Landesliga Hammonia

Podcast „goes“ Text: „Ich bin nicht der Erste, der das Boot verlässt – der Kapitän geht zum Schluss!“

12. September 2022, 12:11 Uhr

Seit fünfeinhalb Jahren ist Anto Josipovic (Mi.) als Chefcoach bei Eintracht Lokstedt tätig - jedes Jahr gab's eine Steigerung. Foto: noveski.com

In den tiefsten Niederungen der Bezirksliga hat er den Club übernommen und zu einem Top-Team in der Landesliga entwickelt: Seit mittlerweile fünfeinhalb Jahren hat Anto Josipovic das alleinige sportliche Sagen bei Eintracht Lokstedt. In der vergangenen Saison gelang ihm mit den Mannen von der Döhrntwiete einer der größten Erfolge: Hinter der „Übermacht“ vom Eimsbütteler TV sicherte sich Lokstedt die Vize-Meisterschaft. Unmittelbar nach dem Spitzenspiel beim Vorjahres-Meister der Landesliga-Staffel 1 und aktuellem Tabellenführer der Hammonia-Staffel, der U23 des Niendorfer TSV, haben wir uns den Coach der Eintracht geschnappt und in der verschriftlichen Form unseres Podcasts „Schlusspfiff“ die Partie und unglückliche Entscheidungen Revue passieren lassen, aber auch über den Saisonstart, die Entwicklung, den Umbruch im vergangenen Sommer, positive und negative Überraschungen, Meisterschafts-Anwärter und Abstiegs-Kandidaten, die Ziele mit Lokstedt sowie den nächsten Schritt sowohl mit dem Verein als auch persönlich gesprochen.

Anto Josipovic über...

Im Spiel bei Niendorf II hatten Josipovic' Mannen auch mit sehr strittigen Schiri-Entscheidungen zu kämpfen. Foto: noveski.com

... das Spiel gegen Vorjahres-Meister und Tabellenführer Niendorf II (2:3): „Niendorf hat drei Tore geschossen, wir nur zwei. Deshalb hat Niendorf gewonnen. Nur das zählt am Ende des Tages. Wir hatten uns viel vorgenommen für das Spiel, haben uns gesagt, dass wir Niendorf nonstop Anlaufen, unter Druck setzen, Zweikämpfe gewinnen und eine gewisse Lautstärke sowie Dynamik auf den Platz bekommen wollen. Wir wollten mutig sein, überall unsere Balleroberungen haben und pressen, wo es nur geht. Damit kam Niendorf gar nicht klar. Wir hatten die klareren Möglichkeiten, sind in Führung gegangen und hätten auch das 2:0 machen können. Hinzu kommt, dass es zwei, drei äußerst strittige Entscheidungen gab, wo es Elfmeter für uns hätte geben müssen. Am Ende kommt Niendorf nach einer Ecke zum Ausgleich und hatte dann freistehend vor unserem Torwart die Chance auf das 2:1. Ansonsten war das über 45 Minuten eine Fußball-Demonstration von Lokstedt! Niendorfs Trainer Jan-Ramelow hat seine Spieler in die Kabine sprinten lassen, weil er offenbar etwas zu sagen hatte. Und ich habe meinen Jungs mitgegeben, dass Niendorf sicher anders rauskommen wird.

Zur zweiten Halbzeit: Wir versuchen, den Ball zu klären, spielen dem Gegner aber in den Fuß. Es folgt ein hoher Ball in den Strafraum – 1:2. Dann führen die eine Ecke kurz aus und treffen aus 20 Metern zum 3:1. Danach haben wir uns ein bisschen geschüttelt und wieder die Spielkontrolle übernommen. Wir hatten Chancen, haben Niendorf hinten reingedrückt, machen das 2:3 und hatten die Möglichkeiten zum 3:3. Vor allem durch Alexander Gäde alleine vorm Torwart, mehrere Kopfbälle durch Mario Beslic – und insbesondere in der 90. Minute, als ein klarer Elfmeter erneut nicht gegeben wurde (siehe Video).


Im Endeffekt ist es dann so. Niendorf hat sich das über die letzten anderthalb Jahre erarbeitet, dass man auch solch ein Spiel mal gewinnt. Die haben eine gute Qualität und einen guten Trainer, der erfolgreiche Arbeit leistet. Dementsprechend muss man das anerkennen. Und ich habe auch nach dem Spiel sowohl den Trainern als auch jedem einzelnen Spieler zum Sieg gratuliert. Für uns war es wichtig, dass wir ein ganz anderes Gesicht, als in der Vorwoche gegen Tesla zeigen. Wir wollten wieder Eintracht Lokstedt auf den Platz bringen – und das haben wir auf jeden Fall geschafft.“

Mit der Eintracht aus Lokstedt soll auch in dieser Saison - trotz schwierigem Saisonstart - wieder zu rechnen sein. Foto: Arne Wegener

... den Saisonstart von Eintracht Lokstedt: „Wir haben immer das Problem, dass wir die Dinge, die wir uns in und während einer Saison erarbeitet haben, nicht mit in die neue Saison übertragen bekommen. Das schaffen wir gefühlt nie, sondern müssen uns immer wieder alles neu erarbeiten. Wir haben viele neue Spieler, die sich auch erstmal einfinden und an gewisse Sachen und Abläufe gewöhnen müssen. Das gilt aber natürlich für alle Mannschaften, dass in der Vorbereitung viele nicht da waren – und die, die da waren, sind dann zum Saisonstart im Urlaub. Wir mussten und müssen auch weiter viel an der Mentalität und an der Disziplin arbeiten. An vielen Dingen, auch im Drumherum, die uns daran gehindert haben, einfach nur Fußball zu spielen. 

Zum Beispiel, dass wir zu einer Einheit werden, die richtige Einstellung zum Teamsport und zum Gewinnen haben – und da ist sehr viel Energie reingeflossen. Dadurch ist vielleicht auch ein Stück weit der Fokus auf das Wesentliche verloren gegangen. Und so kamen die bisherigen Ergebnisse zustande. Ich hoffe aber und glaube auch, dass wir nach und nach besser in die Saison reinkommen und auch konstanter spielen werden. Allerdings muss man sagen, dass wir unsere Punkte gegen Mannschaften liegen gelassen haben, die auch etwas vor und eine gewisse Qualität haben. Wir müssen wieder den Fokus zu 100 Prozent auf das Wesentliche – und das ist auf dem Platz – bekommen.“

Die sportliche Entwicklung bei der Eintracht aus Lokstedt unter der Regie von Anto Josipovic ist ziemlich beeindruckend. Foto: noveski.com

... die Entwicklung von „Lokke“ unter seiner Regie: „Ich glaube, sagen zu können, dass wir jedes Jahr einen Schritt nach vorne gemacht und mehr Punkte geholt haben. Diese Saison haben wir noch unsere Schwankungen und Probleme. Dennoch sehe ich die Entwicklung als sehr positiv an. Spieler wie Nassim Saleh entscheiden sich mittlerweile von sich aus dafür, zu Eintracht Lokstedt zu kommen. So etwas ist natürlich eine ungemeine Wertschätzung für die Arbeit, die wir bisher geleistet haben, wenn sich solch ein Spieler dazu entschließt. Daran sieht man, dass wir uns in den fünfeinhalb Jahren, die ich das jetzt mache, einen gewissen Namen erarbeitet haben und von den Gegnern ernst genommen werden. Wir haben einen Wiedererkennungswert als Mannschaft, was auch von Funktionären anderer Clubs so gesehen wird.

Was mir persönlich ein Anliegen war: Wenn man mal auf die Fairnesstabelle der letzten Jahre blickt, haben wir uns auch da extrem entwickelt. Aber natürlich ist es so, wenn man Fußball mit einer hohen Dynamik spielt, kann es immer mal passieren, dass man einen Schritt zu spät kommt. Auch ich persönlich habe mich weiterentwickelt und agiere an der Seitenlinie etwas ruhiger. Mir ist der gegenseitige Respekt sehr wichtig. Worauf ich ebenfalls stolz bin – neben der generellen Entwicklung: Dass wir sportlich für etwas stehen. Und ich bin überzeugt davon, dass wir auch in diesem Jahr wieder eine vernünftige Saison spielen werden.“

Das Karriereende von Ersin Cavus (li.), der sowohl auf als auch abseits des Platzes ein absoluter Leader war, ist für "Lokke" nur schwer zu kompensieren. Foto: noveski.com

... den kleinen „Umbruch“ im Sommer: „Ja, zwei, drei Leute haben uns im Sommer verlassen und viele Neue sind gekommen. Insgesamt zehn Spieler. Fast alle sind jung und kommen von Vereinen – und das ist nicht despektierlich gemeint –, wo es die Jungs zuletzt nicht unbedingt gewohnt waren, zu gewinnen. Die Spieler brauchen eine gewisse Zeit, um sich an die Liga und die neuen Gegebenheiten zu akklimatisieren. Gerade in der Hinsicht fehlt uns ein Typ wie Ersin Cavus ganz extrem. Er hat so etwas immer zusammengehalten – auch außerhalb des Platzes. Er war eine absolute Führungsfigur. Vor allem aufgrund der Art und Weise, wie er mit Menschen umgegangen ist. An ihm konnte sich die Mannschaft immer hochziehen, alle haben zu ihm hochgeschaut – und er hat jedem die Sicherheit gegeben und vermittelt. Aber auch auf dem Platz war er eine krasse ‚Balleroberungs-Maschine‘. Er hat unserem Spiel die Wichtigkeit und Bedeutung gegeben. Denn: Wenn du vorne anläufst, dann brauchst du jemanden, der die Bälle gewinnt, hart zu sich selbst ist, jedem Ball hinterherläuft, eine gewisse Aggressivität und Energie ausstrahlt. Einen, der sich für keinen Weg und keinen Zweikampf zu schade ist. Diese Lücke ist kaum zu schließen. Manchmal verliert man acht Spieler, die aber im Großen und Ganzen nicht die Lücke reißen, die ein Ersin Cavus bei uns hinterlassen hat. Daran arbeiten wir, dass wir das im Kollektiv geschlossen bekommen. Insofern ist der Umbruch von der Anzahl der Spieler, die uns verlassen haben, klein – aber von der Gesamt-Qualität extrem groß.“


Autor: Dennis Kormanjos

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