Landesliga Hammonia

Gümüs: „Nicht so leicht als ‚Alleinunterhalter‘ – ich bin an meine Grenzen gekommen“

18. November 2020, 10:27 Uhr

Koray Gümüs spricht im Interview über den plötzlichen Hatje-Abgang, seine neue Funktion und den Druck. Foto: Heiden

Lange hat er sich öffentlich bedeckt gehalten und zum überraschenden Abgang vom gerade erst installierten Cheftrainer Simon Hatje zwei Tage vor dem ersten Saisonspiel geschwiegen. Doch nun hat Koray Gümüs, Interimstrainer und Liga-Manager des Eimsbütteler TV, erstmals zum plötzlichen Trainer-Rücktritt Stellung bezogen. Zudem hat er mit uns ganz offen über seine neue Rolle, mögliche Nachfolger-Kandidaten und den auch öffentlichen Druck gesprochen...

FussiFreunde: Für viele Außenstehende kam der Trainerwechsel unmittelbar vor Saisonstart etwas überraschend – zumal Simon Hatje gerade erst das Amt angetreten hatte. Wie blickst du auf dessen Entscheidung und die Situation ganz generell zurück?

Den unbedingten Willen, Spiele gewinnen zu wollen, will Gümüs seiner Mannschaft mit auf den Weg geben und einimpfen. Foto: Heiden

Koray Gümüs: „Natürlich war ich anfangs sehr entsetzt. Mir war von vornherein klar, dass zwei Welten aufeinander prallen – aber dass es vor dem ersten Pflichtspiel zu solch einer Entscheidung kommt, das hat selbst mich vom Hocker gehauen. Es hat auch lange gebraucht, um das zu verdauen. Das Schwierige war einfach, dass das zwei Tage vor dem ersten Punktspiel war – ganz unabhängig davon, wie sich das entwickelt hat oder hätte. Das war vom Zeitmanagement sehr unglücklich. Aber Simon hat die Entscheidung für sich getroffen und wir haben es zu respektieren – ganz egal, ob es aus unserer Sicht falsch oder richtig war.“

Warum hat es aus deiner Sicht einfach nicht „gepasst“?

Gümüs: „Aus meiner Sicht hat es ja gepasst. Wir haben eine junge Mannschaft, die sollte von einem jungen, exzellenten Trainer geführt und weiterentwickelt werden. Ich glaube, am Ende hat es zwischen der Mannschaft und dem Trainer von der Empathie her einfach nicht gepasst. Die Jungs haben sich mehr Betreuung, mehr Gespräche gewünscht. Simon war beruflich aber so sehr eingebunden, dass er dem, was sich die Mannschaft gewünscht hat, nicht dementsprechend nachgehen konnte.“

Du hast in deiner Funktion als Liga-Manager die Nachfolge angetreten und nun eine Doppelfunktion inne. Wie nimmst du deine neue Rolle als „Alleinunterhalter“ wahr?

Ob Gümüs auch künftig in Doppelfunktion tätig sein wird, steht noch in den Sternen. Foto: Heiden

Gümüs: „Als Alleinunterhalter ist es nicht so einfach. Aber ich habe ein richtig gutes Funktionsteam, was in der Phase extrem wichtig war, dass wir einander unterstützen und das Ganze gemeinsam so gut es geht über die Bühne bringen. Durch die Corona-Maßnahmen sind nun noch mehr helfende Hände von Nöten. Und da muss ich wirklich sagen, dass jeder im Verein seine Aufgaben hat, richtig gut mithilft und unterstützt. Aber es stimmt, ich bin auch an meine Grenzen gekommen. Es waren viele Dinge auf einmal und gleichzeitig, die man in die richtige Bahn lenken musste. Das ist nicht so einfach. Aber es macht trotzdem Spaß. Und wenn ich etwas mache, dann versuche ich immer, es bestmöglich zu tun. Es ist zwar mehr mit mehr Stress verbunden – aber das ‚englische Modell‘ als Trainer und Manager kann funktionieren.“

Sportlich lief es unter deiner Regie ja relativ erfolgreich. Welchen Input kannst du der Mannschaft als Trainer geben?

Gümüs: „Ich glaube, ‚relativ‘ ist in dem Aspekt sogar noch das falsche Wort. Es lief richtig gut. Wobei man auch sagen muss, dass wir – mit Ausnahme von Eintracht Lokstedt – Gegner hatten, die man schlagen muss. Gegen Nienstedten haben wir es über unsere Willensstärke entschieden, auch wenn das Spiel an sich nicht wirklich gut war. Gegen Lokstedt kommt nahezu ein Handball-Ergebnis zustande – wobei ich da sage, dass wir am Ende verdient gewonnen haben. Und gegen Inter Eidelstedt haben wir eine richtig gute Leistung gezeigt. Was ich den Jungs als Trainer mitgeben kann, ist einfach die Tatsache, dass ich den unbedingten Willen habe, Spiele zu gewinnen – und dafür tue ich dann auch alles. Deshalb sage ich meinen Jungs immer wieder: ‚Alles, was außerhalb der weißen Linie passiert, ist meine Showbühne – und alles, was innerhalb der weißen Linie geschieht, ist eure Showbühne.‘ Und ich brenne außerhalb so richtig, weil ich jedes Spiel gewinnen will – ganz egal, gegen wen. Was noch hinzu kommt: Wenn ein Trainer die komplette Vorbereitung macht und dann plötzlich vor dem ersten Spiel weg ist, dann musst du die Fähigkeit haben, die Jungs auffangen zu können. Ich glaube, das ist ganz gut gelungen. Und man muss auch sagen, dass ich das ja selbst jahrelang gemacht habe als Trainer – und das schon in jungen Jahren.“

Inwieweit hast du denn jetzt wieder Spaß an der für dich zwar neuen, aber durchaus schon bekannten Funktion?

Die Entscheidung, Simon Hatje (re.) zum Cheftrainer zu machen, sei "nach wie vor nicht verkehrt gewesen - es hat nur nicht sein sollen", so Gümüs. Foto: Verein

Gümüs: „Es ist eine durchaus coole Aufgabe, mit jungen Leute zu haben. Zu gewinnen – und dabei auch noch gut zu spielen, das ist dann der nächste Schritt. Ich sage den Jungs immer wieder: ‚Ihr seid die beste Mannschaft der Liga. Es liegt an euch, das auch auf die Platte zu bringen.‘ Und genau das ist die Herausforderung. Aber aktuell fahren wir gut damit.“

Nun hieß es bei der Verkündung ja, dass du das Traineramt nur interimsmäßig bekleiden wirst. Was genau bedeutet das, wie sieht der Zeitplan aus und was muss der neue Cheftrainer des ETV haben?

Gümüs: „Es war geplant, dass ich es interimsmäßig mache, bis wir eine gute Nachfolgelösung gefunden haben. Meine zwei absoluten Wunschkandidaten, die mir direkt durch den Kopf geschossen sind, sind aktuell in der Oberliga fest etabliert und stehen leider nicht zur Verfügung. Wir sind auf der Suche, gucken uns um und werden uns in dem Bereich auch die Zeit nehmen, da uns die Corona-Phase das auch ermöglicht. Dann müssen wir im Vorstand eine Entscheidung treffen, was wir wollen. Es steht auch in den Sternen, ob ich es interimsweise mache oder nicht. Wenn man mich fragt, ob ich es machen will, würde ich heute eher ‚Nein‘ sagen. Aber wer weiß schon, was der nächste Morgen bringt? Es macht brutal viel Spaß. Aber für mich ist es wichtig, dass wir jemanden finden, der die Mannschaft wie Dennis Mitteregger führt und weiterentwickelt.“

Wann soll ein Nachfolger fest- und bereitstehen?

Er sei in den vergangenen Wochen an seine Grenzen gekommen, gesteht Gümüs im Interview. Foto: Heiden

Gümüs: „Hoffentlich bis zum nächsten Spiel (lacht). Die Pandemie gibt uns die Zeit. Welches Modell wir im Endeffekt bevorzugen, ob wir das englische Modell nehmen oder einen reinen Cheftrainer favorisieren, steht dabei noch ein bisschen in den Sternen. Aber: Es wird auf jeden Fall bis zum nächsten Spiel eine Entscheidung geben.“

Nun ist Simon Hatje bereits der fünfte Trainer unter deiner Regie gewesen. Wie groß siehst du selbst den Druck, dass der „nächste Schuss“ sitzen muss?

Gümüs: „Ja, wobei Uli Brüning, Dennis Mitteregger und Simon Hatje von sich aus die Entscheidung getroffen und aufgehört haben. Mit Ingo Glashoff und Thorsten Beyer haben wir nicht verlängert oder sind ab einem gewissen Level nicht mehr auf den gleichen Nenner gekommen. Ich habe gedacht, dass wir mit Dennis Mitteregger den richtigen und perfekten Trainer gefunden haben. Aber manchmal passieren Sachen im Leben, die andere Pläne über den Haufen werfen. Ob der nächste ‚Schuss‘ sitzen muss, weiß ich nicht. Ich sage auch nach wie vor, dass die Entscheidung mit Simon nicht verkehrt war, es hat zu dem Zeitpunkt nur einfach nicht sein sollen. Nun ist es so, wie es ist. Ich bin inzwischen schon seit sieben Jahren hier. Und es stimmt schon, dass wir auf der Position ein bisschen ‚wählerisch‘ sind, weil wir einfach eine Mannschaft haben, die sehr viel von einem Trainer erwartet. Viele Jungs kommen nun mal aus der eigenen Jugend und haben von dem Besten in diesem Bereich (Loïc Favé, Anm. d. Red.) gelernt. Das macht es nicht ganz so einfach. Dennoch habe ich mich immer wieder getraut, auch Leute zu holen, die nicht jeder auf dem Zettel hatte. Aber natürlich wäre es schön und auch ein Wunsch von mir, einen Trainer zu finden und zu haben, der länger als zwei Jahre hier ist.“