Ehm: „Ich habe mich wie ein Schwerverbrecher gefühlt“ – Golz: Lieber vier Wochen Keller statt HSV-Posten

Zweite Sendung des Hamburger Fußball-Amateurtalks „Kalles Halbzeit im VERLIES“

06. März 2018, 09:12 Uhr

Von li.: Gastgeber Kalle Schwensen, Moderator Niklas Heiden, Richard Golz (Ex-HSV-Keeper), Tamara Dwenger (Falke-Präsidentin), Danny Zankl (Sasel-Coach), Bert Ehm (Ex-Teutonia 05-Sportchef) und Assistentin Nadine. Foto: Kormanjos

Nach der Premiere am 5. Februar erlebte der neue Hamburger Fußball-Amateurtalk „Kalles Halbzeit im VERLIES“ am Montagabend seine zweite Auflage. Und wie schon bei der Premiere konnten Gastgeber „Kalle“ Schwensen und Moderator Niklas Heiden in der Sendung, die dem Amateurfußball eine neue Bühne geben soll und ein gemeinsames Projekt der Hamburger Medien ELBKICK.TV, FussiFreunde Hamburg und Amateur Fussball Hamburg in Zusammenarbeit mit „MY-BED.eu“-Inhaber Michael Funk ist, eine illustre Talkrunde begrüßen. Diesmal standen Hamburgs erfolgreichster Amateurfußball-Trainer Bert Ehm (zuletzt Manager FC Teutonia 05), Danny Zankl (Trainer TSV Sasel), Tamara Dwenger (Präsidentin HFC Falke) und Ex-HSV-Keeper Richard Golz Rede und Antwort.

Mit Bert Ehm als erstem Gast der zweiten Sendung blickte das Duo Schwensen/Heiden auf dessen langjährige Laufbahn zurück. Natürlich auch inklusive der Geschehnisse auf der Pressekonferenz nach dem Auswärtsspiel von Teutonia 05 bei der TuS Dassendorf, als Ehm – damals noch Sportchef von „T05“ – den Ausspruch „Sieg Heil“ tätigte. „Das ist mir so rausgerutscht. Wir haben da gesessen und Späße gemacht. Ich weiß nicht, wieso mir das rausgerutscht ist. Die, die mich kennen, wissen, dass das nicht meine Art ist“, beurteilte Ehm seinen damaligen „Auftritt“ rückblickend, „ich bin da für böse bestraft worden.“

Zankl: „Da kann man sich schon Sachen rausziehen, die einem als Trainer helfen“

Bert Ehm nahm zu seiner Äußerung auf der PK nach dem Spiel Dassendorf vs. Teutonia 05 Stellung und sprach über ein mögliches neues Engagement. Foto: KBS-Picture.de

Dass er mit dieser Thematik wochenlang medial präsent war, habe bei ihn, so Ehm, Spuren hinterlassen: „Ich habe mich wie ein Schwerverbrecher gefühlt, obwohl das Dinge sind, die man heute fast immer auf der Straße hören kann. Man hat an mir ein Exempel statuiert, so nach dem Motto: Jetzt haben wir ihn Mal. Der Spruch war scheiße, ist aber passiert. Ich habe dafür gebüßt, jetzt muss genug sein.“ Nach Ablauf seiner Sperre in diesem Monat dürfte es wohl so kommen, dass Bert Ehm ein Engagement beim FC Bergedorf 85 antritt. Gespräche mit dem Hansa-Landesligisten bestätigte er. „Das Ziel für diese Saison ist klar formuliert: nicht absteigen! In der neuen Saison soll es weiter nach oben gehen. Das ist ein Traditionsverein, ein schlafender Riese“, so Ehm, der als Höhepunkte seiner langen Karriere die Pokalsiege mit dem SC Victoria und die Auftritte im DFB-Pokal nannte: „Wenn dein Präsident dich nach dem DFB-Pokalspiel anspringt und dir sagt, dass damit der Etat für zwei Jahre gesichert ist und der Verein was davon hat – das kann keine Meisterschaft ersetzen.“

Der Dialog mit Danny Zankl drehte sich nicht nur um dessen aktuellen Verein, den TSV Sasel, mit dem der Coach derzeit zweitbester Aufsteiger in der Oberliga ist, sondern auch um Begegnungen, die Zankl zuletzt erlebte: Der 30-Jährige absolvierte zuletzt seinen Lehrgang zur Trainer-A-Lizenz und saß dabei an der Sporthochschule Köln gemeinsam mit den Nationalspielern Christoph Metzelder, Patrick Owomoyela und Miroslav Klose auf der Schulbank. „Wir, die schon als Trainer arbeiten, sind denen vielleicht etwas voraus. Die Erfahrung als Trainer ist etwas anderes als die als Spieler“, sagte Zankl. Natürlich aber profitiere man auch davon, mit solchen Fußball-Größen in einem Lehrgang zu sitzen. „Was die alles schon erlebt haben und unter welchen Trainern die gespielt haben – das ist schon interessant zu hören. Da kann man sich schon Sachen rausziehen, die man auf jeden Fall abspeichert und die einem als Trainer helfen. Aber auch von Leuten, die nicht Profis waren, saugt man einiges auf“, so der Coach, der sich „glücklich schätzt, in Sasel zu arbeiten. Ich kann mich frei entfalten und habe nicht ohne Grund um zwei Jahre verlängert.“

Dwenger: „Wenn der HSV die Szene nicht ernst nimmt, wird das eskalieren“

Danny Zankl absolvierte seinen A-Lizenz-Lehrgang u.a. mit Miroslav Klose und Christoph Metzelder. Foto: KBS-Picture.de

Noch nicht ganz soweit wie der TSV Sasel, dafür aber auch immer wieder im Medieninteresse stand und steht Tamara Dwenger, die Präsidentin des von ehemaligen HSV-Fans ins Leben gerufenen HFC Falke, der derzeit nach zwei Aufstiegen in der Bezirksliga Nord spielt. Das bisherige Fazit ihrer Arbeit falle positiv aus. „Es ist immer noch eine geile Sache, sonst hätte ich nicht nochmal kandidiert“, konstatierte Dwenger. Auch sportlich „sind wir absolut im Soll. Wir haben bei der Gründung gesagt, dass wir in sieben bis zehn Jahren in der Oberliga sein wollen.“ Eine weitere Frage, die sich spätestens dann stellen würde, ist die der Ablösesummen: „Ich sehe das kritisch. Ich habe kein Problem damit, wenn ein Spieler aus der Jugend eines Vereins zu uns kommt und die Geld wollen. Die haben ja auch in dessen Ausbildung investiert. Aber wenn ein Spieler mit 31 Jahren, der nicht mehr in der Blüte seines Lebens steht, Ablöse kosten soll, fehlt mir das Verständnis.“ Ob Falke künftig Ablösen zahle, werde „die Mitgliederversammlung am 17. März entscheiden. Egal wie die Entscheidung ausfällt: Wir werden damit arbeiten.“

Problem Spielerablösen und Spielstätten: Falke-Präsidentin Tamara Dwenger bezog Stellung. Archivfoto: noveski.com

In punkto Platznutzung und Spielstätte – dort drückt die „Falken“ derzeit der Schuh – „hatte ich die Illusion: Hallo, wir sind der HFC Falke, die Tollsten und Geilsten, also kriegen wir auch ein tolles Stadion gestellt. Aber das ist nicht der Fall. Es ist durchaus berechtigt, dass andere Vereine Vorrang haben, weil sie gewartet haben, aber es kommt mir so vor, als ob man zwischen den Stühlen hin und her und die Verantwortung von A nach B geschoben wird“, so Dwenger, die mit Blick auf den HSV feststellte: „Meine Emotion ist da in Resignation ausgeartet. Ich habe das Spiel gegen Bremen im Fernsehen gesehen und war schockiert.“ Das gilt auch für die Aussagen von Vorstandschef Heribert Bruchhagen nach genau diesem Match: „Ich hätte mich nicht hingestellt und gesagt, dass die, die da Pyro gezündet haben, keine Fans des HSV sind. Das sind Menschen, die seit Jahren mit dem Verein leiden. Wenn der Verein diese Fanszene nicht ernst nimmt, wird das eskalieren. Ich kann nur empfehlen, sie ernst zu nehmen. Das – und nicht die Menschen, die eventmäßig gegen die Bayern ins Stadion kommen – sind die Leute, die den Verein seit Jahren tragen.“ 

Golz: „Es tut weniger weh als erwartet, weil man sich an den Zustand gewöhnt hat“

Richard Golz fand klare Worte zur Situation und Lage des HSV. Foto: KBS-Picture.de

Apropos HSV – dort kennt sich auch Richard Golz bestens aus. Der 49-Jährige Ex-„Goalie“ des Bundesliga-Dinos komplettierte den Reigen der Gäste und berichtete unter anderem über sein neues Projekt. „Ich arbeite im Bereich der Digitalisierung, im Tracking. Das heißt: Wir gewinnen mit unserer Firma Daten, wir messen Spiele und Spieler und wollen alle Daten, die es im Profibereich gibt auch für Amateure zur Verfügung stellen, damit die sich mit den Profis vergleichen können – so wie beim Handicap im Golf“, berichtete Golz und bekannte auf den HSV bezogen: „Die Hoffnung auf den Nichtabstieg ist nicht mehr groß, aber es tut weniger weh, als man erwartet hätte, weil man sich an diesen Zustand sich gewöhnt hat. Man müsste vielleicht jetzt Mal die Bayern schlagen, die Spiele werden weniger. Es gab im Fußball ja schon die verrücktesten Sachen...“ Eine andere verrückte Sache könne er, so verriet Golz, der zuletzt unter Christoph Daum Torwarttrainer der rumänischen Nationalmannschaft war, ausschließen. Die nämlich, dass er als Funktionär beim HSV auftauche: „Bevor ich mich öffentlich um einen Posten bewerbe, würde ich mich lieber vier Wochen hier im Keller einsperren lassen. Ich bin ganz zufrieden, ein Job beim HSV ist nicht mein Ding“, so Golz am Ende des Talks im „Verlies“. Die nächste Episode mit neuen und interessanten Gästen gibt es übrigens am 3. April 2018.


Jan Knötzsch 

Die komplette Sendung im LIVESTREAM