Saisonabbruch?

Schönteich: „Wir in Hamburg sind wiederholt die Ersten, die einen Abbruch forcieren!“

27. Januar 2021, 08:38 Uhr

„Es geht mir um Fairness und Sportlichkeit“

Schönteich appelliert an den Sportsgeist und prangert diverse Entscheidungen des HFV an. Foto: KBS-Picture.de

„Aus unzähligen Gesprächen mit Kollegen“ wisse er, „dass ich hier wahrlich nicht allein dastehe. Ganz im Gegenteil. Allerdings glaube ich selbst keineswegs, dass diese Worte hier noch etwas Zielführendes bringen, da bin ich nicht blauäugig.“ Er würde sich „als Mindestmaß wirklich wünschen, dass gespielte Spiele in eine Wertung einfließen. Und das sage ich ohne ganz großes Eigeninteresse. Wir sind ja selbst verhältnismäßig schwach gestartet und trauen uns durchaus zu, dass wir Neuansetzungspartien zu Hause gegen Buchholz oder bei Bramfeld durchaus auch gewinnen könnten im Gegensatz zum vergangenen Sommer. Es geht mir auch nicht um meine TuS, sondern um Fairness und Sportlichkeit.“ 


Dass in der Oberliga eine Mannschaft wie Paloma, die „absolut granatenstark gestartet“ ist, alle Punkte ersatzlos hergeben soll, „finde ich einfach unmöglich – und sowas gibt es in anderen Staffeln mit Sicherheit auch“, richtet er einen Appell an die Offiziellen des Verbandes: „Wenn wir also in Hamburg schon unerklärlicherweise (!) nicht um Punkte spielen dürfen im zweiten Quartal, dann unterbrecht wenigstens nur statt ganz abzubrechen – mindestens im Herrenbereich“, spielt er auf die bayerische Lösung an. „Mädchen/Frauen, der Seniorenbereich und Jugendliche mögen das anders sehen, da bin ich wirklich der falsche Ansprechpartner.“

„Das Ergebnis einer solchen undifferenzierten Abstimmung kann nur der Abbruch sein“

Der HFV würde jegliche Verantwortung an die Vereine weitergeben und mache es sich damit zu einfach, befindet Schönteich. Foto: KBS-Picture.de

Er fand den Ansatz „wirklich total gut“, dass sich der Hamburger Fußball-Verband im letzten Jahr „alle Befugnisse eingeholt und sich absegnen lassen hat, Entscheidungen zu treffen und auf die Corona-Lage entsprechend reagieren zu können“, müsse nun aber konstatieren: „Sie tun es leider nicht, sondern geben jegliche Verantwortung pauschal an die Vereine weiter und machen es sich damit zu einfach!“ Denn: „So, wie sie es machten, konnte es nur auf einen Abbruch hinauslaufen“, prangert Schönteich die Umfragen unter den Vereinen an. Bei „solchen völlig undifferenzierten Abstimmungen“ müsse man „wirklich nicht sieben Jahre Demagogie studiert haben, um zu erkennen, was für ein Ergebnis dabei rauskommt – nämlich der Abbruch“, moniert der TuS-Sportchef, der zumindest einen Unterschied zwischen leistungsbezogenem und eher weniger leistungsorientiertem Fußball machen wollen würde. 


„Bei allem Respekt und wirklich nicht despektierlich gemeint: Aber man kann doch nicht eine solche abstruse Abstimmung ohne Unterscheidung zwischen der Zweiten Alten Frauen, der Fünften F-Jugend und als Beispiel der Ersten Herren des SC Victoria machen. Dann lasse ich halt nicht im Großen abstimmen, sondern hole mir ein paar Meinungen ein und entscheide differenziert. Die Ermächtigung liegt ja schließlich vor. Und bei der Begrifflichkeit ‚Freiwillige Pflichtfreundschaftsspiele‘ bekomme ich einfach nur Pickel…“

„Der Verband lebt das – aber wir dürfen es nicht leben“

Vom "Freiwilligen Pflicht-Freundschaftsspielwettbewerb" hält Schönteich indes gar nichts. Foto: KBS-Picture.de

Er könne sogar verstehen, wenn sein Verein als Ganzes für einen Saisonabbruch votieren würde, weil die Spieltagsorganisation unter den ganzen Corona-Bestimmungen ein hoher Aufwand sei, „und bei anderen Mannschaften mit noch mehr Jugend- oder Frauen-Mannschaften sicherlich noch erheblich schwieriger wäre“, aber: „Warum kann man nicht sagen, wir bringen zumindest die ambitionierten oder leistungsbezogeneren Wettbewerbe zu Ende?“ So, wie beispielsweise den Pokal, den der HFV – trotz aller Umstände – sportlich beenden möchte. „Der Verband hat ein hohes Interesse daran, den Pokal weiterzuspielen, weil sie einen riesigen Sponsor daran hängen haben. Entschuldigung, aber solche haben wir und viele andere Vereine von der untersten bis zur höchsten Liga in Hamburg doch auch! Soll ich jetzt zu irgendeinem unserer Sponsoren gehen und sagen, dass die nächste Rate fällig ist, obwohl wir unser nächstes Spiel vielleicht erst im August haben?!“, echauffiert sich Schönteich darüber, dass der Verband „das verständlicherweise gerne lebt – aber wir dürfen es nicht leben“.


Was ihn zudem „wirklich ärgert“, sei der Umstand, „dass gewisse Mannschaften jetzt lauthals den Klassenerhalt feiern. Das wäre so, als würde ich sagen: Gut, wir brechen ab – dann sind wir als derzeitiger Tabellenführer erneut Hamburger Meister. Das wäre ähnlich unverständlich“, so Schönteich, der – auch in Bezug auf den LOTTO-Pokal – nicht sonderlich viel von der Idee eines „freiwilligen Freundschaftsspielwettbewerbs“ hält. Denn: „Das sorgt natürlich in keinster Weise dafür, dass man auch nur ansatzweise die nötige Spannung an den Tag legt, die man für einen Pokal-Wettbewerb braucht. Wir kämpfen dann gegen Mannschaften, die voll im Saft stehen.“ 

Grudzinski: „Das grenzt an Wettbewerbsverzerrung!“

Söhren Grudzinski, Sprecher der Initiative "Praxis-Fußball" und Abteilungsleiter beim TSV Sasel, spricht in Bezug auf den LOTTO-Pokal von "Wettbewerbsverzerrung". Foto: KBS-Picture.de

Hinzu kommen andere Hindernisse, wie auch Söhren Grudzinski, Sprecher der Initiative „Praxis-Fußball“, auf Nachfrage erläutert. Man werde zwar „die Füße still halten“, so Grudzinski, aber: „Die Meinungen gehen auseinander. Es ist ein gut gemeinter Vorschlag. Es gibt aber schon diverse Stimmen, die sich selbst organisieren wollen und regionale Spiele oder Turniere ausrichten möchten. Das muss jeder für sich entscheiden“, so der Ex-Profi, der auch als Fußball-Abteilungsleiter beim TSV Sasel tätig ist, wo man diesbezüglich aber noch nicht gesprochen habe. Gespannt sei er allerdings darauf, was mit dem LOTTO-Pokal passiert. „Wenn die Regio-Teams tatsächlich ab Dienstag wieder trainieren und dann auch zeitnah wieder spielen dürfen, grenzt das an Wettbewerbsverzerrung! Da bin ich dann auf den HFV gespannt.“

„Kein Mensch braucht eine Sommerpause – wir hatten genug Pause“

Abschließend hebt Schönteich den logischen Ansatz sämtlicher Vereine hervor: „Wir haben doch – hoffentlich – alle ein Ziel: Wir wollen wieder Fußball spielen! Und der Verband ist da, um das zu ermöglichen.“ Eines sei jedenfalls klar, so Schönteich: „Kein Mensch braucht in 2021 eine längere Sommerpause – wir haben jetzt wirklich genug Pause gehabt in den vergangenen Monaten! Mir persönlich würden circa drei Stunden Pause genügen im Sommer…“

Autor: Dennis Kormanjos