Condor wie aus einem Guss: „Crille“ erlebt beim Heim-Abschied den Hochgenuss!

Reibe entschuldigt sich bei Türkiye - Condor sichert Klassenerhalt bei Verabschiedungs-Arie

13. Mai 2018, 19:30 Uhr

Condor-Coach Christian Woike (mi.) wurde vor dem Spiel von Sportchef Marco Krausz (li.), der ebenfalls aufhört, und Präsident Thomas Brinkmann verabschiedet. Foto: Kormanjos

„Es gab Spiele, in denen hab’ ich Sechs gemacht. Was die anderen da gemacht haben, weiß ich nicht“, scherzte Christian Woike. Während Matthias Bub ebenso süffisant konterte: „Mein höchster Heimsieg als Condor-Trainer war ein 1:0.“ Es ging um die Frage nach dem bis dato höchsten Heimsieg in der Oberliga-Historie des SC Condor. Das 7:1 gegen den VfL Pinneberg wurde zwar Mitte der 90er Jahre noch getoppt - und dennoch war es für viele „Raubvögel“ ein ganz besonderer Sonntagvormittag am Berner Heerweg…

„Man macht sich im Vorwege viele Gedanken - aber wenn es dann so weit ist, kann man es gar nicht alles zusammen bündeln. Es war schon besonders - aber die Wehmut kommt sicherlich erst in den nächsten ein bis zwei Tagen, dass man an dem Platz, wo man jetzt zehn Jahre lang immer gespielt hat, eben nicht mehr spielen wird. Es war ein schöner Abschluss“, befand Condor-Keeper Sascha Kleinschmidt, der den Farmsenern nach zehn Jahren den Rücken kehren wird, und „fast schon froh“ war, wie er sagte, „dass es zum Glück nicht ganz so emotional wurde wie befürchtet.“ Sein Trainer richtete den Blick zunächst aufs Sportliche und meinte. „Wir haben den ‚worst case‘ vermieden und das absolute Minimalziel erreicht“, ehe er anfügte: „Ich glaube, man hat heute gesehen, dass wir ein bisschen Qualität haben – und wenn man uns spielen lässt, dann können wir auch spielen.“ Oder anders gesagt: Das Beste kommt zum Schluss!

Reibe: "Mir tat es für 'Rosi' leid"

Nach zehn Jahren beim SCC ist auch für Torhüter Sascha Kleinschmidt (li.) Schluss. Foto: Kormanjos

Die „Raubvögel“ gingen von der ersten Minute an auf Beutejagd und wollten den Liga-Verbleib festzurren. „Man hat gemerkt, dass die Mannschaft es heute einfach wollte. Sie wollte es für sich, für die Spieler, die gehen – und vielleicht auch ein bisschen für mich. Von daher musste man eher noch ein bisschen was rausnehmen, als reingeben“, so Woike. Erst nutzte Mike Theis - verlässt den Club in Richtung HR - nach einem Pass von Cassian Klammer ein kapitales Missverständnis zwischen VfL-Fänger Lucas Albracht, der den Ball eigentlich für sich reklamierte, und Verteidiger Arend Müller zur Führung (20.), ehe Ken Niederstadt einen Freistoß des heute bärenstarken Gökhan Iscan mutterseelenallein zum 2:0 einköpfen durfte (24.)! Das Problem des SCC: Die Rückwärtsbewegung. Mehr oder weniger aus dem Nichts verkürzte Alexander Borck in einer Kontersituation freistehend (29.) zum 1:2 - ein Weckruf schien das aber nicht zu sein. Denn kurz vor der Pause fuhr Trainer Thorben Reibe mächtig aus der Haut, weil seine Schützlinge das Fußballspielen einstellten und stattdessen eine Abseitsposition erkannt haben wollten. „ Mir tat es für ‚Rosi‘, an den ich das Spiel heute mehr oder weniger abgetreten und ihm freie Hand bei der Aufstellung gelassen habe, ein bisschen leid“, verriet Reibe hinterher. „Ich war sauer darüber, dass wir auf den Schiri gemeckert, aber selbst ganz große Grütze zusammengespielt haben. Das musste dann mal raus.“

Woike: "Dann hätten wir uns vieles erspart"´

Mike Theis (li.) verlässt die „Raubvögel“ in Richtung Halstenbek-Rellingen. Foto: Kormanjos

Aber es half nichts. Zunächst köpfte Till Daudert nach einem von Theis verlängerten Iscan-Eckball zum 3:1 ein (44.), ehe der bereits gerettete Gast in den zweiten 45 Minuten völlig neben der Spur war. Über Flores, Blunck und Iscan kam die Kugel zum eingewechselten Jannick Martens, der auf 4:1 stellte (52.), und sich wenig später bei Iscan mit der Vorlage zum 5:1 bedankte (54.). Schließlich machte ausgerechnet Carlos Flores - nach Querpass von Thomas Lohner (58.) - das halbe Dutzend voll. Ausgerechnet deshalb, weil Flores zuvor schon und auch in der Folge reihenweise gute Chancen vergab und ebenfalls sein letztes Heimspiel absolvierte, da er seine Laufbahn beenden wird. Für den Schlussakkord sorgte Martens, der nach einem Flores-Schuss, den Albracht nach vorne abwehrte, nachsetzte und abstaubte (65.). Der SC Condor auf Woike sieben! „Das Tor war so ein bisschen symptomatisch für dieses Spiel, weil ihm der Abpraller vor die Füße fällt. Das hätte gerne auch schon vor ein paar Wochen mal der Fall sein können. Dann hätten wir uns vieles erspart“, konstatierte Woike, dessen Mannen es am Ende noch gnädig mit den Pinnebergern meinten.

"Haben uns den Frust der letzten Wochen von der Seele geschossen"

Carlos Flores (li.) wird künftig für die Alten Herren des SCC auflaufen. Foto: Kormanjos

„Nach dem dritten, spätestens nach dem vierten Tor ist dann auch so ein bisschen Last abgefallen und es kam die Spielfreude dazu. Man muss aber auch sagen, dass wir gegen einen Gegner gespielt haben, der nicht mit der letzten Konsequenz agiert und verteidigt hat. Trotzdem haben wir weitergemacht, nicht aufgehört und uns vielleicht auch so ein bisschen den Frust der letzten Wochen von der Seele geschossen“, resümierte Woike. „Was wir allerdings wieder geschafft haben: Nur ungefähr jede dritte Torchance zu verwerten. Das hat sich durch die ganze Saison so durchgezogen. Dennoch war es ein guter Heimabschluss. Wir gehen gut gelaunt in den Nachmittag“, der aufgrund der vielen Verabschiedungen zu einem einzigartigen werden sollte. „Klar war es ein bisschen anders. Man war angespannter, es war kribbeliger als sonst. Das war wohl auch die kürzeste Ansprache, die ich bislang gehalten habe – also unter einer Dreiviertelstunde“, witzeltet Woike. Sein Gegenüber war derweil nicht zu Späßen aufgelegt: „Auf der einen Seite muss man sich ein Stück weit bei Türkiye entschuldigen, weil so, wie wir uns hier präsentiert haben, war es sicherlich eine Katastrophe! Aber ich weiß nicht, ob ich wirklich sauer auf die Mannschaft sein kann. Denn natürlich merkt man, dass die Spannung nach den harten Wochen, in denen wir zum Teil Überragendes geleistet haben, abfällt. Das ist ein Stück weit normal.“

"Es gibt viel wertvollere Dinge als Pokale"

Nach fünf Jahren bei den Farmsenern legt Christian Woike (li.) eine Pause ein. Foto: Kormanjos

Die letzten Worte gebühren jedoch „Crille“ Woike, der auf eine Zeit beim SC Condor zurückblickt, „die für mich ein Stück weit Lebensinhalt geworden ist. Ich habe hier meine besten Freunde, Freunde fürs Leben, gefunden, und hatte ein Umfeld, in dem ich wachsen und gedeihen konnte – als Persönlichkeit und als Sportler. Dafür bin ich dem Verein, dem Umfeld und meinen direkten Freunden sehr, sehr dankbar für die Zeit und werde es immer in Erinnerung behalten. Das kann mir keiner nehmen.“ In seinen fünf Jahren am Berner Heerweg hat der noch 39-Jährige viele Höhen und Tiefen erlebt, auch uns „Pressevertretern“ viele wertvolle Momente geschenkt und besondere Spiele mit seinem Team bereitet. Unvergessen bleiben die „Pokal-Schlachten“ bei Altona 93 (Halbfinale 2014, 9:8 n.E.), gegen den SC Victoria (Viertelfinale 2015, 4:3 n.V.) und beim TSV Buchholz 08 (Halbfinale 2015, 7:6 n.E.). „Mehr Emotionalität und mehr Wahnsinn als in diesen Spielen ist im Amateurfußball nahezu unmöglich! Das ist das, was hängen bleibt.“ Aber Woike weiß auch: „Es gibt viel wertvollere Dinge als Pokale.“ Zum Beispiel: Mensch zu sein. Und darin war er ein Paradebeispiel, hatte immer einen guten Spruch auf den Lippen, stellte sich nach jeder noch so bitteren Niederlage und fand stets die passenden Worte. Danke, Crille!

Autor: Dennis Kormanjos