Landesliga Hansa

Alle Achtung, Allermöhe: „110 Prozent-Sieg“ – und Hamm „hätte 20 Minuten nachspielen können, ohne nochmal zu treffen“

SVNA sorgt mit 3:1-Erfolg zu neunt für HUFC-Rückschlag im Titelkampf

26. April 2019, 23:43 Uhr

Jubel nach dem Treffer zum 2:0. DIe SVNA-Spieler beglückwünschen Torschütze Dustin Siegund (Zweoter v. re.). Foto: Both

Einen Moment lang dürfte Daniel Andrade-Granados in der 14. Minute des Auswärtsspiels seines SV Nettelnburg-Allermöhe bei Hamm United (Hier gibt’s den Live-Ticker der Partie zum Nachlesen) gegrinst und sich diebisch gefreut haben. Da zauberte der „Diamantenschleifer vom Dienst“ – ein Spezialist darin, junge Kicker zu entdecken und zu fördern – im Match gegen den Tabellenzweiten einen gewissen Dennis Öztürk in die Startelf. Am Mittwoch dieser Woche war der junge Mann gerade einmal 18 Jahre alt geworden, doch auf dem Feld benahm er sich schon wie ein ganz Großer: Dustin Siegmunds Pass in jener 14. Minute kam zu Öztürk und der hob die Kugel einfach mal mit einem Heber über Samuel Graudenz hinweg ins Netz. Zack, drin – 1:0. Der Startschuss zu einem fast perfekten Auftritt der Gäste, der am Ende in einem 3:1-Erfolg mündete.

„Das“, sagte Andrade-Granados, „muss man sich auch erst einmal trauen. Und dann noch gegen einen Klasse-Keeper wie Graudenz. Das Gute ist: Dennis wusste wahrscheinlich gar nicht, wie gut der ist!“ Na gut: Dann kann man eben auch schon mal so einen frechen Heber aus dem Hut zaubern, wie der Nettelnburger „Premieren-Mann“. Apropos zaubern: Davon war Hamm United vor 119 Zuschauern im Hammer Park ganz weit weg im ersten Durchgang. „Wir sind nicht ins Spiel gekommen, der Gegner war gut und sehr aggressiv – das hat man auch von außen gemerkt. Ich weiß nicht, ob wir uns davon haben anstecken lassen. In der ersten Halbzeit war das extrem dünn von uns“, hatte auch HUFC-Trainer Sidnei Marschall erkannt. Dessen Elf erhielt die Quittung dafür noch vor der Pause, als Dustin Siegmund zum 2:0 traf (42.). Keeper Graudenz machte dabei keine allzu gute Figur, als er aus dem Kasten eilte, dann aber vom Mann mit der Nummer neun auf dem Rücken des weißen Trikots einfach umspielt wurde.

Andrade: „Wie sich die Mannschaft in doppelter Unterzahl präsentiert hat, war bärenstark“

Aus dem Tritt gebracht: Lennart Feilke (vo.) befördert Hamms Eren Eröksüz auf der Außenbahn zu Boden. Foto: Both

Und es sollte noch besser für die Gäste kommen. Zwar hatte Andrade-Granados mit Öztürk und Siegmund seine beiden bis dahin erfolgreichen Torschützen schon vom Feld geholt, aber dafür sprang ein anderer in die Bresche: Oliver Franz, der nach Elyas Ebadis Freistoß davon profitierte, dass Graudenz nur nach vorn abwehren konnte – und da stand dann eben Franz, der nur noch einschieben musste (68.). Die berühmte Messe war gelesen, auch wenn United durch Dimitri Patrin (74.) noch einmal verkürzen konnte. Mehr war für den HUFC nicht drin – und das, wo die Equipe von Sidnei Marschall doch die letzten zwölf regulären und sechs Nachspiel-Minuten letztlich in doppelter Überzahl agierte: Erst sah SVNA-Kapitän Franz den „Carton rouge“ (78.), dann gab es für René Seibert die „Ampelkarte“ wegen eines wiederholten Foulspiels (82.). Während bei Seibert klar war, warum er frühzeitig duschen musste – auch wenn der Sünder es nicht wahrhaben wollte und wie Rumpelstilzchen auf dem Feld auf und ab sprang –, wusste bei Franz zunächst keiner, warum für diesen die Begegnung vorzeitig beendet war.

Referee Dominik Kopmann (Eintracht Norderstedt) beriet sich erst lange mit beiden Assistenten, ehe er Franz des Feldes verwies. „Ich habe nicht gesehen was da los war und ob man den Platzverweis geben muss“, konstatierte United-Übungsleiter Marschall, während sein Gegenüber Andrade-Granados nach dem Abpfiff zunächst auch nur spekulieren konnte: „Keine Ahnung, ich weiß nicht, was da los war. Ich denke, der Schiri wird nur einen von beiden Spielern gehört haben. Der Assistent sprach von einem 'falschen Wording'. Mehr kann ich nicht sagen.“ Also musate Franz letztlich selbst für Aufklärung sorgen. Schuld war wohl ein Wortgefecht mit Marcel Schwack, nachdem dieser sich in ein – so Franz – eher humorvoll gemeintes Verbalduell mit Jan Landau, den der SVNA-Abwehrmann lange kennt, eingemischt hatte. Sei's drum: Die finale Phase bestritt der SVNA in Unterzahl – und kassierte ein Lob dafür, wie das von statten ging: „Unser Sieg ist zu 110 Prozent verdient. Wenn man mal überlegt, wie sich die Mannschaft in doppelter Unterzahl präsentiert hat – das war wirklich bärenstark.“

Marschall: „Am Ende ist es vielleicht gut, dass wir noch ein Jahr Landesliga spielen“

Einer von zwei Platzverweisen: Referee Dominik Kopmann zeigt SVNA-Kapitän Oliver Franz (Dritter v. re.) die Rote Karte. Foto: Both

Doch das galt nicht nur für die letzten Minuten. „Ich bin unglaublich stolz auf meine Mannschaft, wie sie als Team eine Reaktion auf die letzten Spiele gezeigt hat, die für uns ergebnismäßig nicht so waren, wie sie hätten sein können. Bei Hamm kann ich mich nur an den Lattenknaller (Landau visierte nach 56 Minuten aus sieben Metern den Querbalken an, Anm. d. Red.) erinnern, ansonsten muss ich sagen: Wir haben das sehr gut verteidigt“, bilanzierte Andrade-Granados. „Am Ende“, so „DAG“ weiter, „sind bei uns die Kräfte geschwunden. Wir haben sehr laufintensiv gespielt, zudem ist der Rasen nicht unser Standardboden, sondern ein ungewohnter Belag – dazu kam ja auch noch der Regen. Trotzdem: Für die Zuschauer war es ein schönes Spiel. Für uns natürlich noch einen Tick schöner durch das Ergebnis. Es macht immer mehr Spaß, gegen Teams, die auch Fußball spielen. Und Hamm hat das getan und gezeigt, dass sie eine brutale Qualität haben. So ein Spiel ist mir lieber als eines, das man als 'Maurerarbeiten und Beton einreißen' bezeichnen muss“, schloss der Coach der Gäste sein Fazit. Die Vorlage mit der Qualität übrigens nahm Sidnei Marschall anschließend dankend an.

„In der zweiten Hälfte haben wir ein bisschen mehr Gas gegeben als in der ersten. Normalerweise muss der Schiri länger als die sechs Minuten nachspielen lassen – allein die Unterbrechung bei der Roten Karte war sechs Minuten lang“, begann der United-Coach sein Statement, „aber wir hätten auch 20 Minuten nachspielen können, ohne nochmal zu treffen. Wir treffen die Latte, bringen den Ball zu oft nicht aufs Tor sondern legen nochmal quer. In unserer Situation müssen wir draufhauen und Treffer erzwingen. Wir hätten in Ruhe unseren Fußball spielen müssen, das haben wir auch gegen neun Mann nicht geschafft. Da müssen wir ständig die Seiten wechseln und den Gegner laufen lassen – die Qualität haben wir. Das können sie nicht verteidigen. Aber wir haben zu oft das Schwere oder Falsche gemacht.“ Und das mündete dann eben im Dämpfer im Rennen um den Aufstieg. „Bramfeld spielt auch nicht gut, aber die gewinnen. Ich lese immer, sie spielen nicht gut, aber sie holen trotzdem drei Punkte. Zwischen denen, uns und Lohbrügge entscheidet sich das Rennen. Ich weiß nicht, ob es für uns langt. Am Ende ist es vielleicht gut, dass wir noch ein Jahr in der Landesliga spielen. Es ist ein Lernprozess...“, sagte Marschall und erklärte wieder einmal: „Das hört sich zwar doof an: Wir wollen einfach Fußball spielen und gucken, was dabei rauskommt...“

Jan Knötzsch