House of Cards: Melzers FC Elmshorn

16. April 2015, 04:19 Uhr

In guten alten Zeiten: Melzer war das Lächeln ins Gesicht geschrieben. Foto: KBS-Picture.de

T.S. Eliot und Ezra Pound waren unterschiedlicher Meinung darüber, wie die Welt einst enden würde. „Nicht mit einem Knall: mit Gewimmer“ schrieb Eliot; und Pound widersprach. Die Welt des FC Elmshorn endete mit beidem. Erst schlug die Nachricht von der Abmeldung der Ligamannschaft ein wie eine Bombe, nun folgte auf der Vereinsseite die klammheimliche Bekanntgabe, die Ära Helge Melzer sei mit einem einfachen Satz zu Ende gegangen: „Helge ist am Montag als Beisitzer zurückgetreten“, hatte FCE-Präsident Michael Homburg auf der Jahreshauptversammlung verkündet.

Melzer steht stellvertretend für den Elmshorner Ikarus-Flug, der sie 2013 an die Pforten der Regionalliga führte, ehe er im Absturz endete.

Mit dem Einstieg Melzers ging es beim FCE einst steil bergauf. Einem dritten Platz folgten zwei Meisterschaften. Dem von Melzer zur Oberliga-Saison installierten Ex-St.-Paulianer Achim Hollerieth gelang direkt das Meisterstück. Ein Märchen wie das der Cinderella, dachten viele nach Bekanntgabe der Meldung für die Regionalliga wohl. Doch Hollerieth und der FCE lebten nicht „glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende“; bereits ein Jahr später entpuppte sich die Geschichte als Horrormärchen. Sechs Übungsleiter kamen und gingen seit der Trennung vom Meistertrainer. Vergebens, denn auf die sportlichen Talfahrt folgte schließlich ein Ende mit Schrecken: Die Abmeldung der Oberliga-Mannschaft. Ein Novum in Hamburg, das den Amateursport zutiefst traf, weil es die Seriosität der gesamten Spielklasse infrage stellte.

Meistermacher Melzer

Melzer (r.) und Meistercoach Hollerieth. Foto: KBS-Picture.de

Doch zurück zum glamourösen Beginn. Für den kometenhaften Aufstieg des FCE zeichnete nur ein Mann verantwortlich, darin sind sich alle einig. „Helge Melzer war Präsident, Macher und Sponsor, dazu hatte er eine Menge Beziehungen und hat so entscheidende Spieler geholt. Über so einen Menschen konnte sich ganz Elmshorn nur freuen“, schwärmt Trainer-Ikone Eugen Igel noch heute vom ehemaligen Weggefährten. Ähnlich urteilt der neue Vizepräsident Rainer Klaar: „Er hat bei Weitem nicht alles richtig gemacht und einige Versprechungen nicht eingehalten. Aber er hat den Verein auch angeschoben, einen super Kader zusammengestellt und mit Hollerieth einen tollen Trainer geholt. Spieler wie Lüneburg, Kaetow, Jeske oder Scheidt haben sich erst in Elmshorn zu absoluten Größen entwickelt.“ Doch wie konnte dieses von Melzer errichtete Gebäude in nur eineinhalb Jahren wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen?

„Meiner Meinung nach kamen die Regionalliga-Ambitionen schlichtweg ein, zwei Jahre zu früh“, versucht sich Klaar an einer Erklärung: „Man hat sich von außen unter Druck setzen lassen – zudem war die Erwartungshaltung im Umfeld riesig. Man hat sich zu sehr auf den Pokalsieg verlassen.“ Die Bekanntgabe von der Regionalliga-Meldung versinnbildlicht die übergroßen Ambitionen des Vereins. Unter großem Bohei hatte man seinerzeit die Presse versammelt, um ihr bei Sushi-Häppchen den Plan vom Elmshorner Einstieg ins große Fußballgeschäft zu servieren. Doch die hochtrabenden Ziele wurden zum Bumerang. Rund um das Pokalfinale wurde bekannt, dass man die Meldung zurückziehen müsse. Auch für Igel ein Knackpunkt: „Es gab Probleme mit der Stadt und den Finanzen. Als man deshalb abmelden musste, spürte man, dass es nicht mehr weiter nach oben gehen würde. So kam eine schlechte Stimmung auf. Die knappe Niederlage im Pokalfinale (1:2 n.V. vs. SC Victoria, Anm. d. Red.) war nur die erste Folge. Danach ging es wie ein Reißverschluss ineinander über und hat dazu geführt, dass die Mannschaft und die Crew wussten: Die glorreiche Zeit ist zu Ende.“

Hohe finanzielle Altlasten

Wohl kaum der einzige Grund für die Massenflucht der Spieler, denn neben der fehlenden Perspektive trieben auch finanzielle Engpässe die Meistermannschaft auseinander. Die Probleme mit dem Finanzamt, das im Oktober 2012 eine Steuerfahndung durchführte, waren in aller Munde. Alle Aussagen blieben jedoch Mutmaßungen, auch heute noch will niemand konkrete Zahlen oder Schuldige nennen. Klaar spricht von den Folgen des Meisterjahres, dessen „finanzielle Reste“ man nun abarbeiten müsse. Weitere Einzelheiten kann man der Vereinsseite entnehmen: Nachzahlungen von 9000 Euro Umsatzsteuer sowie 8000 Euro Gewerbe- und Körperschaftssteuer sind fällig. Weitere Nachzahlungen für das Jahr 2014 können erwartet werden. Rückstellungen waren dafür nicht gebildet. „Unterm Strich sollte man wissen, dass Steuerbelastungen auf einen zukommen“, waren die einzigen kritischen Worte Homburgs in Richtung Vorgänger.

Der Nachruf auf den Meistermacher von 2013 wird somit zur milden Abrechnung ob der finanziellen Grube, in die er den Verein hinein schaufelte. Aus dieser soll ein ruhiger und wenig glamouröser Weg wieder hinaus führen. Das zeigte die JHV; neben dem Sushi fehlte auch der Protagonist der letzte Jahre, wie Klaar berichtet: „Bei der Versammlung war Helge nicht anwesend. Er hat es bevorzugt, Michael Homburg am Montag telefonisch darüber in Kenntnis zu setzen, dass er aufhört. Man hätte das Ganze sicher auch eleganter lösen können.“ Ein Vorwurf, den sich aber der Rest des Vorstandes, der auf Melzers Rücktritt als Vereinspräsident zu 2014 vorbereitet war, genauso gefallen lassen muss. Denn vieles, was nach der Meisterschaft in Elmshorn geschah, hätte sicher auch eleganter gelöst werden können.

Text: Christoph Holzenkamp