Sechs Fackeln: „Raubvögelchen“ stürmen gegen „an Peinlichkeit nicht zu überbietende“ Rothosen ins Finale!
„Als wenn die Jungs ein Jahr lang nur auf dieses Spiel gewartet haben“
Bedröppelte Gesichter auf der einen, freudestrahlende auf der anderen Seite: Der eingewechselte Tufan Asan (re.) spielte die Rothosen-Defensive schwindelig. Foto: Christian Küch
Noch bevor der Anpfiff zum ersten Halbfinale im HOLSTEN-Pokal ertönte, staunten die Schaulustigen am Berner Heerweg nicht schlecht. Sascha Kleinschmidt, seit Jahr und Tag einer der besten Oberliga-Keeper in Diensten des SC Condor, hütete das Tor der Reserve-Mannschaft. Auch Cassian Klammer wurde von der Liga für das Duell mit dem HSV III abgestellt. Beide durften ran, da sie für die Oberliga-Truppe beim Erstrunden-Ausscheiden im ODDSET-Pokal gegen den Rahlstedter SC nicht zum Einsatz kamen. Doch das, was sowohl Kleinschmidt als auch Klammer dann hautnah miterleben durften, hätten sie im Vorfeld wohl auch kaum für möglich gehalten. „Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll?!“, war Trainer Fabian Facklam gänzlich aus dem Häuschen. Das Auftreten seiner Schützlinge sei im Vergleich zu den Leistungen in der Liga „der absolute Wahnsinn“ gewesen, wie er meinte. „Das war wie eine andere Mannschaft – und sah so aus, als wenn die Jungs ein Jahr lang nur auf dieses eine Spiel gewartet haben. Einfach nur genial!“
Facklam: „Es kann auch 4:0 oder 5:0 stehen“
Zwei Gegenspieler? Egal! Jan-Ole Rosenhauer (mi.) lässt Hinrichsen (li.) und M. Augustinovic stehen. Foto: Christian Küch
Das komplette Gegenteil war die Darbietung des akut abstiegsgefährdeten Oberligisten, der sich von der ersten Minute an unglaublich behäbig, überheblich, leidenschafts-, körper-, lust-, und ideenlos präsentierte. Bezeichnend: Die zweite Spielminute brach gerade an, da landete ein Rückpass von Tim Henkis – ohne jegliche Bedrängnis – hinter Jan Haerting im eigenen Gehäuse. Slapstick pur! Noch bevor Jan-Ole Rosenhauer für das 2:0 sorgte, als er nach einem Klammer-Freistoß und anschließender Facklam-Kopfballverlängerung aus 15 Metern halbrechter Position per Dropkick traumhaft in den linken Knick traf (32.), hätten Yannik Andersson (7.) und André Grosche-Müller, dessen Kopfball von Henkis auf der Linie geklärt wurde (11.), die Führung bereits ausbauen können. „Ich habe in der ersten Halbzeit auch noch drei Chancen gezählt, die wir nicht gemacht haben. Es kann auch 4:0 oder 5:0 stehen“, so Facklam, dessen Warnungen in der Pause nichtsdestotrotz alles andere als unbegründet waren: „Dass sie nach der Halbzeit nochmal stark rauskommen werden, wussten wir. Da haben wir ein bisschen gepennt und uns ein bisschen zu weit hinten reindrücken lassen. Das haben sie dann aber auch gut gemacht.“
Bauer „nicht zu verteidigen“ - Rabenhorst: „Haben uns darauf ausgeruht“
Vor allem ein Akteur sorgte fast im Alleingang für den Wende – nachdem Rosenhauer in Folge eines langen Kleinschmidt-Abschlags nur haarscharf das Dritte verpasste (49.): Jendrik Bauer, der Henkis ersetzte, leitete den Anschluss ein, als er den Ball nach einem Einwurf stark abschirmte und für Ilic ablegte. Dessen Schuss konnte Kleinschmidt zwar noch glänzend parieren, gegen den Abpraller von Manuel Brendel war er aber machtlos – wenngleich er auch dort noch seine Finger im Spiel hätte (51.). Keine sechs Minuten darauf war es wiederum Bauer, der von Hinrichsen in Szene gesetzt wurde und aus der Drehung zum 2:2 ins lange Eck einschoss (57.)! „Das habe ich eigentlich angesagt, aber den kann man teilweise einfach nicht verteidigen“, befand Facklam. Nun rechneten wohl alle anwesenden Zuschauer mit dem schon im Vorfeld erwarteten Verlauf. Aber: „Danach haben wir wieder einen Gang zurückgeschaltet, uns daraus ausgeruht – und dann sieht man, dass das auch gegen einen Landesligisten nicht reicht. Von daher sind wir auch zurecht ausgeschieden“, erkannte Rabenhorst, dessen Elf in der Schlussphase komplett in sich zusammenfiel, auseinanderbrach und – so wie es die Spieler der Farmsener im Nachgang jubelnd feststellten – von den klassentieferen Hausherren regelrecht vorgeführt wurde.
Joker Asan düpiert komplette Rothosen-Defensive
Der leicht angeschlagene Jendrik Bauer (2. v. re.) hauchte seinem Team nach seiner Hereinnahme kurzzeitig wieder leben ein. Foto: Christian Küch
Auch, weil Trainer Facklam mit seinen Einwechslungen „ein goldenes Händchen“ bewies. Insbesondere der in Minute 66 ins Spiel gekommene Tufan Asan düpierte die „Rothosen“ nach allen Regeln der Kunst. „Ich muss ehrlich gestehen, dass ich ihn heute genau so haben und sehen wollte. Dass er reinkommt und vorne nochmal für Entlastung sorgt“, verriet Facklam. Erst holte Asan einen Freistoß raus, den Andersson mit einem unglaublichen Strahl aus 23 Metern halbrechter Position mit Hilfe des linken Innenpfostens zum 3:2 in die Maschen jagte (79.)! Dann ließ der „Wirbelwind“ auf seiner rechten Seite gleich drei Gegenspieler stehen und Ulbricht ins Leere rutschen, ehe er von der Grundlinie in den Rückraum passte, wo Grosche-Müller keine Mühe mehr hatte – 4:2 (81.)! Zwar verkürzten die Gäste durch einen Sampaney-Kopfball nach einem K. Augustinovic-Eckball noch einmal auf 3:4 (85.), doch die desolate Leistung in der Defensive sorgte am Ende für eine richtige Klatsche. Hinrichsen ließ sich vom ebenfalls eingewechselten Kim Kubik den Ball abluchsen, dessen Querpass Dennis Facklam verwertete (87.), ehe der kaum zu bremsende Asan nach einem herrlichen Solo per Heber über den bemitleidenswerten Haerting hinweg den 6:3-Endstand herstellte (90.)!
Rabenhorst: „Einige können nicht mal Landesliga-Ansprüche stellen!“
Ein sicherer, lautstarker und immer motivierender Rückhalt: Condor-Liga-Leihgabe Sascha Kleinschmidt. Foto: Christian Küch
Eben jener Haerting, der die ärmste Sau auf dem Platz war und von seinen Vorderleuten im Stich gelassen wurde, kritisierte beim Verlassen des Platzes „die Art und Weise“ der Niederlage. Dem pflichtete Rabenhorst bei: „Das war desolat. Ich habe den Jungs schon in der Halbzeit gesagt, dass der Auftritt eine absolute Frechheit ist!“ Vier Gegentore in den letzten elf Minuten, sechs insgesamt: „Da braucht man eigentlich auch gar nicht mehr viel zu sagen. Denn es ist unangenehm genug, wenn man allein schon das Ergebnis liest. Vor allem, wenn man gesehen hat, wie die Tore fallen. Beim ersten würde ich noch sagen: Das kann mal passieren. Aber gerade das, was in der zweiten Halbzeit abgelaufen ist und wie wir da verteidigen, da können einige nicht mal den Anspruch auf Landesliga stellen!“, fand er deutliche Worte, sodass der verpasste Finaleinzug schon fast in den Hintergrund geriet. „Klar ist es ärgerlich. Wenn man schon im Halbfinale steht und an einem Dienstag um 11:30 Uhr hier herkommt, dann will man auch ins Finale kommen. Oberste Priorität hatte aber natürlich der Klassenerhalt, der inzwischen auch fast unmöglich ist.“
Schal schießt Alsterbrüder II ins Endspiel
Letzteres trifft zwar auch auf die Farmsener zu. Doch im Gegensatz zum einzigen Oberligisten im Wettbewerb, steht der SC Condor II nun im Endspiel um den HOLSTEN-Pokal. „Es ist beeindruckend, wie wir nach dem 2:2 zurückgekommen sind – und das zählt“, bilanzierte Facklam, der mit seinem Team im Finale auf den FC Alsterbrüder II treffen wird. Der Spitzenreiter der Kreisklasse 7 eliminierte den klassenhöheren FC Süderelbe II mit 3:1. Matchwinner bei den Alsterbrüdern: Sönke Schal, der alle drei Tore erzielte. Glückwunsch an die Finalisten!