„Das ist an Brutalität nicht zu überbieten!“ – Altona kassiert Last-Minute-K.o.

Die abwandernden Brisevac und Edeling schmoren 90 Minuten auf der Bank

22. April 2018, 21:27 Uhr

Fassungslosigkeit und Ungläubigkeit: AFC-Ikone Jakob Sachs und seine Mitspieler sowie Offizielle trauern nach dem Last-Minute-K.o. Foto: KBS-Picture.de

Beim Blick auf die Aufstellung des AFC durfte man durchaus ins Staunen geraten. Die Leistungsträger Jan-Ove Edeling und Kapitän Nick Brisevac mussten mit einem Platz auf der Bank vorlieb nehmen. Trainer Berkan Algan verzichtete dann sogar über die gesamte Spielzeit auf die Spieler, die den Verein im Sommer beide verlassen werden. Die 14 Akteure, die für Altona ran durften, machten ihre Sache derweil gar nicht schlecht und schnupperten zwischendurch sogar am Sieg. Am Ende stand dann jedoch eine 1:2-Niederlage durch einen Wolfsburger Lucky Punch in der Nachspielzeit.

Da war die Welt noch in Ordnung: Clifford Aniteye köpft zum späten Ausgleich ein! Foto: KBS-Picture.de

AFC-Trainer Algan verneinte nach der Partie einen Zusammenhang zwischen den Wechseln und den Nicht-Einsätzen von Brisevac und Edeling: „Die Geschichte ist für mich abgehakt. Ich wollte dieses Wochenende gegen Wolfsburg eine komplett taktisch konzentrierte Mannschaft aufstellen und eher aus der Kompaktheit heraus arbeiten. Als Trainer darf man auch mal jemanden auf der Bank sitzen lassen. Ich bin dafür da, die Mannschaft gut einzustellen, und ich glaube man kann auf die Leistung heute stolz sein.“
Kompakt agierten die Gastgeber tatsächlich und ließen nur wenig zu. Wolfsburgs erste Gelegenheit gab es in der neunten Spielminute: Justvan bediente Klamt per Flanke. Dessen Kopfball war aber sichere Beute für Grundmann. Dann versuchte es Saglam mal aus der Distanz, setzte seinen Schuss aber zu hoch an (19.). Auch Altona kam zu Fernschuss-Gelegenheiten: Zunächst streifte Niklas Siebert mit seinem Versuch die Latte (23.), und dann lenkte Wolfsburgs Keeper Klinger einen Hosseini-Schuss über selbige (27.). Kurz darauf herrschte dann wieder Gefahr auf der anderen Seite. El Saleh kam zum Kopfball, Grundmann parierte diesen aber stark (32.). Kurz darauf fiel dann das 0:1, das gleichzeitig der Pausenstand war: Rexhbecaj zog in den Sechzehner und wurde von Barinovs gelegt. Schiedsrichter Steenken schien sich zunächst unsicher, ob das Foulspiel im Strafraum stattfand, entschied nach Beratung mit dem Assistenten aber auf Strafstoß. Wolfsburgs Torjäger Blaz Kramer verwandelte sicher in die rechte Ecke, Grundmann war auf der falschen Seite (36.)

Ziehl: „Altona hat alles reingeworfen und wir haben angefangen zu zittern“

Pablo Kunter (li.) hatte sogar die Chance zur AFC-Führung. Stattdessen... Foto: KBS-Picture.de

Die Wolfsburger U23, die insgesamt sicherlich nicht ihren besten Tag erwischt hatte, steigerte sich im zweiten Durchgang. So hatte der Tabellendritte direkt nach Wiederanpfiff eine gute Gelegenheit: Neuwirt schoss aus 20 Metern aber knapp drüber. Deutlich besser war wenig später El Salehs Chance. Nach einer Flanke von der linken Seite köpfte dieser aus fünf Metern drüber und ließ so das 0:2 aus (55.). In der 63. Minute zog El Saleh dann in den Sechzehner und legte quer. Saglam kam kurz vor dem Tor an den Ball und zog ab, doch Aniteye rettete für Altona auf der Linie. Auch eine Schusschance für Hanslik ließen die Wölfe liegen, Grundmann parierte sicher (77.). Gäste-Trainer Rüdiger Ziehl ärgerte sich über die schwache Chancenverwertung: „Wir haben in der ersten Halbzeit Probleme gehabt, uns Möglichkeiten herauszuspielen. In der zweiten Halbzeit haben wir besser gespielt, waren aber nicht konsequent genug nach vorne. Altona hat alles reingeworfen und wir haben angefangen zu zittern. Dadurch haben wir Probleme bekommen und dann auch kurz vor Schluss den Ausgleich kassiert.“ Denn: Altona kam nach einer Ecke tatsächlich zum 1:1! Aniteye stieg am höchsten und köpfte zum umjubelten Ausgleich für die Hausherren ein (84.)! Getragen von der Euphorie der Fans drängte der AFC darauf, das Spiel noch komplett zu drehen – und hatte eine Riesenchance durch Pablo Kunter: Dieser eroberte einen langen Ball, und sein Schuss aus kurzer Distanz wurde von El Saleh erst im letzten Moment geblockt (88.). So kam es, wie es kommen musste: Infolge einer Ecke parierte Grundmann erst noch, im Nachschuss traf dann jedoch erneut Blaz Kramer und schoss mit seinem zweiten Treffer das 1:2 (90.+3). Quasi direkt danach war Schluss, und die Altonaer Spieler warfen sich konsterniert zu Boden.

Algan: „Ich bin unwahrscheinlich stolz auf die Mannschaft!“

... jubelt der Wölfe-Nachwuchs nach dem Last-Minute-Treffer. Foto: KBS-Picture.de

Wolfsburg-Coach Ziehl freute sich: „Nach dem Ausgleich ging es für uns nur noch darum, mit aller Macht – auch mit der Brechstange, langen Bällen und Standardsituationen – ein Tor zu machen. Ich bin natürlich überglücklich, dass es dann noch zum Sieg gereicht hat!“
Für sein Gegenüber, Altonas Trainer Berkan Algan, war es verständlicherweise nicht leicht, Worte zu finden, um die extrem bittere erneute Pleite einzuordnen: „Man fragt sich, was man in so einer Saison, nach so einer Niederlage, gegen einen solchen Gegner sagen soll. Ich bin ganz ehrlich: Das ist an Brutalität für einen Trainer nicht zu überbieten! Das 1:2 muss nicht fallen. Vielleicht hätten wir sogar durch Pablo Kunter das 2:1 machen müssen.“ Algan wies auch darauf hin, dass Altona im Gegensatz zu Wolfsburg ein klassischer Mittelstürmer fehlt: „Dann kommt der Spielertyp, den wir in dieser Saison nicht haben (Torjäger Blaz Kramer, Anm. d. Red.), und macht mit seiner Gewalt und seiner Präsenz das Tor. Ich bin aber unwahrscheinlich stolz auf die Mannschaft, wie sie heute gegen einen sehr, sehr starken Drittliga-Anwärter gespielt hat. Wir haben gut gespielt und die taktischen Vorgaben hervorragend gelöst. Wir sind Altona 93. Wir werden für die Fans, für diese Atmosphäre und die Zukunft auch aus der heutigen Niederlage lernen. Wir werden bis zum Schluss in jedem Spiel 100 Prozent geben!“
Die aktuelle Lage – Altona 93 steht abgeschlagen am Tabellenende der Regionalliga Nord und der Abstieg ist quasi besiegelt – beschrieb Algan ehrlich: „Es ist das Schwerste, was es gibt. Wir können den Aufwand in der Regionalliga gegenüber einigen Teams, die quasi professionell arbeiten, wettbewerbsfähig nicht bestreiten. Uns fehlen teilweise bei Auswärtsspielen vier Spieler, weil diese arbeiten. Wir haben auch keine Erfahrung aus der Regionalliga in der Mannschaft. Zudem fehlt uns das Glück. Mit etwas Fortune hätten wir durchaus zwölf Punkte mehr holen können.“

Autor: Josa Schnell

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