Endeffekt glücklich, brauchte die Zeit und meine Familie ist auch glücklich. Das ist das Wichtigste. Ich brauchte einfach einen freien Kopf.“

Wie lange gibst du dir Zeit, bis wir dich wieder auf „Top-Niveau“ sehen werden?

Shirdel: „Ich gebe mir so viel Zeit, wie ich brauche – weil ich genau weiß, wie es ist, wenn man sich diese Zeit eben nicht gibt. In jungen Jahren habe ich mir immer selbst den Stress gemacht und mich gehetzt. Dadurch entstehen Verletzungen. Deshalb ist für mich jetzt vorrangig erstmal wichtig, dass ich gesund werde. Natürlich möchte ich so schnell wie möglich auf den Platz zurückkehren, aber ich gebe mir da die nötige Zeit.“

Dersimspor war damals Landesligist, Meiendorf ist gerade aus der Landesliga aufgestiegen. Bedeutet, dass der Leistungsunterschied nicht allzu groß ist. Wie schätzt du das Niveau ein und in welchen Bereichen unterscheidet sich Meiendorf von Dersim?

Für den MSV ließ Shirdel (re.) viele höherklassige Anfragen sausen. Foto: KBS-Picture.de

Shirdel: „Bei Meiendorf ist das Trainerteam sehr eng zusammengeschweißt. Während es bei Dersim – obwohl die Jungs untereinander extrem zusammenhalten – leider so ist, dass es ganz oben anfängt, dass der Zusammenhalt nicht so fest ist wie hier in Meiendorf. Aber zu den Jungs habe ich immer noch Kontakt. Das sind wirklich super Kerle, tolle Menschen – auch im Trainerteam. Aber im Drumherum haben sich einige Leute herauskristallisiert, die sich nach dem Spiel als ‚Man of the match‘ hingestellt und gedacht haben, sie hätten selbst gespielt. Und ich glaube, das war eines der Probleme.“

Abschließend: Was hast du mit Meiendorf vor?

Shirdel: „Ich habe mit dem Verein das vor, was mir Baris Saglam mit auf den Weg gegeben hat – aber darüber darf ich leider nicht sprechen (lacht)...“

Bei uns schon…

Shirdel: „Nein, das bleibt intern. Hauptsache ist, dass alle gesund bleiben und ich mit meiner Erfahrung auch die jungen Spieler heranführen kann. Dann sollte der Klassenerhalt möglich sein.“

Autor: Dennis Kormanjos