Oberliga

Ersen bleibt Optimist: „Wenn wir uns gefunden haben, werden wir noch den einen oder anderen Gegner ärgern können“

18. Februar 2020, 09:00 Uhr

MSV-Coach Can Ersen (re.) mit seinem Assistenten Serdar Sinik an der Seitenlinie. Foto: Knötzsch

Das war er nun also – der mit Spannung erwartete erste Auftritt des „neuen“ Meiendorfer SV, der in der Winterpause mal eben „21 Spieler verloren hat“, wie Trainer Can Ersen am Sonntag nach dem Spiel den TSV Sasel noch einmal erwähnte, und in Person des Sportlichen Leiters Mert Kepceoglu ebenso viele neue Kicker an die B75 lotste. Der erste Auftritt ging, zumindest, was die harten Fakten angeht, mächtig daneben: Sieben Treffer fing sich der MSV am Parkweg ein. Angesichts der Klarheit des Resultats tun sich logischerweise Fragen auf: Kann der MSV überhaupt mit der Konkurrenz mithalten? Droht dem traditionsreichen Club jetzt jedes Wochenende „Prügel“? Oder sind all dies nur anfängliche Schwierigkeiten? Can Ersen hat dazu seine eigenen Ansichten und Einschätzungen...

„Sasel hatte den Vorteil, dass das eine Top-Truppe ist. Die spielen schon seit Jahren zusammen. Wir hingegen sind eine Truppe mit talentierten Spielern. Aber: Wir sind erst seit dem 1. Februar so zusammen. Bei einem Großteil der Spieler haben die Verträge erst am 1. Februar begonnen und dementsprechend haben sie auch dann erst angefangen. Heutzutage interessiert den einen oder anderen Spieler eher die Leistung, die er für seine Anwesenheit kriegt und deshalb erscheinen die Herrschaften nicht vorher zum Training“, sagt Ersen und erklärt einleuchtend: „So ist es natürlich schwer, innerhalb von zwei oder drei Wochen etwas auf die Beine zu stellen. Unser Nachteil ist, dass wir nicht so eingespielt sind. Da gibt es noch keine Mechanismen und Automatismen wie bei Sasel, wo der Ball alleine läuft und jeder weiß, wo er hin muss.“ Solche Teams, so der Übungsleiter der Meiendorfer, „ergänzen sich höchstens mal mit ein, zwei Spielern pro Saison, weil der Grundkern steht.“ Beim MSV gibt’s selbigen derweil nicht – oder aber: Es gab ihn zumindest bislang nicht. „Dieses Mal habe ich nicht eine neue Mannschaft übernommen, sondern einen neuen Verein“, berichtet Can Ersen vielsagend.

Die Defensivspieler Musbau und Lüthje fehlen vorerst

Yusuf Musbau (li., hier gegen den Dassendorfer Pascal Nägele) wird dem MSV verletzungsbedingt vorerst fehlen. Foto: KBS-Picture.de

Normalerweise „kommt man irgendwo hin, hat 16, 17 oder 18 Spieler und dann kommen noch zwei drei Leute dazu“, konstatiert Ersen. Doch was ist schon normal, wenn sich in der Winterpause nahezu der ganze Kader verabschiedet? „Als wir im Januar angefangen haben, zu trainieren, waren zehn, 15 Leute im Training. Später kamen dann immer wieder Neue dazu, einige wurden ausgetauscht. Wir müssen uns erst einmal finden“, verdeutlicht der „General“, wie Ersen genannt wird, und ist sich sicher: „Wenn wir uns erstmal finden, dann hat die Mannschaft auch das Potenzial, die Liga zu erhalten. Das Ergebnis spricht zwar für sich, Sasel hätte noch mehr Tore machen können. Sie haben feinen Fußball gespielt. Aber wir haben auch andere Maßstäbe. Wenn wir uns gefunden haben, werden wir noch den einen oder anderen Gegner ärgern können.“ Wichtig dabei: „Dass wir vom Verletzungen verschont bleiben“, stellt der Meiendorf-Trainer fest. Ein Wunsch, der sich zuletzt nicht erfüllte: Niel Lüthje zog sich einen Muskelfaserriss zu und fehlt laut Ersen drei Wochen. Yusuf Musbau erwischte es sogar noch schlimmer. Er wird mit einer Thormbophlebitis (medizinischer Fachbegrff für eine akute Thrombose und Entzündung von oberflächlichen Venen, Anm. d. Red.) „lange ausfallen“, so der Coach, der damit gegen Sasel „umstellen und eine komplett neue Innenverteidigung aufbieten“ musste.

„Automatismen in einer Mannschaft kriegst du nicht von heute auf morgen hin“

Da war die Welt noch in Ordnung: Das neuformierte Meiendorfer Team vor dem Spiel beim TSV Sasel. Foto: Knötzsch

Auch, wenn Schlussmann Sulejman Hoxha sieben Mal hinter sich greifen musste, seine Vorderleute dies nicht schon im Keim verhindern konnten und vorne nur wenig Gefahr heraufbeschworen wurde: „Ich kann eigentlich gar nicht großartig mit den Jungs meckern“, befindet Ersen und verweist nochmals darauf, dass die Mannschaft im jetzigen Stadium noch in einem Findungs-Prozess sei. Aber kann man sich einen solchen im Abstiegskampf, wo jedes Tor und jeder Punkt in der Endabrechnung Gold wert sein könnte, überhaupt erlauben? „Wir haben noch zwölf Spiele Zeit und mathematisch besteht noch die Chance, diese Liga zu erhalten. Ich bin davon überzeugt, dass es klappt. Die Jungs arbeiten hart, aber wie schon gesagt: Die Automatismen in einer Mannschaft kriegst du nich von heute auf morgen hin – das ist jahrelange Arbeit.“ Um diese umzusetzen, „bedarf es eines Grundstamms, wir haben keinen Grundstamm. Wenn alles ein bisschen aus der Luft gegriffen ist und wir uns über jeden Spieler freuen, dann ist es schwieirger, in so einen Wettbewerb reinzugehen.“

„Ich sehe noch nicht schwarz – sondern eher gelb“

Überdies, so Ersen in seiner Situationsanalyse, sei „die Wintervorbereitung ein bisschen kurz“ gewesen. Und dennoch: Dieses erste Match in Sasel taugt nach Ansicht des MSV-Ünungsleiters in keinem Fall dazu, die Flinte bereits jetzt ins Korn zu werfen. „Ich bin, auch wenn wir mit 1:7 verloren haben, relativ zufrieden mit dem Auftreten meiner Jungs. Das heißt nicht, dass ich im Umkehrschluss mit den ganzen 90 Minuten zufrieden bin, sondern phasenweise. In der ersten Halbzeit haben mir die ersten 20 Minuten gefallen. In der zweiten Hälfte bleibt einem gar nicht die Möglichkeit, noch etwas zu bewirken, wenn mann innerhalb so kurzer Zeit drei Tore kassiert (54., 56. und 58. Minute, Anm. d. Red.). Nichts desto trotz, so Ersen „sehe ich nicht schwarz“, sondern „eher gelb.“ Will äquivalent zum Farbsystem einer Ampel wohl heißen: Noch kann der MSV in der Oberliga fahren – das „rote Licht“ namens Abstieg zwingt noch nicht zum Ende des Daseins in Hamburgs höchster Amateur-Spielklasse. Und dazu soll es nach Ersens Einschätzung auch nicht kommen: „Ich hoffe, dass sich in Zukunft noch was ändern wird im Vergleich zum Sasel-Spiel. Wir brauchen einfach Zeit...“

Jan Knötzsch