Petrowsky: „Wir waren in einigen Spielen zu blauäugig“

Hamburgs U23-Coach zieht Zwischenbilanz und will „den Negativtrend stoppen“

19. März 2015, 10:10 Uhr

Daniel Petrowsky möchte mit seiner U23 "den Bock umstoßen" und glaubt an die Wende zum Guten. Foto: KBS-Picture.de

Der Hype um die U23 des Hamburger SV war riesengroß. 17 Spiele lang blieb man ungeschlagen und stellte damit einen neuen Start-Rekord auf. Spieler klopften an den Bundesliga-Kader an – einige schafften sogar den Sprung ins Haifischbecken. Nach sieben sieglosen Spielen am Stück (sechs Niederlagen) ist jedoch längst die Ernüchterung eingekehrt. Der „Riesen-Vorsprung“ auf die Verfolger ist dahin, der fast schon sicher geglaubte Aufstieg in weite Ferne gerückt. Die Frage, ob der Verein den Gang in die nächsthöhere Klasse überhaupt bejaht, darf allerdings weiter mit einem dicken Fragezeichen versehen werden.

„Unser Ziel besteht in erster Linie darin, Spieler zu entwickeln“

Ein knappes halbes Jahr ist Zinnbauer-Nachfolger Daniel Petrowsky mittlerweile im Amt. Bei uns zieht er eine kleine Zwischenbilanz und wirft einen Blick voraus. „Das Fazit fällt bislang durchweg positiv aus“, sagt der gebürtige Berliner, der seit Mitte September das Zepter an der Hagenbeckstraße schwingt. Trotz der anhaltenden Schwächeperiode glaubt Petrowsky daran, dass man „den Bock wieder umstoßen wird“.

Nach acht Siegen zu Saisonbeginn und der Beförderung von Zinnbauer zum Profi-Coach übernahm der bisherige U19-Trainer Daniel Petrowsky das Amt bei den „Rothöschen“. „Für mich war das natürlich eine super Sache, die Möglichkeit zu bekommen, die Serie weiterzuführen“, erklärt Petrowsky, der weitere neun Partien ungeschlagen blieb (sechs Siege, drei Remis) und mit dem Bundesliga-Nachwuchs einen Startrekord aufstellte. Noch nie blieb eine Mannschaft der Regionalliga Nord in einer Hinrunde unbesiegt – der HSV II nun schon! Die Folge: der Hype um das Team wurde immer größer. Immer mehr Spieler wurden von Zinnbauer aufgrund der gezeigten Leistungen in den Profi-Kader berufen. „Natürlich ist es für eine U23 schwer, damit umzugehen. Aber das ist in erster Linie unser Ziel, dass wir Spieler weiterentwickeln und sie so ausbilden, dass sie die Chance dazu haben, eines Tages bei den Profis zu landen“, so Petrowsky. Mit dem 1:4 in Norderstedt begann winterübergreifend inzwischen sechs Spiele andauernde Niederlagenserie, die mit einem torlosen Unentschieden am vergangenen Wochenende gegen Braunschweig II gestoppt wurde. „Es kam viel zusammen: Sperren, Verletzungen und Spieler, die hochgezogen wurden. Wir standen auf einmal mit einer komplett anderen Mannschaft auf dem Platz.“ So musste Ahmet Arslan, der mit 13 Treffern die interne Tor-Statistik anführt, zum Teil als Rechtsverteidiger aushelfen. „Auf einigen Positionen haben wir einfach Probleme, da hoffen wir darauf, dass uns bald wieder mehr Optionen zur Verfügung stehen.“

„Tolcay hat sich immer in den Dienst der Mannschaft gestellt“

Aufgrund der Personalnot musste Ahmet Arslan (li.) zuletzt hinten rechts ran. Cigercis (r.) Rückkehr sehnt man herbei. Beide sind Hamburgs beste Schützen. Foto: KBS-Picture.de

Die Hamburger hatten ihre „Leichtigkeit und die Überzeugung verloren“. Mit Ronny Marcos, Ashton Götz und Mohamed Gouaida spielten sich drei Akteure zunächst in der Bundesliga-Elf fest. Auch Matti Steinmann, Sven Mende oder auch Keeper Alexander Brunst gehörten ein ums andere Mal dem Profi-Kader an. „Viele Spieler waren oben dabei, aber die Kunst ist es, sich dort auch zu behaupten und festzusetzen.“ Hinzu kam, dass Leistungsträger wie Tolcay Cigerci, Dominik Masek, Gideon Jung, Nico Charrier oder eben auch Matti Steinmann verletzungsbedingt nicht zur Verfügung standen. Speziell der Ausfall von Cigerci, der in zwölf Spielen achtmal traf und sechs weitere Treffer direkt vorbereitete, lähmte das Offensivspiel. „Er hat immer mit Schmerzen im Fuß gespielt, so dass wir irgendwann gesagt haben: wir müssen ihn jetzt schützen und mal rausnehmen. Natürlich war die Hoffnung da, dass es nicht ganz so lange dauert“, verrät Petrowsky, der die Wichtigkeit des 20-Jährigen, der vor der Saison aus der U19 des VfL Wolfsburg an die Elbe wechselte, unterstreicht: „Tolcay hat sich trotz seiner Schmerzen immer in den Dienst der Mannschaft gestellt, was ihm hoch anzurechnen ist. Er ist ein ganz wichtiger Spieler, weil er auch mal den Unterschied ausgemacht hat.“ Mittlerweile befindet sich Cigerci zumindest wieder im Lauftraining. Wann er jedoch wieder aktiv auf den Platz zurückkehren kann, steht noch nicht fest. Immerhin gibt es die Hoffnung, dass Defensiv-Allrounder Jung bald wieder angreifen kann. „Er befindet sich bereits in der Reha. Bei ihm besteht am ehesten die Chance, dass er bald wieder dabei ist.“

„Waren häufig zu blauäugig“

Plötzlich im Konzert der ganz Großen: Ashton Götz (l.) gegen Bayerns Alaba. Foto: KBS-Picture.de

Ein zwischenzeitlicher Zwölf-Punkte-Vorsprung auf die Konkurrenz ist mittlerweile aufgebraucht – die Petrowsky-Elf ist mittlerweile „nur“ noch Tabellendritter. Mit vier Punkten Rückstand auf die U23 von Werder Bremen ist die Spitzenposition aber noch nicht gänzlich außer Reichweite gerückt. Um ganz oben allerdings noch ein Wörtchen mitsprechen zu können, müsse man „mal wieder gewinnen, um den Trend zu stoppen“. Der Grund für die Talfahrt ist vielschichtig, wie der 38-jährige Coach erzählt. Neben den Spieler-Abstellungen, Verletzungen und Sperren ist man „in einigen Spielen auch zu blauäugig gewesen“, konstatiert Petrowsky, der im Sommer 2010 seine aktive Laufbahn beim BFC Dynamo beendete, und fügt an: „Anstatt mal ein 1:0 über die Zeit zu bringen, sind wir weiter angerannt. Aber das ist ein Lernprozess, in dem wir uns befinden.“ Petrowsky gibt sich aber optimistisch, dass sein Team schnell die Kurve kriegt. „Wenn ich sehe, wie die Jungs arbeiten und in jedem Training Gas geben, dann sieht man, dass sie gewillt sind. Wir wollen den Bock wieder in unsere Richtung umstoßen!“

Erster Sieg seit Anfang November soll her

Und auch Mo Gouaida (M.) hat den Sprung geschafft. An der Seite von Nicolai Müller (l.) und Valon Behrami (r.) wirbelt der Franzose in der Bundesliga. Foto: KBS-Picture.de

Mit Götz und Marcos kehrten zuletzt zwei Akteure zurück. Auch Mende und Steinmann zählten wieder zum Stamm und wollen die U23 im Aufstiegsrennen unterstützen. Ob diese Personalien aber von Dauer sein werden, könne Petrowsky nicht sagen: „Es wird bestimmt dazu kommen, dass immer mal wieder einer runterkommt. Aber das wird sicher von Woche zu Woche variieren.“ Auch die Einsätze der Profis Maximilian Beister, der nach langer Verletzungspause behutsam aufgebaut wird, und Ivo Ilicevic, der von Zinnbauer im Winter aussortiert wurde, gegen Hoffenheim aber wieder ins erste Glied rutschte, konnten den Abwärtstrend nicht stoppen. Den Platz an der Sonne ist man zwar los, aber vielleicht gefällt sich der Rothosen-Nachwuchs in der Rolle des Jägers ja auch besser, als darin, selbst der Gejagte zu sein. Aufgegeben hat man das Titelrennen jedenfalls noch nicht. Am Samstag soll der anhaltende Abwärtstrend mit einem Dreier beim Tabellen-15., dem BSV Rehden, gestoppt werden. Es wäre der erste Sieg seit dem 7. November 2014. Damals gab es einen 2:1-Erfolg in Havelse zu bejubeln.