Marschall: „Das konnte ich nicht akzeptieren!“

Ex-TuRa-Trainer äußerst sich erstmals öffentlich zu seinem Abgang

09. Dezember 2017, 16:08 Uhr

Sidnei Marschall ist „enttäuscht vom Verein“ über die Vorgehensweise der letzten Tage und Wochen. Das Kapitel TuRa Harksheide ist für den langjährigen „Spielertrainer auf dem Platz“, wie Fürstenberg ihn bezeichnete, vorbei. Foto: Mathias Merk

Am 27. November 2017 erklärte Sidnei Marschall der Mannschaft von TuRa Harksheide seinen sofortigen Rücktritt als Cheftrainer. Fast eine Woche lang hüllte sich der Klub in Schweigen, wollte sich dazu nicht äußern – bis zum vergangenen Sonntag (03.12.), als Abteilungsleiter Bernd Meier am Rande der 2:3-Pleite beim USC Paloma den Rückzug Marschalls bestätigte und ebenso verkündete, dass der Verein seinen langjährigen Kapitän umstimmen und zum Bleiben bewegen wolle. Ein für Montag (04.12.) anberaumtes gemeinsames Treffen wurde auf Dienstag verschoben. Dort fiel dann die endgültige Entscheidung: Marschall kehrt nich zurück – stattdessen kehrt mit Jörg Schwarzer der Amtsvorgänger von Marschall-Vorgänger Marcus Fürstenberg an den Exerzierplatz zurück.

Erst am Freitag ließ der Hammonia-Landesligist in einer Pressemitteilung (HIER) verlautbaren: „Wir bedauern es sehr, dass wir keinen Weg für eine gemeinsame Zukunft finden konnten. TuRa hätte es gerne gesehen, wenn Sidnei Marschall zusammen mit Jörg Schwarzer das Trainerteam gebildet hätte.“ Und weiter: „Zu allen internen Dingen im Zusammenhang mit der Trainerfrage, die in den letzten Tagen nicht nur uns beschäftigt hat, werden wir öffentlich keinerlei weitere Stellung beziehen.“ Von besinnlicher Ruhe in der Vorweihnachtszeit kann bei Harksheide aber keine Rede sein. Denn Marschall, der für TuRa fünf Jahre lang als Aktiver und Kapitän seine Knochen hinhielt und zudem sein Herz auf der Zunge trägt, ist die Darstellung des Klubs so nicht akzeptabel. „Ich bin traurig und sehr enttäuscht“, lässt er uns auf Nachfrage wissen. Vor dem Zusammentreffen habe er durch die Öffentlichkeit „ja schon sehr viel gehört“, wie er sagt, und meint damit vor allem die Aussagen von Bernd Meier (HIER das Interview) nach dem Paloma-Spiel: „Dieses Gefühl, was sie mir in den letzten zwei, drei Tagen vor dem Gespräch gegeben haben, haben sie mir in den zwei, drei Monaten davor nicht gegeben. Von daher bin ich eigentlich optimistisch in dieses Treffen gegangen.“

„Ich fand es damals schon sehr ungünstig, einen Externen ranzuholen“

Lange Zeit der Taktgeber und Leader auf dem Platz - nun hat Marschall mit TuRa abgeschlossen. Foto: KBS-Picture

Doch Marschall merkte schnell, dass es keinen gemeinsamen Nenner für eine weitere Zusammenarbeit geben würde. „Mein erster Gedanke war: das kann und werde ich so nicht akzeptieren!“ Grund: der 37-Jährige sollte mit Jörg Schwarzer ein Trainerduo bilden. Ein Gespann, das nach außen hin als gleichberechtigt verkauft werden sollte. Doch intern wäre Schwarzer derjenige gewesen, der das letzte Wort gehabt hätte. Sprich: Marschall wäre damit wieder zur zweiten Geige „degradiert“ worden. Besonders pikant an der Sache: mit Schwarzer hätten die Verantwortlichen schon Wochen zuvor Kontakt aufgenommen, obwohl „sie stets betont haben, sich mit mir nach dem Paloma-Spiel über eine Fortsetzung meiner Trainertätigkeit unterhalten zu wollen.“ Und dabei ging es offenkundig nicht nur um das Spiel am 20. Oktober gegen den HTB, als Marschall im Urlaub weilte und von Schwarzer vertreten wurde. „Ich fand es damals schon sehr ungünstig, für ein Spiel einen Externen ranzuholen. Das hat für mich keinerlei Sinn gemacht. Aber Bernd Meier wollte das unbedingt. Ich hätte es bevorzugt, wenn wir es intern gelöst hätten.“ Die Möglichkeit wäre mit Kolja Hack (Jugend-Koordinator), der den langjährigen „Leitwolf“ gegen Paloma interimsweise ersetzte, jedenfalls vorhanden gewesen.

„Ich weiß nicht, was ich in sieben Jahren bewegt hätte...“

Zu jener Zeit habe Schwarzer ihm gegenüber versichert, überhaupt keine Ambitionen auf den Cheftrainerposten zu hegen. „Das stimmt, das war so“, bestätigt uns Marschall. „Umso überraschter, erstaunter und enttäuschter war ich, als er dann das Angebot angenommen hat.“ Allerdings sagt er auch: „Ich habe nichts gegen ihn, kenne ihn nicht und habe nicht mal seine Nummer.“ Fast zwei Wochen lang hat Marschall in der Öffentlichkeit „die Füße stillgehalten“, auch aus Schutz vor dem Verein. „Als ich damals hierherkam, kannte TuRa keiner! Ich hätte auch woanders hingehen und deutlich mehr Geld verdienen können. Aber ich glaube, im Nachhinein sagen zu können, dass ‚Fürste’ (Ex-Trainer Marcus Fürstenberg; Anm. d. Red.) als Trainer und ich als Spieler und Kapitän viel bewegt haben, dass der Verein jetzt da steht, wo er steht. So viele Jahre ging es gut, aber irgendwann ist die Dankbarkeit Geschichte.“ Auch in Anlehnung an Schwarzers siebenjährige Amtszeit vor der Fürstenberg-Ära meint Marschall: „Ich weiß nicht, was ich in sieben Jahren bewegt hätte. Aber ich hätte zumindest gerne die Möglichkeit gehabt, eine komplette Vorbereitung und eine ganze Saison bestreiten zu können. Dann hätte man sich immer noch zusammensetzen und klipp und klar analysieren können, ob’s gut läuft – oder eben nicht. Und ich bin mir zu 99,9 Prozent sicher, dass mindestens 95 bis 98 Prozent der Spieler geblieben wären – und dass wir mit zwei, drei Verstärkungen eine richtig gute Rolle hätten spielen können.“ Denn: nach unseren Informationen stand die Mannschaft geschlossen hinter dem Trainer. 

„Ich will keine Sekunde mehr darüber nachdenken“

Doch Marschall gibt sich auch selbstkritisch: „Die Punkte, die wir geholt haben, sind definitiv zu wenig. Gar keine Frage.“ Aber auch dafür gebe es Gründe, wie zum Beispiel die vielen Verletzten, die nun langsam wieder an Bord sind. „Natürlich muss auch ich noch viel lernen. Aber ich hätte mir das ohne jede Frage zugetraut!“ Zumal der Brasilianer im Falle eines Verbleibs einen ganzen Stab mit „Co-, Torwart- und Fitnesstrainer mitgebracht“ hätte. Doch dazu kommt es bekanntlich nicht. „Es zeigt mir ganz einfach, dass meine Entscheidung die richtige war. Und auch die genannten Gründe waren nicht ‚verkehrt‘, sondern genau richtig. Ich kenne die Wahrheit…“ Aktuell fühle er sich „ein bisschen leer“ und will erstmal zur Ruhe kommen. „Das Thema ist für mich damit komplett abgehakt. Ich will keine Energie mehr verschwenden und auch keine Sekunde mehr darüber nachdenken.“ Ein trauriges Ende nach so langer Vereinsverbundenheit...

Autor: Dennis Kormanjos