Landesliga 03

Bergstedt am Boden – aber: „Es herrscht weder Untergangsstimmung noch gibt es Auflösungserscheinungen!“

21. Oktober 2021, 13:55 Uhr

Frisch aus dem Urlaub zurück, sprüht Tom Woltemath vor Tatendrang und will mit dem SV Bergstadt die Trendwende herbeiführen. Foto: noveski.com

„Das war der absolute Tiefpunkt“, macht Tom Woltemath deutlich. „Tiefer darf es auch nicht mehr gehen“, stellt der Übungsleiter des SV Bergstedt klar – und spricht damit auf die 0:12-Klatsche am vergangenen Sonntag gegen den Rahlstedter SC an. Eine Niederlage, die nicht nur mental schwer wiegt, sondern auch „körperliche Schmerzen“ verursacht. Woltemath selbst weilte – mit Kindern in den Herbstferien für gewöhnlich – im Urlaub. Nun ist er zurück in der Hansestadt und hat mit uns über die aktuelle Situation beim einzigen Landesligisten, der noch keinen Punkt auf der Habenseite hat, gesprochen…

Der letzte Liga-Sieg für Woltemath und dessen Bergsteiger datiert vom 08. Dezember 2019. Damals siegte der SVB mit 2:1 gegen den SVNA. Foto: Bode

„Es ist alles sehr speziell“, berichtet der 51-Jährige – und gesteht uns gegenüber: „Ich habe ja auch schon ein bisschen was mitgemacht, aber in der Form habe ich es auch noch nicht erlebt.“ Noch vor seinem Urlaub führte Woltemath ein Gespräch mit den Verantwortlichen des SVB – denn: „Die Ergebnisse sind nun mal nicht gut und ich will niemandem im Wege stehen.“ Aber: Die Offiziellen stehen hinter ihrem Übungsleiter. „Sie haben Vertrauen zu mir und wissen um die spezielle Situation, die wir haben. Es geht nicht um meine Person“, betont der langjährige Berne-Coach, der auch weiß: „Wenn du solche Ergebnisse stehen hast, dann liegt das nicht nur an einem Grund. Dann sind das mehrere Dinge, die zusammenkommen. Man verliert ja nicht mit 0:12, nur weil man einen schlechten Tag hat.“

"Die Säulen sind nach und nach weggebrochen"

Einerseits habe es mit der Qualität der Mannschaft zu tun. „Aber auch damit, dass wir in Bergstedt einen Umbruch fahren, der dem geschuldet ist, dass die Mannschaft über viele Jahre von Säulen getragen wurde. Jungs, die schon in der Jugend zusammengespielt haben. Diese Säulen sind nach und nach weggebrochen“, berichtet Woltemath unter anderem von „beruflichen Veränderungen“. Hinzu kommt, dass man an der Teekoppel auch keinen Unterbau mehr hat und in der A-Jugend viele Spieler noch zu jung sind, um im Herrenbereich aushelfen zu dürfen und zu können. „Wir mussten in der Corona-Zeit Spieler dazu holen, um überhaupt spielfähig zu sein und sicherzustellen, dass wir personell mit einem vernünftigen Kader in die Saison gehen.“

"Eigentlich haben wir keine Zeit für solche Spielchen"

Ganze 18 neue Akteure sind in den letzten anderthalb Jahren dazu gestoßen. Im Nachhinein – aufgrund von Corona – ein Zeitpunkt, der kaum unglücklicher hätte sein können. Denn: In Bergstedt musste man ein neues Gerüst aufbauen – ohne sich im Einzelnen mit den Spielern auseinandersetzen zu können, da wegen der Pandemie lange Zeit kein Training möglich war. Von einigen Jungs, „wo wir das Gefühl hatten, das passt nicht“, so Woltemath, habe man sich inzwischen schon wieder getrennt. „Es ist ein Prozess, den wir durchlaufen. Eigentlich haben wir gar keine Zeit für solche ‚Spielchen‘, aber wir haben auch keine Alternativen. Wir müssen gucken, eine Mannschaft zu formen, die für den SV Bergstedt diese Identifikation und den Spirit verkörpert, damit wir erstmal von diesen Ergebnissen wegkommen und im zweiten Schritt auch punkten können. Wir mussten diesen Umbruch machen. Aber es ist der schlechteste aller Zeitpunkte.“

"Wir kennen das Gefühl eines Sieges gar nicht mehr"

Berufsbedingt steht Kapitän John Limberg seinem Team nur sehr eingeschränkt zur Verfügung. Foto: noveski.com

Das vorrangige Ziel: „Erstmal auf Landesliga-Niveau zu kommen.“ Denn Woltemath macht auch keinen Hehl daraus: „Sicherlich sind wir aktuell nicht der Top-Favorit auf den Klassenerhalt.“ Allerdings bringt er es im übertragenen Sinne auch auf den Punkt: „Wenn man sowieso schon stolpert und auf die Fresse fällt, dann kackt dir auch noch die Taube ins Gesicht.“ Nichtsdestotrotz ist er sich der Situation bewusst. Sehr bewusst sogar. „Wir verlieren die Spiele ja nicht durch Pech“, spricht er darauf an, dass man inzwischen 15 Spiele – inklusive Testpartien – verloren habe. „Wir kennen das Gefühl eines Sieges gar nicht mehr. So etwas habe ich auch noch nicht erlebt. Und so richtig intelligente Antworten habe ich auch nicht parat.“

"Anschluss halten und versuchen, das Unmögliche möglich zu machen"

Dennoch gibt sich der Coach als absoluter Kämpfer. Ans Aufgeben verschwendet Woltemath keinen Gedanken: „Es herrscht keine Untergangsstimmung in Bergstedt und es gibt auch keine Auflösungserscheinungen.“ Vielmehr schätzt er die Situation überaus realistisch und ehrlich ein: „Wir spielen in einer Elfer-Staffel, in der nun mal sieben, acht Mannschaften besser sind. Wir müssen da hinkommen – und zwar schnellstmöglich, mit anderen Teams, die mit uns da unten stehen, auf Augenhöhe zu agieren.“ Und weiter: „Wir werden das Feld nicht von hinten aufrollen, aber es geht darum, den Anschluss zu halten und in der Rückrunde zu versuchen, das Unmögliche möglich zu machen. Um mehr geht es nicht – dafür ist die Staffel zu stark.“

"Andere Teams können es kompensieren - wir nicht"

Auf "Zehner" Sven Oldendorf (re.) mussten die Mannen von der Teekoppel bis dato komplett verzichten. Foto: Bode

Dafür müsse man nun eine gewisse Stabilität und ein Gerüst finden. Eines, das dem SVB abhandengekommen ist. Der langjährige Kapitän John Limberg steht den „Teekopplern“ berufsbedingt nur eingeschränkt zur Verfügung, „Zehner“ Sven Oldendorf konnte verletzungsbedingt noch gar nicht mitwirken – und die Riege der namentlichen Ausfälle könnte nahtlos fortgesetzt werden. „Das Problem haben andere Mannschaften auch. Der Unterschied ist nur, die können es kompensieren. Wir haben nicht diese Leistungsdichte. Wir müssen die Jungs finden, die für den Abstiegskampf geeignet sind und eine gewisse Identifikation mit dem Verein verkörpern. Wenn alle dabei und fit sind, dann haben wir eine Mannschaft, die zwischen Platz acht und zehn spielen kann“, sieht Woltemath die Lage sehr objektiv.

"Wir dürfen uns sportlich nicht mehr so abschlachten lassen"

Problem nur: „Wir befinden uns in einem Ausleseprozess, den du eigentlich im Rahmen einer Vorbereitung machen müsstest.“ Doch die fiel in diesem Jahr sehr kurz aus. „Man muss sich jetzt reinigen und die faulen Äpfel aussortieren.“ Wenngleich man „mit solchen Prozessen Zeit verlieren“ würde, „die wir nicht haben. Wir müssen jetzt einfach die Reset-Taste drücken und bei null anfangen.“ Denn Fakt sei auch: Niederlagen wie am vergangenen Wochenende „dürfen so nicht mehr passieren. Wir dürfen uns einfach nicht mehr sportlich so abschlachten lassen!“ Stattdessen fordert Woltemath vollen Einsatz. „Und dann müssen wir gucken, ob wir noch die Chance haben, den Anschluss zu finden.“

"Diesen Prozess werde ich gemeinsam mit den Jungs angehen"

Und das mit Woltemath als Chef-Dompteur. „So schwierig es auch ist – und wahrscheinlich ist es die schwierigste Situation, in der ich als Trainer gesteckt habe. Aber der Verein war zu mir immer sehr loyal, fair und offen – und hat sich mir gegenüber immer sehr korrekt verhalten, was ich sehr zu schätzen weiß. Deshalb fühle ich mich im Verein auch sehr wohl. Natürlich ist es eine Herkulesaufgabe und ich weiß auch nicht, wie sie ausgeht. Aber es geht nicht nur um den kurzfristigen Erfolg, sondern vor allem auch darum, eine Mannschaft zu installieren, damit der SV Bergstedt auch zukünftig eine Erste Herren hat, die konkurrenzfähig ist. Diesen Prozess werde ich gemeinsam mit den Jungs angehen – und da habe ich auch Lust drauf“, betont er, dass es „keine Nibelungentreue“ sei, sondern „eine gegenseitige Wertschätzung“. Er wisse genau „um die Thematik und Problematik“, so Woltemath. „Mit diesem Wissen muss man behutsam umgehen und die Schritte einleiten. Man muss handeln, Veränderungen herbeiführen, aktiv sein und gegensteuern – aber auch wissen, dass es Prozesse sind, die dauern.“

"Es ist auch ein gewisser Kitzel"

Ans Aufgeben verschwendet Woltemath keinen Gedanken. Vielmehr will er den Umbuch beim Landesliga-Letzten vorantreiben. Foto: Bode

Zeit, die man eigentlich nicht hat. Aber: „Wir schenken die Saison nicht schon ab! Das wäre grob fahrlässig. Es ist auch ein gewisser Kitzel dabei, wenn alle sagen, es gibt nichts Besseres, als gegen den SV Bergstedt zu spielen.“ Die Gegner seien zum großen Teil „stabil und haben ein vernünftiges Gerüst“, meint Woltemath. „Da kannst du nur dann mithalten, wenn du selbst eine gewisse Stabilität hast. Eine Mannschaft, die wirklich kratzt und beißt und die Grundtugenden abruft. Eine Mannschaft, die alles dafür tut, um sich im Abstiegskampf vernünftig zu präsentieren. Und vielleicht setzt ein Erfolgserlebnis dann ja auch etwas im Kopf frei“, hofft der Übungsleiter auf die Wende.

Autor: Dennis Kormanjos