Jannick sorgt für Jubel: Wenn ein „halber“ Stürmer aufs Ganze geht

Martens trifft bei Condors 3:2-Erfolg gegen Billstedt dreifach

18. November 2017, 00:23 Uhr

Jannick Martens sorgte mit drei Treffern dafür, dass Condor einen wichtigen Sieg einfuhr und erstmal durchpusten kann. Foto: KBS-Picture

Starke 15 Minuten vor und jede Menge Präsenz nach dem Seitenwechsel attestierte Trainer Aydin Taneli seinen Kickern vom SC V/W Billstedt nach dem Auswärtsspiel beim SC Condor. Für die warmen Worte aber konnten sich weder die Spieler der Gäste noch ihr Coach selbst etwas kaufen. Denn: Am Ende hatten vor der spärlichen Kulisse von noch nicht einmal 100 Zuschauern die Hausherren beim 3:2-Sieg das bessere Ende für sich. Allen voran, weil auf Seiten der „Raubvögel“ ein Mann in Sachen Toreschießen sozusagen richtig fette Beute machte – und das, obwohl er zuletzt gar nicht so regelmäßig bei den Einheiten unter der Woche zugegen war... 

Einen Moment lang schien es so, als wolle der „Mann des Spiels“ gar nicht vom Feld, sondern als hätte so viel Spaß an seiner Aufgabe, dass er noch ein bisschen auf dem Kunstrasen am Berner Heerweg verweilen wollte. Als SCC-Coach Christian Woike jedenfalls zwei Minuten vor dem Ende der Begegnung Ibrahim Özalp anstelle von Jannick Martens aufs Feld schicken wollte, musste „Crille“ den Letztgenannten gleich zwei Mal rufen, ehe Martens dann doch reagierte, in Richtung Außenlinie gelaufen kam, mit seinem Teamollegen und Woike abklatschte, um dann schließlich Condors Co-Trainer Olufemi Smith in die Arme zu fallen. „Du bist eben doch ein halber Stürmer“, sagte „Femi“ zu Martens, der in dieser Saison oftmals nicht im Zentrum, sondern auf der Außenbahn aufgelaufen war und, so ehrlich muss man sein, hier und da die eine oder andere Torchance trotz bemerkenswerter Bilanz vielleicht doch etwas zu leichtfertig hatte liegen lassen. Vorangegangen aber, das konstatierte Woike schon vor geraumer Zeit, war Martens in einer für die „Raubvögel“ schwierigen Phase immer. Das tat der 26-Jährige auch diesmal. Und zwar besonders nachhaltig.

Taneli: „Du kannst dich in der Oberliga nicht so lange im taktischen Bereich chaotisch präsentieren“

Billstedts Coach Aydin Taneli war mit dem Auftritt seiner Elf in der Anfangsphase nicht zufrieden. Archivfoto: noveski.com

Denn als Woike Martens 120 Sekunden vor dem Ende der Partie vom Platz beorderte, da hatte der Blondschopf bereits drei Mal getroffen und war im Duell des 14. der Tabelle gegen den 16. zu so etwas wie die lebendige Lebensversicherung für die Hausherren geworden. „Wenn man die Tore schießt, fällt man natürlich immer auf“, wehrte Woike erst noch ab, um dann aber klar festzuhalten: „Jannick hat das Spiel mit seiner Qualität entscheiden.“ So war es tatsächlich. Die beiden ersten Gelegenheiten für Condor besaß André Kossowski, der nach einer Flanke von Özgür Bulut zunächst den Ball nicht unter Kontrolle bringen konnte (9.) und dann eine Hereingabe von Michel Blunck verfehlte (15.). Billstedt hatte den Ansatz einer Chance, als Sandjar Ahmadis Freistoß an Freund und feind vorbei segelte, einmal aufsprang, dann aber doch neben das Tor ging (18.). So „klingelte“ es erst nach 28 Minuten – und zwar im Tor der Gäste: Cassian Klammer setzte Martens schön in Szene, der wiederum V/W-Keeper Tim Wiegand mit einem Schuss ins lange Ecke bezwang. Der Torschütze sollte vorm Pausentee noch zwei Mal im Mittelpunkt stehen: Erst scheiterte er – abermals von Klammer bedient – an Wiegand (31.), dann traf er nach Buluts Pass den Pfosten (45.+1). Billstedt kam zwar nach und nach besser ins Match, doch Oliver Kunkels Schuss, der links vorbei ging, blieb die einzige echt nennenswerte Chance (44.)

Doch siehe da: Auch nach dem Seitenwechsel blieb der Gast am Drücker. „Anfangs war die Haltung in der ersten Halbzeit nicht so, wie ich das erwartet habe. Da habe ich Parallelen zu unserer Niederlage in Pinneberg gesehen. In der letzten Viertelstunde der ersten und in der zweiten Hälfte sind wir gut aus dieser Phase herausgekommen“, befand auch V/W-Coach Aydin Taneli. „Eine solche Phase wie zu Beginn darf uns aber nicht passieren. Du kannst dich in der Oberliga nicht so lange im taktischen Bereich chaotisch präsentieren. Da tut es weh, wenn du nicht präsent bist und in den Räumen nicht zur Doppelung kommst. In der zweiten Halbzeit hatten wir dann die Präsenz, die wir wollten und waren fußballerisch über weite Strecken besser. Condor hat sich hinten reingestellt und uns mit Kontern gut ausgespielt. Wir haben unsere Chancen einfach nicht clever genutzt. Die Möglichkeit, unentschieden zu spielen, war da. Das ist uns nicht gelungen“, ergänzte „Tanne“, und kündigte an: „Wir werden weiter arbeiten und aus unseren Fehlern lernen. Die Diskussionen im positiven Sinne laufen: Wie müssen sich einzelne Spieler stellen, wie agieren wir noch cleverer? Die Jungs müssen sich untereinander auf dem Feld noch mehr lenken, weil ich ja nicht spiele. Es ist der richtige Schritt in die richtige Richtung, aber wir müssen auch aufpassen, dass wir nicht zu viele Spiele wie heute in der ersten Halbzeit haben. Das geht in der Oberliga nicht gut.“

Woike: „ Wir haben im Kollektiv eine große Bereitschaft gezeigt – das hat mir gefallen“

Condors Cassian Klammer zeigte eine starke Leistung. Foto: KBS-Picture

Nicht gut ging auch der erste Angriff der Kicker vom Öjendorfer Weg nach Wiederbeginn: Evailton Fernandes vergab (46.). Auf der anderen Seite flankte Kossowski von rechts zwar in den Rücken der Abwehr, aber auch in den Rücken von Mitspieler Bulut, so dass die Szene aus der 51. Minute nichts einbrachte. Gleiches galt auch für Martens' nächsten Versuch nach einem Klammer-Zuspiel (55.) und einen Kopfball von Billstedts Volkan Al nach einer Ecke von Kevin Hoffmann (58.). Drei Minuten später bediente dann der gerade frisch ins Spiel gekommene Gökhan Iscan Martens. Der wiederum schob die Kugel durch die Beine von V/W-„Goalie“ Wiegand – 2:0. Doch das Taneli-Team steckte nicht auf, schlug stattdessen selbst zurück: Freistoß Hamid Zazai, im Sechzehner verpasste erst Tino Oschetzki, doch Adam Hamdan stand richtig und netzte zum 1:2- Anschlusstreffer ein (64.). Martens (69.) und Bulut (72.) verpassten anschließend für Condor, ehe Martens dennoch sein dritter Treffer gelang (73.), als er Iscans Vorlage nutzte. In der Folgezeit musste „Raubvogel“ Mike Theis nach Fernandes' Schuss auf der Linie klären (75.), dann vergab Coskun für Condor (90.+3) und schließlich zeigte der gute Referee Murat Yilmaz nach einem Foul von SCC-Keeper Sascha Kleinschmidt an Kunkel auf den Elfmeterpunkt. Kunkel trat selbst an und traf zum 2:3. (90.+4).

„Das war ein Spiel, das dem Tabellenstand entspricht“, begann Condor-Coach Christian Woike seine Analyse im Anschluss an die Begegnung, „wir sind aktuell nicht in der Lage, einen Gegner und das Spiel zu beherrschen, von daher ist es zweitrangig, wie das Ergebnis zustande kommt. Es war wichtig, überhaupt ein gutes Ergebnis zu erzielen. Die Verunsicherung bei uns ist riesengroß, die Situation ist ungewohnt für uns. Wir sind nicht zufrieden und wir mussten sehr viele Nackenschläge sowohl personeller Natur als auch in den Spielen wegstecken. Das war nicht immer ganz einfach.“ Gegen V/W habe sein Team, so Woike weiter, „zum ersten Mal die Situation richtig angenommen. Wir haben im Kollektiv eine große Bereitschaft gezeigt. Das hat mir gefallen. Wir wollten einfach ein Resultat holen und das haben wir verdient geholt.“ Wben auch dank Jannick Martens. „Wir brauchen jemanden, der in letzter Konsequenz die Bälle über die Linie drückt. Das macht er in beeindruckender Art und Weise, zumal er in letzter Zeit nicht viel trainiert hat“, konstatierte Woike. Das Schlusswort gebührt V/W-Manager Wolfgang „Karotte“ Krause, der zum einen die Rückkehr von Mou-Inzou Bachir (FC Türkiye) an den Öjendorfer Weg als perfekt vermeldete, und zum anderen Referee Yilmaz lobte: „Ich habe lange nicht mehr solch eine überragende Leistung eines Schiedsrichters gesehen. Hut ab!“

Jan Knötzsch    

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