LOTTO-Pokal
„Eimsbüttel ist Lila-Weiß!“ – Kocadal: „Bin einfach überwältigt von meinen Spielern und diesem Verein!“
Spieler, Offizielle und Fans des HEBC feiern die nächste magische Pokal-Nacht nach dem 6:4 nach Elfmeterschießen im Derby gegen den ETV. Foto: Kormanjos
Die Mannschaft des HEBC schwört sich nach dem 1:1 nach 90 Minuten auf das Elfmeterschießen ein. Foto: Kormanjos
Als klar war, dass die Entscheidung im Eimsbütteler Derby vom Elfmeterpunkt fallen muss und Henry Koeberer – nachdem Fabian Lemke bereits trocken in den Giebel traf – als erster ETV-Schütze zur Tat schritt, kursierten lautstarke „Paddy“-Sprechchöre durch das Rund am Reinmüller. Die Stimmung war auf dem absoluten Höhepunkt – und tatsächlich: Am Ende avancierte Meins zum gefeierten Helden. Mal wieder! Den vorletzten Schuss von Maurice Boakye entschärfte der 26-Jährige mit den Füßen, sorgte für tosenden Jubel und ermöglichte Semir Demirovic, mit dem letzten Versuch alles klarzumachen und den Reinmüller endgültig in ein Tollhaus zu verwandeln!
„Ich bin komplett überwältigt und weiß ehrlich gesagt gar nicht, was ich sagen soll. Es ist nicht so, dass wir nicht an uns geglaubt haben. Aber ich bin einfach so überwältigt von meinen Spielern und diesem Verein, der einfach so heftig gewachsen ist in den letzten Jahren“, kämpfte Kocadal mit den Emotionen – und platzte fast vor Stolz: „Wie viele Zuschauer hier waren – das macht einfach süchtig. Dieser Adrenalinkick ist unbeschreiblich!“
Meins nicht nur Elfer-Held, sondern auch mit einem Assist
Und damit zurück zu Patrick Meins: Der Schlussmann war so angeschlagen, dass Bastian Stech für ihn sogar die Abschläge ausführen musste. Mit wenigen Ausnahmen. Einmal nämlich sorgte Meins selbst mit einem weiten „Huf“ dafür, dass Tjorven Köhler urplötzlich auf halbrechts auf und davon zog – und Phil Kolvenbach per Heber aus 17 Metern überwand (37.)! Nicht nur Held im Elfmeterschießen, auch während der 90 Minuten glänzte Meins als ganz sicherer Rückhalt und Tor-Vorbereiter. Nur einmal war er geschlagen, als Kevin Houndjame eine Flanke von Niklas Bär klären wollte, aber nur haarscharf den eigenen linken Torpfosten verfehlte. Eben jenen Eckball konnten die Hausherren nur unzureichend aus der Gefahrenzone befördern und letztlich profitierte Bär von Piet Oldags verunglückter Klärungstat – 1:1 (42.)!
"Die Rechnung ist aufgegangen"
Auf der einen Seite der "Underdog" aus der Oberliga (li.) und auf der anderen der Regionalligist. Am Ende behielt der David die Oberhand. Foto: Kormanjos
So unglücklich Houndjame im Vorfeld den ruhenden Ball verursachte, so überragend war der Ex-Verteidiger des ETV im weiteren Spielverlauf. Der klassenhöhere Regionalligist konnte sich kaum nennenswerte Chancen gegen das herausragende Bollwerk des Oberligisten erspielen. Nur einmal kam Dominik Akyol nach einer Einzelaktion des eingewechselten Noel Denis frei zum Abschluss und schoss kläglich am Kasten vorbei (67.). Umso überraschender war im Nachgang die Aussage von ETV-Coach Khalid Atamimi, der befand: „Wir sind unverdient nicht weitergekommen – aus fußballerischer Sicht.“ Auf Nachfrage, ob er sein Team wirklich als die fußballerisch bessere Mannschaft gesehen habe, entgegnete er: „Wir waren schon besser. Ich hatte nie das Gefühl, dass irgendwas passiert. Natürlich hatten sie den Lattenkracher – aber das passiert nur, weil wir den Ball nicht ordentlich klären.“
Damit sprach Atamimi auf das Alu-Pech von Christopher Grünewald (65.) an. Und auch ansonsten wirkte es eher so, als wäre der HEBC die von der Spielanlage her reifere Equipe. „Es war einfach ein tolles Spiel und der Plan ist einigermaßen aufgegangen. Natürlich kannst du so eine Mannschaft wie den ETV als klassentiefere Mannschaft, die auch nicht so oft trainiert, nicht immer weg vom Tor halten. Aber wir haben es echt gut gemacht und ihnen auch das Pressing genommen. Das ist einer ihrer großen Stärken“, konstatierte Kocadal. Und weiter: „In der Anfangsphase haben wir nicht so viel fürs Spiel getan und nicht einen Flachabstoß ausgeführt. Das war aber alles Teil des Spiels und eine Kalkulation von Dingen, die zusammenkommen müssen, eine Art Wahrscheinlichkeitsrechnung, um hier heute gewinnen zu können. Die Rechnung ist aufgegangen.“
"Ja, in der zweiten Halbzeit war ich schon etwas überrascht"
Und letztendlich keinesfalls glücklich. „Özzi ist nie überrascht. Er ist immer auf alles vorbereitet“, scherzte Matchwinner Meins, als die Frage aufkam, ob der Übungsleiter überrascht darüber war, wie man dem ETV auch spielerisch mehr als nur Paroli bot. Während Kocadal im Anschluss meinte: „Aus dem laufenden Spiel heraus haben wir in der ersten Halbzeit nicht so viel kreieren können, wie wir das gewohnt sind. Das ist auch nicht schlimm. Aber ja, in der zweiten Halbzeit war ich schon etwas überrascht, dass wir es geschafft haben, die Power vom ETV aus dem Spiel zu nehmen. Auch das Anlaufen kam ein bisschen später. Und wir haben dann tatsächlich auch mal hintenrum gespielt und die Angriffe vorbereitet, wie wir es eigentlich immer fordern gegen Gegner aus unserer Liga. Man sieht einfach, im Fußball ist alles möglich.“
"Brutal, was HEBC für Elfmeter geschossen hat!"
Der HEBC hat den nächsten Favoriten aus dem Pokal geschmissen, feierte den Coup in der Kabine und muss im Viertelfinale zu Liga-Konkurrent ETSV Hamburg. Foto: Verein
An die Pokal-Überraschung glaubten auch die treuesten HEBC-Anhänger: „Träume können wahr werden“, prangerte vor dem Anpfiff auf einem Banner. Mit einer eindrucksvollen Choreografie empfingen die Fans ihr Team und ließen lila-weiße Luftballons gen Himmel steigen. Von Anfang an lag eine besondere Atmosphäre vor beeindruckender Kulisse in der Luft. Auch vor, während und nach dem Elfmeterschießen. „Ich bin bekennender Pessimist und Realist. Das ist einfach eine Lotterie. Wir kannten die Situation. Aber mich hat es total genervt, dass wir nicht auf unser Trainingstor, sondern auf das andere Tor geschossen haben. Deswegen kippte das so ein bisschen ins halbleere Glas“, gestand Kocadal – und freute sich „umso mehr, dass es geklappt hat“.
Und wie war die Gefühlslage bei Atamimi? „Ganz schwierig. Es ist immer eine Frage der Mentalität. Man muss mit der Verantwortung klarkommen. Ich war da ganz unvoreingenommen.“ Das Fazit: „Brutal, was HEBC für Elfmeter geschossen hat! Die waren alle in den Giebel. Allergrößten Respekt davor, auch vor dem Kampf und wie sie das am Ende wegverteidigt haben“, sprach er explizit auch Kevin Houndjame „mit zwei, drei Grätschen“ an. „Am Ende ist der weitergekommen, der im Elfmeterschießen die besseren Nerven hatte. Leider hat Maurice nicht die Nerven gehabt. Ich hoffe, das macht ihn stärker und besser“, haderte Atamimi vor allem mit der ersten Halbzeit.
"Ganz Eimsbüttel ist Lila-Weiß!"
Stark angeschlagen ins Spiel gegangen, avancierte Patrick Meins mit einer Tor-Vorlage und einem gehaltenen Elfmeter zum Derby-Helden. Archivfoto: noveski.com
„Wenn wir das etwas sauberer ausspielen, hätten wir das Spiel in eine andere Richtung lenken können. HEBC hatte aus dem Spiel heraus gar keine Chancen und schießt aus dem Nichts das 1:0. So wie immer gegen uns. In der zweiten Halbzeit hatten wir immer die Möglichkeit, uns Torchancen rauszuspielen. Dann hätten wir den Deckel draufmachen können. So lassen wir sie am Leben. Insbesondere, wenn sie ihre langen Bälle gespielt haben, haben wir ihnen Hoffnung gegeben.“ So viele lange Bälle waren es aber gar nicht. Schon gar nicht in den zweiten 45 Minuten. Dennoch gratulierte er dem HEBC sportlich-fair zum Weiterkommen.
HEBC-Betreuer-Ikone Werner Wartenberger baute sich vor dem Anhang auf, ballte die Fäuste und ließ seiner Freude freien Lauf: „Ganz Eimsbüttel ist Lila-Weiß!“, jubelte er. Während ein sichtlich emotionaler Kocadal verriet: „Wir haben bewusst kein Elfmeterschießen trainiert. Das hat aus meiner Sicht psychologische Gründe. Wir sind aber die letzten zwei Tage sehr auf Schusstraining gegangen. Ich habe es also ein bisschen impliziert. Und auch diese Rechnung ist aufgegangen“, strahlte der 39-Järhige – nachdem Fabian Lemke, Bastian Stech, Tjorven Köhler, Malte Wilhelm und eben Semir Demirovic mit ihren „Elfern“ dem Eimsbütteler Fänger Phil Kolvenbach nicht den Hauch einer Abwehrchance ließen. „Die Jungs haben richtig geile Worte im Kreis verloren. Als sie alle so geschrien und sich gepusht haben, bevor es ins Elfmeterschießen ging, fühlte es sich so an, als würde man gemeinsam in eine Schlacht ziehen – und das ist nur im übertragenen Sinne gemeint. Da hatte ich dann ein positives Gefühl“, so Pessimist Kocadal.