Göttling: „Es war einzig und allein meine Entscheidung!“

Ex-Vicky-Coach im riesengroßen Zweiteiler-Interview

07. Januar 2016, 22:24 Uhr

Offen und ehrlich blickt Lutz Göttling auf seine Zeit beim SC Victoria zurück. Foto: KBS-Picture.de

Kurz vorm Feste nur das Beste. Oder etwa doch nicht? Der SC Victoria überraschte in jedem Fall kurz vor Weihnachten mit der Meldung, dass Lutz Göttling sein Traineramt per sofort niedergelegt hat und durch Jasko Bajramovic ersetzt wird. Es blieben viele offene Fragen, die wir dem langjährigen Übungsleiter an der Luft nun gestellt haben. Und dieser antwortet unheimlich offen, erklärt uns den Ablauf des Prozesses, seine Entscheidung, spricht über den Nachfolger und Enttäuschungen während seiner Zeit beim SCV. Teil eins des großen Interviews mit Lutz Göttling!

FussiFreunde: Für viele Beobachter kam der Entschluss, im Winter aufzuhören, sicher ein wenig überraschend. Magst Du uns verraten, weshalb Du diesen Zeitpunkt ausgewählt hast?

Göttling: „Ich find`s ja schon mal gut, dass es – entgegen vieler anderer Meinungen –, heißt, dass ich die Entscheidung getroffen habe. Fakt ist, dass eindeutig ich dieses Aufhören an Helmuth Korte herangetragen habe. Ganz klar! Ich muss jetzt aufpassen, dass ich nicht zu viele Details ausplappere, weil es sonst einen negativen Touch bekommen könnte. Ich habe Helmuth Korte vor dieser Saison mitgeteilt, dass es mit allergrößter Wahrscheinlichkeit mein letztes Jahr sein wird. Dann kam die Frage auf, wer meiner Meinung nach als Nachfolger geeignet wäre und in Frage kommen würde. Ich habe vom ersten Tag an Jasko Bajramovic, der ja auch mein Spieler und Kapitän war, ins Gespräch gebracht und habe Ronald Lotz, als er noch Manager war, darum gebeten, Kontakt zu Jasko aufzunehmen. Das hat er dann auch gemacht und konnte Jasko glücklicherweise für den SC Victoria gewinnen. Für mich war eigentlich ab diesem Moment klar – vorausgesetzt, dass alles klappt –, dass das mit großer Wahrscheinlichkeit mal mein Nachfolger werden könnte – dieses Gefühl hatte ich, da ich ihn ja auch als Mensch kannte. Er ist intelligent, Sportlehrer, eine langjährige Vicky-Ikone, hat viele Titel gewonnen, die Trainer-B-Lizenz und war mir gegenüber immer loyal. Das habe ich auch dem Verein gegenüber, innerhalb eines Sechs-Augen-Gespräches mit Ronald Lotz, Helmuth Korte und meiner Person, so geäußert. Das fanden auch alle gut. Also habe ich Jasko sehr intensiv in die Arbeit einbezogen – ihn Trainingseinheiten leiten lassen und viele Dinge mehr, was er auch immer absolut top umgesetzt hat. Für mich stand zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest, dass am Jahresende definitiv Schluss ist.“

FussiFreunde: Und wann kam dieser Moment?

Göttling: „Es kam zu dem Tag, als Helmuth Korte das Gespräch mit Jasko gesucht hat – ich musste zuvor einige Termine aufgrund meiner Firmensituation absagen – und er ihm erzählte, dass ich mich für ihn als meinen Nachfolger stark mache und ob er sich vorstellen könne, nächstes Jahr Trainer zu werden. Das war im November. Jasko hat mich auch darüber in Kenntnis gesetzt, wir haben darüber ganz offen gesprochen und er hat auch immer gesagt, dass er zunächst das Gespräch zwischen dem Verein und mir abwarten wolle. Das hat dann auch stattgefunden und Helmuth hat die Variante mit Jasko favorisiert – wobei ich ihm auch gesagt habe, dass ich mir noch gar nicht zu 100 Prozent schlüssig darüber bin, ob ich weitermache oder nicht.“

FussiFreunde: Wie ging es dann weiter?

Vickys Erster Vorsitzender Helmuth Korte. Foto: KBS-Picture.de

Göttling: „Daraufhin sagte er mir, dass er das so zur Kenntnis nehme – aber dass er es in Zukunft gerne mit Jasko machen würde, weil er es ihm schon zugesagt habe. Dem habe ich entgegnet, dass alles in Ordnung, alles gut sei und wir das dann so machen. Diese Gespräche haben ausschließlich zwischen Helmuth Korte, Jasko und mir stattgefunden – Sven Piel war darin nicht involviert. Ich habe Jasko dann gesagt, dass ich mein Einverständnis dafür gegeben habe, weil ich dem Verein vor der Saison auch schon mitgeteilt habe, dass es meine letzte Saison werden könnte. Und noch ein Jahr als Co-Trainer wäre meiner Meinung nach auch nicht gut für ihn gewesen. Helmuth hat mir noch eine Tätigkeit im Verein, um die Liga-Mannschaft herum, angeboten. Das habe ich mir zwei, drei Wochen lang durch den Kopf gehen lassen und dann abgesagt. Denn ich habe bereits bei unserem Treffen klipp und klar gesagt: In dem Moment, wo du vor die Mannschaft trittst – und sie muss irgendwann wissen, wer der Trainer wird, weil Verträge auslaufen etc. –, kannst du ihr nicht am 11. Januar zum Trainingsauftakt erzählen, dass Lutz bis zum 30.6. euer Trainer ist und ab 1.7. dann Jasko kommt. Da wird jeder Spieler in der Kabine sagen: Was ist denn das für eine dumme Situation? Warum macht man das nicht sofort? Braucht der noch ein halbes Jahr lang jemanden an seiner Seite, der auf ihn aufpasst? Oder umgekehrt sage ich: Was würde denn passieren, wenn man das erste Spiel gegen Rugenbergen verliert? Dann heißt es doch gleich: Warum ist der Göttling noch da? Es wäre eine ganz doofe Situation für die Spieler – zu wem gehen sie denn in Zukunft, wenn irgendetwas ist? Zum alten oder doch schon zum neuen Trainer? Die Gesamt-Konstellation ist verdammt schwierig. Und vielleicht ist das für Außenstehende, die nicht tagtäglich mit einer Fußball-Mannschaft zu tun haben, keine logische Entscheidung. Aber für mich war es die einzig richtige und für Jaskos hoffentlich große Trainerzukunft der einzig zu gehende Schritt. Es geht hier nicht um Lutz Göttling, sondern um ein ganzes Team bestehend aus 26 Leuten. Ich werde mich nun auf die Tribüne setzen und über jeden Sieg wahnsinnig freuen, denn es ist die Mannschaft, die ich zusammengestellt habe.“

FussiFreunde: Hätte man diesen Entschluss denn im Winter schon so offen kommunizieren müssen?

Göttling: „Es laufen Verträge aus, es werden Gespräche mit neuen Spielern geführt... Du müsstest ja alle belügen. Und es war beim SC Victoria immer so, dass ein Trainer im November/Dezember seinen Vertrag verlängert hat. Und es gab ja immer wieder irgendwelche Gerüchte, das kriegt die Mannschaft natürlich auch mit, die sind ja nicht dumm. Und meines Erachtens haben die Jungs, die allesamt super feine Charaktere sind, ein Recht darauf, fair behandelt zu werden. Natürlich hätte ich gerne am letzten Spieltag in Buchholz die Meisterschaft eingefahren. Wir haben drei Punkte Rückstand, zwei Spiele weniger. Es ist alles drin! Ich brauche mich bestimmt auch nicht zu verstecken. Weil's mich einfach mal interessiert hat, habe ich mir mal die Statistiken angeguckt: Ich war in 85 Oberligaspielen Trainer des Vereins, davon haben wir nur 15 verloren. Das ist doch durchaus eine gute Bilanz – mit all meinen Kollegen und Spielern, mit denen ich in dieser Zeit zusammengearbeitet habe. Ich bin Trainer durch und durch – natürlich werden da diese Momente eines Sieges fehlen, die ich in den letzten 14 Jahren ohne eine Pause gemacht habe. Es wird nicht leicht, aber es geht nicht um mich, sondern um den SC Victoria. Für mich war ab dem Moment kurz vor Weihnachten, als Jasko die Zusage als Cheftrainer für die kommende Saison erhalten hat, klar, dass ich per sofort aufhöre. Ich gebe zu, dass alles ein wenig unglücklich aussieht, wie es gelaufen ist. Aber solch einer Entscheidung wird es nie die goldene Lösung geben, da bleibt immer mindestens eine Person auf der Strecke. Und mir ist es lieber, es ist nur eine Person – in diesem Fall ich, da über meine Entlassung spekuliert wurde –, als eine ganze Armada. Helmuth wollte unbedingt, dass ich weitermache und am Saisonende als Meister abtrete, weil es natürlich nicht 'Victoria-Like' ist, vorher aufzuhören. So etwas hat es zuvor noch nie gegeben. Ich gehe auch ganz fest davon aus, wenn ich das weitergemacht hätte, wären wir alle Meister geworden. Punkt. Aber das heißt ja nicht, dass es auch nicht so funktionieren wird. Keine Frage.“

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