3. LOTTO-Talk

Braucht Hamburg ein Drittliga-Stadion? Leidenschaftliche Diskussionsrunde!

23. März 2022, 09:06 Uhr

„Wäre super, wenn Hamburg ein Zugpferd für Nord-Spielerinnern wird“

Eine spannende und leidenschaftliche Diskussionsrunde beim 3. LOTTO-Talk des Hamburger Fußball-Verbandes. Foto: HFV/Gettschat

Flächen, die auch dem Frauenfußball zu Gute kommen sollen. Denn: Sabine Mammitzsch, neue Vizepräsidentin für Frauen- und Mädchenfußball im DFB, möchte „die Sichtbarkeit des Frauenfußballs noch mehr unterstützen, dass kein Unterschied mehr gemacht wird“. Und dafür bräuchte man auch „ein Stadion, das groß genug ist“. Dabei ist sich Mammitzsch auch darüber im Klaren, dass ein „Stadion nicht nur an den Platz und an die Zuschauer, sondern auch an gewisse Rahmenbedingungen geknüpft“ ist. Wenngleich die Runde die Zuschauerzahlen etwas kritisch sah, war sich Mammitzsch sicher, dass zu einem Länderspiel in Hamburg „10.000 bis 15.000“ Besucher kommen würden. Nicht nur das. „Ich würde es super finden, wenn Hamburg ein Zugpferd für alle Nord-Spielerinnern werden würde“, stehen aktuell andere Vereine im Norden, wie der VfL Wolfsburg, ganz oben. Zwar käme auch das Millerntor-Stadion für Länderspiele in Frage. Aber: „Die Kosten waren so immens, dass der DFB davon abgesehen hat“, steht eine sechsstellige Summe im Raum. Mammitzsch erhofft sich derweil einen Schub durch die Frauenfußball-WM 2027 im eigenen Land.

„Wir denken zu wenig an die kleinen Vereine“

Die neue DFB-Vize-Präsidenten Sabine Mammitzsch sprach sich für den Frauen- und Mädchen-Fußball aus. Foto: HFV/Gettschat

In ganz anderen Sphären bewegt sich der TSV Neuland. Der kleine und beschauliche Verein im Süden Hamburgs hat mit ganz anderen Problemen zu kämpfen – und das im wahrsten Sinne des Wortes: „Wir haben sehr viel von den großen Vereinen gehört. Ich vermisse so ein bisschen, dass auf die Basics geguckt wird“, sprach „Mr. Neuland“ Horst Meyer ein wahres Dilemma an. Die Anlage am Neuländer Elbdeich könne man „nicht mehr als Sportplatz bezeichnen“, demonstrierte Meyer den Verantwortlichen des HFV die nicht mehr hinnehmbaren Gegebenheiten. „Es bricht alles weg. Wir sind ein kleiner Verein. Vor sechs Jahren haben wir noch ein Pokal-Viertelfinale gegen Altona vor 1000 Zuschauer gespielt – das war für uns ein Festtag. Aber es wird nichts gemacht. Wir denken zu wenig an die kleinen Vereine. Und die Politik lässt uns hängen.“

„Man sollte nicht sagen, dass nichts passiert“

Maximilian von Garnier (re.), Legende der Hamburg Blue Devils, erklärte das Stadion-Problem der Footballer. Foto: HFV/Gettschat

Er habe „Verständnis für diese Diskussion“, gestand Holstein – und lies einige Zahlen sprechen, was die Stadt in den vergangenen Jahren an finanziellen Mitteln aufgebracht habe. „Jetzt kann man sagen: Das reicht nicht. Was man angesichts dieser Summen nicht machen sollte, zu sagen: Es passiert ja gar nichts. Natürlich müssen wir uns auch um die Kleineren kümmern. Aber wir können noch so viel investieren, wir werden immer den einen oder anderen haben, der sagt: Das passt mir nicht oder das reicht mir nicht.“ Die Spanne ist groß. Sehr groß sogar. An den Basics fehlen die Mittel und Möglichkeiten – und in anderen Regionen kämpft man, auf ganz anderer Ebene, ebenso gegen die fehlende Unterstützung an. Und so zitierte Holstein einen Kommentar in den Sozialen Netzwerken in Bezug auf den TSV Neuland und das Problem, mit dem sich beispielweise der FC Teutonia 05 herumplagt: „Plätze wie diese gibt es reichlich. Und der HFV denkt über ein drittes Bundesliga-Stadion nach. Genau mein Humor.“

„Es herrscht großer Bedarf, aber gibt keine Spielstätte“

HSV Handball-Geschäftsführer Sebastian Frecke (li.) regte einen gemeinsamen Austausch sämtlicher Hamburger Vereine an. Foto: HFV/Gettschat

Abseits des Fußballs gibt es auch den American Football, wo sich ein Traditionsverein anschickt, wieder in anderen Gefilden um Punkte und Touchdowns zu kämpfen: Die Hamburg Blue Devils. „Ich bin 1992 nach Hamburg gekommen. Zu einer Zeit, wo der American Football noch gar nicht auf der Landkarte war. Wir haben teilweise vor 30.000 Zuschauern im Volkspark gespielt. Ich hatte großes Glück, genau im richtigen Moment in diese schöne Stadt zu kommen. Und ich wusste nach zwei Wochen, dass ich nie wieder weg möchte“, sagte Maximilian von Garnier, langjähriger Spieler, Trainer und nun Zweiter Vorsitzender der Blue Devils. „Football ist nicht nur Sport, sondern auch ein Event.“ Als der Verein am Boden war, habe man ihn „von der Basis wieder aufgebaut und auf die Jugend gesetzt“, blickte von Garnier zurück – und erinnerte sich daran, dass er „2014 mit meinem kleinen Büchlein losgezogen“ sei, „um nach einer Trainingsstätte zu suchen“.


Mittlerweile sind die Blue Devils in der Dritten Liga aktiv. Und von Garnier weiß: „Es herrscht ein riesiger Hype um den American Football.“ Auch die Hamburger haben „unfassbar viele Anfragen“. Problem: „Wenn wir einen Aufstieg schaffen würden, wüssten wir nicht, wo wir spielen sollen. Es herrscht großer Bedarf, aber gibt keine Spielstätte“, wünscht er sich eine Alternative, um den Verein noch stärker zu machen und eventuell sogar zu altem Glanz zurückzuführen.

HSV Handball-Geschäftsführer regt einen Austausch an

Letzteres haben die Handballer des HSV nach dem Zwangsabstieg vor einigen Jahren schon wieder geschafft. Zurück in der Erstklassigkeit, hat man den Bezug zur Basis aber nicht verloren. Geschäftsführer Sebastian Frecke konstatierte: „Die Bedürfnisse sind unterschiedlichster Natur.“ Auffällig: „Viele kochen ihren eigenen Brei und ärgern sich dann, dass es nicht nach vorne geht. Es fehlt an dem offiziellen Austausch der großen Vereine, die Kräfte zu bündeln, sich an einen Tisch zu setzen und zu fragen: Wo kann man sich gegenseitig helfen? Den Kreis würde ich gerne erweitern“, wolle er sämtliche Vereine mit ins Boot holen. „Ich bin auch gerne bereit, Location und Getränke zu stellen, um einen Austausch zu schaffen, sich an einen Tisch zu setzen und eine Strategie festzulegen, wie man sich helfen kann.“

„Doof ist gerade etwas an einer ganz anderen Stelle“

Waren nicht einer Meinung: Liborio Mazzagatti (li.) und Christoph Holstein. Foto: HFV/Gettschat

Die wichtigste Botschaft des Abends: „In den Dialog zu gehen. Nicht in seinem eigenen Kämmerlein sitzen und sagen: ‚Das ist doof.‘ Denn doof ist gerade etwas an einer ganz anderen Stelle“, brachte es Mammitzsch auf den Punkt. Das betrifft den großen, aber eben auch den kleinen (Amateur-)Sport. „Es gibt Konsequenzen, die wir nicht wollten, dass sich Vereine vom Spielbetrieb abmelden mussten. Auf der anderen Seite ist es umso wichtiger, sich gemeinsam hinzusetzen und nicht nur aus Sicht des Fußballs zu überlegen, wie ein Stadionbetreiber-Konzept aussehen kann“, will Okun mehrere Vereine aus unterschiedlichsten Sportarten an einen Tisch holen. Denn: „Es gibt den Bedarf eines mittelgroßen Stadions. Und wir müssen an die Sanierung der Anlagen ran, wo auch der Hamburger Sportbund mit eingebunden werden muss!“

Autor: Dennis Kormanjos