HOLSTEN-Pokal

Der „Forrest“ kehrt ins Paradies zurück: „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!“

17. Dezember 2022, 15:19 Uhr

Die Mannschaft von Altona 93 II feiert den Einzug ins HOLSTEN-Pokal-Viertelfinale. Foto: Kormanjos

40 Minuten lang war es ein reines Rumgerutsche, ein zäher Kampf um den richtigen Grip, ein rein auf Glück basiertes Schlittschuhlaufen auf Fußballschuhen - doch dann erlöste Finn Rettstadt die „Zweite“ von Altona 93 im HOLSTEN-Pokal-Achtelfinale gegen den FC Alsterbrüder II (alle Highlights im LIVE-Ticker). Und das auf seine ganz eigene Art und Weise - denn: Nachdem das Runde im Eckigen zappelte, bejubelte Rettstadt seinen Freistoßtreffer mit seinen Teamkollegen vor der Trainerbank und geriet dabei mehrfach ins Schmunzeln. „Ich bin bekannt für meine Kacktore“, hauchte er seinem Trainerduo Benjamin Lipke und Jakob Sachs zu.

Das Altonaer Trainerduo: Jakob Sachs (re.) und Benjamin Lipke. Foto: Kormanjos

Was Rettstadt, der auch auf eine Vergangenheit in der Regionalliga-Mannschaft des AFC zurückblicken kann, damit genau meinte? Zunächst ging seinem Torerfolg ein überaus zweifelhafter Freistoß voraus, weil FCA-Verteidiger Alexander Klann im Duell mit Frederik Grenzbach, der wenige Augenblicke zuvor noch klar am Trikot zu Boden gerissen wurde, woraufhin der Pfiff aber ausblieb, klar den Ball spielte. Dann setzte Rettstadt zum Schuss aus gut und gerne 25 Metern an. Der Versuch wirkte harmlos, titschte aber unmittelbar vor Gäste-Keeper Ömer Sebekoglu noch einmal auf und hoppelte vom linken Innenpfosten schließlich in die Maschen!

„Das Tor war total wichtig und Gold wert für uns - vor allem für den Kopf“, befand AFC II-Coach Lipke, der zuvor ein ums andere Mal damit haderte, dass sein Team „gefühlt fünf oder sechs Leute hatte, die Schlittschuh gelaufen sind. Aber ich mache den Jungs gar keinen Vorwurf, sondern es war einfach den Bedingungen geschuldet.“ Vor allem der sonst so bärenstarke Renas Meise hatte mit den widrigen Verhältnissen zu kämpfen. Immer wieder forderte ihn Lipke dazu auf, mehr Kapital aus seiner Schnelligkeit zu schlagen. Ein Beispiel: „Guck mal, wie viel Platz du hast. Das wäre ein Paradies für mich!“, so der einstige „Flügelflitzer“, der kurz vor Ultimo sogar sein Comeback feierte. Doch dazu später mehr.

"Der Schiedsrichter hat uns in die Entscheidung mit eingebunden"

Torschütze Finn Rettstadt (Mi.) wird nach seinem Freistoßtreffer von Kapitän Jasper Brinkmann geherzt. Foto: Kormanjos

Kommen wir noch einmal zum äußerst schwer zu bespielenden Geläuf an der Baurstraße. „Es waren schwierige Bedingungen, aber für beide Mannschaften“, verriet Lipke im Nachgang, dass Schiedsrichter Mohammed Al-Furati beide Mannschaften „in die Entscheidung mit eingebunden“ habe, ob gespielt werden soll oder eben nicht. „Man hat so ein bisschen gemerkt, dass die Sonne drauf steht. Insofern wollten wir spielen - zumal man auch nicht weiß, wie es im Januar oder Februar aussieht. Da könnten die gleichen Platzverhältnisse herrschen. Da beide Mannschaften spielen wollten, haben wir gespielt“, so die AFC-Ikone.

AFC II sorgt für klare Verhältnisse - Lipke kommt rein

Die Hausherren feiern den Führungstreffer, Torwart-Trainer Sascha Kirschstein (vo.) klatscht Beifall. Foto: Kormanjos

Und nach der Pause hatte der Spitzenreiter der Bezirksliga Süd gegen den Liga-Kontrahenten leichtes Spiel. Jannis von Romatowski veredelte eine herrliche Stafette über Modou Camara und Grenzbach per Dropkick in den linken Giebel zum 2:0 (59.), ehe der eingewechselte Youngster Maxi Ulbricht den Doppelschlag perfekt machte - nachdem von Romatowski zunächst noch geblockt wurde (61.)! Auch sieben Minuten vor dem Ende hatte Angriffs-Hüne von Romatowski nach einer kurz ausgeführten Ecke und anschließender Flanke von Rettstadt seine Füße mit im Spiel, als er Michel Philipp den Treffer zum 4:0-Endstand auf dem Silbertablett servierte (83.)!

Von den Alsterbrüdern, die nach dem vorzeitigen Abschied ihres Trainer-Gespanns Philipp Huntenborg/Lennart Förster noch nicht von Nachfolger Ihsan Azizmahmutogullari, sondern von Linus Mende gecoacht wurden, ging so gut wie gar keine Gefahr aus. Im Gegenteil. In den Schlussminuten hätte Benny Lipke, der für Zeigerumdrehungen vor Schluss das Kunstgrün betrat, beinahe noch das Ergebnis in die Höhe schnellen lassen. „Das hat sich eher so ergeben“, entgegnete der 39-Jährige auf Nachfrage - und fügte an: „Gestern Abend klingelte häufiger mal das Telefon, bis abends um 20 Uhr. Da hat sich der eine oder andere noch krank und abgemeldet. Und wir trainieren, wenn wir können, meistens noch mit. Von daher ist es logisch, dass wir uns auf die Bank setzen. Und als sich dann noch einer verletzt hat, war klar, dass ich komme, bevor wir zu zehnt weiterspielen.“

Altonaer "Erfolgstrio" zu Späßen aufgelegt

Sascha Kirschstein (li.) schmunzelt - während Benny Lipke (Mi.) seinem Torschützen Finn Rettstadt gratuliert. Foto: Kormanjos

Und damit wären wir bei den verbalen Schmankerln des einseitigen Pokal-Achtelfinals. In der 53. Spielminute kündigte Lipke gegenüber Torwart-Trainer Sascha Kirschstein, der nach seiner langjährigen Profi-Vergangenheit aus Freundschaft zu Lipke bei der „Zwoten“ der Altonaer aushilft, an: „Kirsche, du musst das Zepter übernehmen. Ich muss mich warmlaufen.“ Als Ulbricht den dritten Altonaer Treffer erzielte, konstatierte Lipke mit einem leichten Lächeln: „Jetzt kann ich mich auch einwechseln“, ehe er sich langsam fertigmachte und auf dem Weg zum Warmlaufen mit seinem Trainer-Partner Jakob Sachs in Richtung Kirschstein witzelte: „Trainer, bringen Sie uns gleich noch?“ Kirschsteins Konter: „Mal sehen!“

"Den haben wir auf der A7 gefunden"

Der Mannschaftskreis der Altonaer "Zwoten" nach dem 4:0-Erfolg über Liga-Konkurrent Alsterbrüder II im Pokal-Achtelfinale. Foto: Kormanjos

Als noch zehn Minuten auf der Uhr waren, kam Sachs auf einmal vom Warmmachen zurück in Richtung Trainerbank gejoggt. „Ich hab’ dich noch nicht gerufen“, flachste Ex-HSV-Torwart Kirschstein in Richtung der AFC-Legende. Sachs’ Antwort: „Ich hab' mich gezerrt.“ Doch das war eher mit einem Augenzwinkern gemeint. Der 37-Jährige kam nicht mehr rein, zog sich die Sachen wieder über - und hatte gut lachen, als sein guter „Buddy“ Lipke nach seiner Einwechslung zuerst knapp verzog und dann beinahe noch einen Elfmeter rausholte. „20 Jahre alt, der Junge. Den haben wir auf der A7 gefunden!“ In das kleine süffisante Scharmützel mischte sich auch Kapitän Jasper Brinkmann noch mit ein - und riet Sachs: „Das wäre noch einer für uns!“ Das Ende eines aus Altonaer Sicht „rundum gelungenen“ Pokalspiels, wie Lipke abschließend bilanzierte, ehe die Mannschaft im Teamkreis anstimmte: „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!“

Autor: Dennis Kormanjos