Regionalliga-Meister

Aufstiegs-Dilemma: Ein aufgeschobenes und verlagertes Problem...

06. Dezember 2022, 07:23 Uhr

Dario Fossi und sein VfB Oldenburg haben die Zuschauerzahlen in der 3. Liga verfünffacht. Foto: KBS-Picture.de

Die bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass es den Klubs dadurch auch besser geht, denn viel zu viele Vereine versuchen mit hohem finanziellen Aufwand an den „großen Topf 3. Liga“ zu kommen oder umgekehrt den Absturz in die weniger lukrative Regionalliga zu vermeiden. Nicht nur „Konstrukte“ wie Türkgücü München und der KFC Uerdingen haben Probleme, insgesamt mussten in 15 Jahren 3. Liga zehn Vereine Insolvenz anmelden. Hinzu kommen freiwillige Abstiege und Vereine, die nach dem Abstieg um ihre Existenz bangen oder schon pleite gegangen sind, andere ziehen von sich die finanzielle Notbremse und sind in die Oberliga durchgereicht worden.

Am mangelnden Zuschauerzuspruch liegt es jedoch nicht, die Zuschauerzahlen sind vergleichbar mit denen von Zweitligisten in Italien, Frankreich oder Spanien. Der VfB Oldenburg hat nach dem Aufstieg seine Zuschauerzahl verfünffacht, der SV Meppen lag zu Regionalliga-Zeiten bei unter 1.4000 Zuschauern und hat aktuell deutlich über 6.000 Besucher. Selbst als eher unattraktiv geltende Zweitmannschaften haben mehr als 2.000 Zuschauer im Schnitt.

Naheliegende Lösung wird im Keim erstickt

Ein Altersdurchschnitt von 25,2 Jahren laut Transfermarkt.de ist nicht gerade der Rubrik „Jugend forscht“ zuzuordnen, ob die 3. Liga wirklich „bessere Förder- und Entwicklungsmöglichkeiten für junge Spieler“ bietet, mag jeder für sich selbst bewerten. Im Vergleich: Die „älteste“ Regionalliga-Staffel ist die Regionalliga West mit 24,5 Jahren im Schnitt.

Und obwohl man zumindest in Frage stellen kann, ob der DFB mit der 3. Liga wirklich seinen Ansprüchen gerecht wird, wurde den Regionalligisten bei den Gesprächen 2017 klar gemacht: An dem Konstrukt 3. Liga wird nicht gerüttelt, eine Lösung der Aufstiegsfrage, die über einen vierten Absteiger hinaus geht, müssen die Regionalligen unter sich ausmachen.

Eine eigentlich naheliegende Zweiteilung der 3. Liga in eine Nord- und Südstaffel, um das pyramidische System wieder her zu stellen, wurde im Keim erstickt. Dabei wäre es die logischste Variante: In jeder der beiden Staffeln könnte es drei Absteiger geben, wodurch bis zu sechs Aufsteiger möglich wären und alle Meister aufsteigen könnten, die Regionalliga Südwest könnte sogar ihren zweiten Aufstiegsplatz wieder bekommen.

Während die 3. Liga der Thematik „Meister müssen aufsteigen“ grundsätzlich offen gegenüber steht, solange das Thema auf Regionalliga-Ebene gelöst wird, sieht die Regionalliga ihre fünf Staffeln als unantastbar und sucht eine Lösung auf Ebene der 3. Liga. Neben der Zweiteilung der Liga wäre aus Sicht der Viertligisten ebenso die nun vom Nordostdeutschen Fußball-Verband vorgetragene Aufstockung der 3. Liga von 20 auf 22 Mannschaften eine Option. Ein zusätzlicher Absteiger, ein weiterer Verein bleibt drin. Alles gut, oder?

Verschlankung auf vier Staffeln die einzige reine Regionalliga-Option

Trotz sportlichem Erfolg: Dürftige Zuschauerkulissen sind bei der U21 des HSV in der Regionalliga Nord fast schon an der Tagesordnung. Foto: KBS-Picture.de

Eine 22er Staffel wäre ein Unikum im deutschen Profi-Fußball, ob das mit vier zusätzlichen Spieltagen überhaupt umsetzbar ist, ist offen. Klar, im englischen Profi-Fußball wird von der zweiten bis zur fünften Liga alles in 24er Staffeln gespielt, allerdings gibt es selbst dort nur vier Absteiger, keine fünf. Dass dort auch 46 Spieltage möglich sind, liegt daran, dass es auf der Insel keine Winterpause gibt. Sind die Mannschaften bereit, vier zusätzliche Spieltage unter der Woche zu bestreiten oder auf die Winterpause zu verzichten? Fraglich. Zudem hat die 3. Liga mehrfach deutlich gemacht, dass sie ihre Schuldigkeit mit dem vierten Absteiger getan hat und nun die Regionalligen am Zug sind.


Eine von anderen herbei gewünschte zweigeteilte vierte Liga zwischen der 3. Liga und der Regionalliga hat weder sportlich noch in Sachen Attraktivität/Vermarktung einen Mehrwert gegenüber einer zweigeteilten 3. Liga, würde vermutlich auf Grund des deutlich höheren Aufwandes zu weiteren Insolvenzen führen und zugleich die Regionalligen als dann 5. Liga abwerten.

So bleibt eine Verschlankung auf vier Staffeln die einzige reine Regionalliga-Option. Doch auch die zieht weitere Probleme nach sich. Weniger Staffeln bedeuten eine geringere Durchlässigkeit nach oben – drei bis vier Aufstiegsplätze aus den Oberligen würden wegfallen, so das hier womöglich weitere Aufstiegsspiele notwendig wären. Das Problem „Meister müssen aufsteigen“ würde also ohne zusätzliche Reformen unterhalb der Regionalliga nicht gelöst, sondern unter Umständen lediglich auf die Oberligen verlagert werden, wie es bereits jetzt im Norden der Fall ist.

Zahlen als Fakten

Zahlen als Fakten. Foto: Screenshot

Aber was hindert die Regionalligen nun eigentlich daran, auf der eigenen Ebene eine Lösung zu schaffen? Das Hauptproblem sind – neben dem logischen Selbsterhaltungstrieb der Regionalverbände - die Heterogenität und die unterschiedlichen Sichtweisen der Ligen, die sich in den Transfermarkt.de-Zahlen recht einfach belegen lassen (siehe Foto).


Gerade die zahlreichen Fans der Traditionsvereine der Regionalliga West sind sehr lautstark, was die Forderung nach direkten Aufsteigern bei Reduzierung auf vier Regionalligen angeht – selbstverständlich wird hier vorrangig auf die Regionalligen im Nordosten und Bayern gezeigt, die eigene Regionalliga ist unantastbar. Klar, denn die Regionalliga West befindet sich in einer komfortablen Situation: Attraktive Traditionsvereine die unter Profi-Bedingungen arbeiten, gute Zuschauerzahlen und viele Vereine auf relativ überschaubarem Raum – die größte Distanz müssen die Mannschaften aus Aachen und Rödinghausen zurücklegen, wenn sie gegeneinander spielen (289 km). Da sind die Entfernungen in der Oberliga Niedersachsen größer, wenn Aufsteiger Blau-Weiß Papenburg bei Lupo Martini Wolfsburg zu Gast ist (306 km).

Welcher Spieler soll das bewerkstelligen?

Bei der Regionalliga Bayern – geringere Zuschauerzahlen, viele „Dorfvereine“, die unter Halbprofi-Bedingungen arbeiten, sind es 451 km zwischen Wacker Burghausen und Viktoria Aschaffenburg. Sollte man also, wie von vielen gefordert und ursprünglich mal vorgesehen, die Regionalligen Südwest und Bayern zusammenfassen, wären es zum Beispiel zwischen Burghausen und Trier über 600 Kilometer. Welcher Spieler, der nicht unter Vollprofi-Bedingungen arbeitet, soll das bewerkstelligen, gerade bei Spielen unter der Woche? Bei der Distanz ist zudem eine Anreise am Vortrag mit Übernachtung notwendig. Das bedeutet neben dem höheren Aufwand für das Team deutlich höhere Kosten, die gerade für kleinere Vereine oftmals nicht mehr zu stemmen sind. Selbiges würde natürlich gelten, wenn man – wie ebenfalls immer wieder gefordert wird – die Regionalliga Nordost zerschlägt und der Regionalliga Nord zuordnet bzw. mit der Regionalliga Bayern zusammenführt. Mal eben von Emden nach Cottbus sind 611 km. Das würde dazu führen, dass nicht mehr der Oberligist aufsteigt, der es sportlich geschafft hat, sondern nur noch der, der es sich leisten kann.


Das alles sind Probleme, die man in der flächenmäßig kleinen Regionalliga West, in der man alle Stadien problemlos nach dem Frühstück anfahren kann, nicht kennt und bei der Forderung nach einer Regionalliga in vier Staffeln nicht berücksichtigt.

Eine "Insel der Glückseligkeit" - oder Reformen mit Sinn?

Der TSV Havelse ist nach dem Drittliga-Abstieg nur äußerst schleppend in Gang gekommen und krebste lange Zeit im Tabellenkeller der Regio Nord umher. Foto: KBS-Picture.de

Selbst möchte man durch den direkten Aufsteiger nur Nutznießer, nicht aber Teil der Umstrukturierung sein. Gestützt wird das vom DFB selbst, in dem er den Regionalligen West und Südwest zwei fixe Aufstiegsplätze zugesichert hat mit der Begründung, dass „die Gebiete von Ballungsräumen geprägt sind und gemeinsam mehr als 50 % der gemeldeten Männermannschaften in Deutschland umfassen“. Dies wird auch immer wieder als Argumentation heran gezogen, wenn es um eine Neustrukturierung der Regionalligen geht. Womit sich festhalten lässt: Die einen wollen nicht, weil sie sich in einer Komfortlage befinden. Die anderen können nicht, weil ihnen über noch weitere Strecke die Kosten bei ausbleibenden zusätzlichen Einnahmen über den Kopf wachsen.


Und so wird es vermutlich so lange nichts mit einer Reform auf vier Staffeln werden, bis die Regionalligen Einigkeit erzielen, ob man für eine Zuordnung der Ligen die Anzahl der Mitglieder als Ansatz nimmt (was zu Lasten der Flächenländer geht) oder die Fläche der jeweiligen Gebiete, was zum Nachteil der strukturstarken Gebiete im Westen und Südwesten geht. Zudem muss man sich die Frage stellen, ob die Attraktivität einzelner Regionalligen wirklich über dem Gesamtkonstrukt Regionalliga stehen sollte. Es ist zu befürchten, dass sich das Thema erst klärt, wenn alle Altlasten über Bord geworfen werden und man die Regionalligen-Struktur komplett neu denkt. Selbiges gilt für die 3. Liga. Auch hier wäre es ratsam, einmal objektiv von draußen drauf schauen lassen, ob es wirklich die Insel der Glückseligkeit ist, wie es nach draußen verkauft und von vielen in Frage gestellt wird oder auch hier Reformen Sinn machen würden.

Eigeninteressen, die nicht dem Gesamtblick entsprechen

Denn leider sitzt in diesem festgefahrenen Duell DFB/3. Liga gegen die Landesverbände auch keiner drüber, der Faust auf den Tisch haut. Denn der DFB, der laut Satzung „die Gesamtverantwortung für die Einheit des deutschen Fußball“ trägt und sich „in hohem Maße dem Gedanken des Fair Play verbunden“ fühlt, ist als verantwortlicher Verband für die Durchführung der 3. Liga verantwortlich und verfolgt damit auch Eigeninteressen, die nicht unbedingt dem Gesamtblick auf den Fußball entsprechen. Denn „Fair Play“ ist es sicher nicht, dass nicht alle Meister aufsteigen können.