Nach Kreuzbandriss-Schock: Geist macht (wohl) Schluss!

"Ich habe immer gesagt: Wenn das noch einmal passiert, ist es vorbei"

16. August 2018, 11:26 Uhr

Jan Geist (Mi.) wird nach dem Zusammenprall von Kevin Höricke (li.) und Torwart-Trainer Stefan Knauß gestützt vom Platz getragen. Foto: KBS-Picture.de

„Es ist eine Katstrophe für uns, aber vor allem für ihn. Er hat noch so viel Feuer in sich und hat sich diese Oberliga-Saison mit seinem riesigen Einsatz sowas von verdient. Und dann so ein Ende. Das ist sehr traurig und so ungerecht!“ Der Schock war auch bei HEBC-Manager Stilianos Vamvakidis riesengroß, als sich die schlimmsten Befürchtungen bestätigten: Jan Geist, mit drei Toren in drei Spielen bester Schütze des Oberliga-Aufsteigers, hat sich beim 4:1-Erfolg gegen den VfL Pinneberg das Kreuzband gerissen! Nachdem der 34-Jährige sein Team noch mit 2:1 in Führung brachte, krachte er verhängnisvoll mit VfL-Keeper Maxim Ceban zusammen – und musste raus. Nun folgte nach dem MRT die bittere Gewissheit…

Mit dem Ausfall von Geist, für den es bereits der dritte (!) Kreuzbandriss ist, hat die lange Riege der Verletzten weiteren Zuwachs erhalten. Gegen Pinneberg gehörten Daniel Prange, Janosch Rinckens, Ole Natusch, Matthäus Kosik, Maximilian Priebe, Felix Hackstein, Erciyes Palo, Lasse Peters, Kevin Trapp, und Moses Magens nicht zum Aufgebot. Ilias Ide, Tjorven Köhler und Maximilian Schulz mussten angeschlagen auf der Bank Platz nehmen. Zu allem Überfluss zog sich Simon Windhoff während der Partie einen Bänderriss im Knöchel zu und fällt acht Wochen aus! Wir haben mit Offensivakteur Geist über den Verletzungs-Schock gesprochen:

In dem Moment war die Welt noch in Ordnung: Jan Geist (li.) erzielt das zwischenzeitliche 2:1. Foto: KBS-Picture.de

Fangen wir gleich mal mit einer Doppel-Frage an: Wie kam es zu der schlimmen Verletzung – und hast du in dem Moment, als es passiert ist, direkt gespürt, dass da eventuell mehr kaputt sein könnte?

Geist: „Wir hatten einen Freistoß. Der Ball ging an den Fünfmeterraum – und ich kreuze an den ersten Pfosten. Das Problem war, dass ich den Torwart nicht gesehen habe, weil er in meinem Rücken stand, und ich versucht habe, den Ball mit gestrecktem Bein ins Tor zu schießen. Der Torwart kam raus, ging voll rein und dann sind wir volles Brett kollidiert – quasi der ‚worst case‘ in so einer Situation. Ich habe gleich gemerkt, dass dort etwas passiert ist – aber ich dachte ehrlicherweise, ich hätte noch Glück gehabt. Dem ist nun leider nicht so.“


Was war deine erste Reaktion, als du erfahren hast, dass das Kreuzband wieder gerissen ist?

Geist: „Es ist einfach extrem bitter. Kaum jemand kann sich das vorstellen. Ich wurde in der Vergangenheit insgesamt schon dreimal am Knie operiert – auch noch an demselben. Ich habe aber jetzt drei Jahre lang für HEBC unverletzt gespielt, was einfach auch daran liegt, dass ich unfassbar viel investiert habe, um fit zu sein und zu bleiben. Ich bin – neben dem Training – jede Woche zusätzlich zwei-, dreimal ins Fitnessstudio gegangen. Und ich glaube auch, es wäre nicht passiert, wenn es nicht zu einem solchen Zusammenstoß gekommen wäre. Aus dem Spiel heraus wäre es, meiner Meinung nach, nicht dazu gekommen. Aber das ist eben auch das Problem: Man ist nie gefeit davor. Mir war klar, dass es irgendwann mal passieren kann. Dass das so schnell der Fall ist, ist wie ein Schlag ins Gesicht. Da muss man dann auch realistisch sein: Ich habe immer gesagt, wenn das noch einmal passiert, ist auf jeden Fall Schluss. Dementsprechend ist das jetzt leider eingetreten – wahrscheinlich in der besten Form seit Jahren.“

Die Schock-Szene: Jan Geist bleibt nach dem Zusammenprall mit VfL-Keeper Ceban verletzt liegen. Foto: KBS-Picture.de

Nun hast du gerade – nach der langen Leidensgeschichte – deinen „Dritten Frühling“ erlebt. Kann man deshalb vielleicht sogar sagen: In der besten Verfassung, seitdem du im Herrenbereich aktiv bist?

Geist: „Das würde ich nicht sagen. Ich war vor meinem ersten Kreuzbandriss schon mal so fit wie jetzt. Aber sicherlich hatte ich die beste Form seit Jahren. Es hat mich selbst schon an alte Zeiten erinnert – auch wenn man es nicht vergleichen kann, ob man mit 26 oder mit 34 spielt. Aber es hat unfassbar viel Spaß gemacht, beim HEBC zu spielen, weil wir eine geile Truppe haben. Deshalb ist es schade, weil ich glaube, dass ich viel dazu hätte beitragen können, dass wir eine gute Runde spielen. Jetzt muss man gucken, wie es weitergeht.“

Nun hast du eben schon erwähnt, dass du für dich selbst die Entscheidung getroffen hast: Sollte es noch einmal passieren, ist Schluss. Ist das unumgänglich?

Geist: „Sonntag ist es passiert, jetzt habe gerade von der Diagnose erfahren. Deshalb ist es in diesem Moment noch schwer, besonnen zu reagieren. Ich habe es nur aus Spaß gemacht. Fußball war, ist und bleibt meine absolute Leidenschaft. Ich verdiene damit kein Geld. Irgendwann muss man dann aber für sich selbst ganz realistisch sagen: Ich habe jetzt wieder eine Reha vor mir, ein Jahr Physiotherapie – denn so lange braucht man, um wieder voll fit zu sein. Allein davor graut’s mir schon. Deshalb muss man irgendwann die Notbremse ziehen. Es ist extrem unrealistisch, dass ich nochmal anfange. Das hätte ich beim letzten Mal aber auch schon gesagt.“

Der Verein wird sicherlich versuchen, dich nochmal umzustimmen…

Geist: „Ich habe so viele Freunde in diesem Verein – deshalb bin ich da ganz entspannt. Aber in dieser Saison werde ich sowieso nicht mehr helfen können. Das ist klar. Was dann in ein, zwei oder drei Jahren sein wird, da muss man dann mal gucken.“

Du hast die verhängnisvolle Szene, in der es zu dieser Verletzung kam, schon kurz geschildert. Kann man da irgendwem einen Vorwurf machen – oder war es, so blöd es auch klingt, einfach nur ein unglücklicher Umstand?


Geist: „Einen Vorwurf kann man da niemandem machen. Ich habe mich ja sogar drei-, viermal beim Torwart direkt danach entschuldigt. Ich habe sofort gemerkt, dass dort etwas passiert ist – aber ich hatte gehofft, dass es eventuell ‚nur‘ das Außenband ist. Der Torwart geht im Fünfmeterraum natürlich zum Ball. Das Problem war einfach, dass ich ihn in meinem Rücken nicht gesehen habe. Es ist leider eine von diesen ganz wenigen Szenen im Fußball, die sehr unglücklich sind. Ich habe mir immer vorgenommen, niemals in solche Bälle reinzugehen – spätestens seit dem letzten Kreuzbandriss. Das hat eigentlich auch super funktioniert. Jetzt kommt einmal dieser Ball, und ich gehe da rein. Im Nachhinein ist man halt immer schlauer. Das Thema ist jetzt durch und ich muss es akzeptieren.“

Es ist bereits dein dritter Kreuzbandriss. Da grenzt es ja schon fast an ein Wunder, dass du bisher immer wieder zurückgekommen bist.


Geist: „Ja, schon. Aber ich habe dafür auch hart gearbeitet.“

Besorgte Mienen bei seinen Mitspielern... Foto: KBS-Picture.de

Bist du denn so ein Typ, der nach der ganzen Vorgeschichte und der neuerlichen Verletzung erst einmal Abstand gewinnen will und muss – oder wirst du dich trotzdem noch regelmäßig bei der Mannschaft und vor Ort blicken lassen?

Geist: „Klar. Ich war da so tief in der Materie drin, dass alles andere das falsche Zeichen wäre. Aber natürlich brauche ich jetzt erstmal ein wenig Abstand – denn das hat schon gesessen.“

Bereits vor der Saison sind einige wichtige Leistungsträger aufgrund unterschiedlichster Umstände (vorerst) weggebrochen. Das hat sich in den ersten Spielen fortgeführt – und nun kommst du als erfahrener Spieler, der in Top-Form war, auch noch hinzu. Was traust du der Mannschaft jetzt zu – oder anders gefragt: Ist der Klassenerhalt realistisch?

Geist: „Auf jeden Fall – zu 100 Prozent! Als Außenstehender, der den Verein nicht so gut kennt, und die Aufsteiger der letzten Jahre gesehen hat, denkt der eine oder andere vielleicht: Die packen das nicht. Aber die Ergebnisse gegen Pinneberg oder Süderelbe haben gezeigt, dass ganz viel Potenzial in der Mannschaft ist. Ich habe vielleicht auch ein bisschen was dazu beigetragen – aber nichtsdestotrotz sind auch viele junge Spieler in der Mannschaft, die echt stark sind. Dazu kommen einige Erfahrene langsam zurück. Die Frage ist, ob man bis zur Winterpause genügend Punkte sammeln kann. Ich bin der Meinung, dass das in jedem Fall möglich ist. Dann kommen auch so viele gute Leute wieder, dass ich das auf jeden Fall für ein realistisches Ziel halte. Ich mache mir da keine großen Sorgen.“

Abschließend: Wie schwer würde es dir fallen, wenn du jetzt tatsächlich auf diesem Wege aufhören müsstest und diesen Zeitpunkt nicht selbst bestimmen könntest?

Geist: „Es ist einfach nur schade. Ich persönlich hätte einfach gerne der Oberliga – oder auch ganz allgemein – nochmal gezeigt, was in mir steckt, weil ich weiß, welches Potenzial ich habe. Gerade was Willen und Leistungsfähigkeit des Körpers angeht. Es ist einfach Pech. Andererseits kennen mich die Leute im Verein und wissen, was ich ihm gegeben habe. Es hat nochmal riesigen Spaß gemacht – aber jetzt muss ich es abhaken.“

Wir wünschen Jan Geist auf dem Weg der Genesung alles erdenklich Gute sowie eine schnelle und vollständige Erholung!

Autor: Dennis Kormanjos