Kleinschmidt-Kapriolen - T05 nimmt Fahrt auf, hat Bock und macht den Trainer „happy“

Condor kassiert nach Pausenführung ein halbes Dutzend in 45 Minuten

27. November 2017, 00:19 Uhr

Seit Wochen in bestechender Form: Nick Gutmann (re.) glänzte wieder als Doppeltorschütze und sorgte für die Wende. Foto: KBS-Picture

Er schnürte sich noch einmal seine Schuhe – und dann schritt er zur Tat: Stefan Winkel musste in den ersten 45 Minuten mit einem Platz auf der Bank vorlieb nehmen, ehe er den blassen Felix Dieterich vor Beginn des zweiten Abschnitts – beim Stand von 0:1 aus Teutonen-Sicht – ersetzte. Und wie er das tat! Selbst sein Trainer Sören Titze, der stets darum bemüht ist, die gesamte Mannschaft lobend hervorzuheben und immer wieder betont, dass ein Spieler nur glänzen kann, wenn er von seinen Teamkameraden in Szene gesetzt wird, schwärmte: „Er hat heute, das muss man neidlos anerkennen, eine richtig klasse Partie gemacht, kaum einen Fehlpass gespielt und jeden Ball scharf vors Tor gebracht.“

Stefan Winkel kam gegen seinen Ex-Klub zur zweiten Halbzeit und zeigte eine starke Vorstellung. Foto: KBS-Picture

Da der SC Condor in der ersten Spielhälfte nicht nur „richtig Lust aufs Verteidigen“ hatte, wie Übungsleiter Christian Woike befand, sondern auch noch in der Offensive „das Glück, das wir in den letzten Wochen nicht hatten“, erzwang, führten die Farmsener gegen den Favoriten von der Kreuzkirche gar nicht mal unverdient mit 1:0. Allerdings leisteten die Gäste dabei gewaltige Schützenhilfe – und zwar in Person von Torhüter Mirko Oest. „Das passiert ihm nicht so häufig“, musste auch Titze erst einmal schlucken, als Condors Gökhan Iscan einen Freistoß kurz ausführte und Kevin Mellmann, der mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht gen Halbzeitpause marschierte, einfach mal aus gut und gerne 30 Metern den Abschluss suchte. Oest postierte sich nicht nur zu weit vor seinem Gehäuse, sondern ließ den zentral getretenen Ball auch noch durch die Hände flutschen, sodass die Kugel über die Linie hoppelte (30.). Ein dicker Fauxpas! Dennoch: „Wir hatten als Mannschaft eine gute Körpersprache, haben auch viele zweite Bälle bekommen und auch die Abstände haben gestimmt. Das hat wirklich Spaß gemacht“, war Woike mit dem Auftritt seiner Mannen im ersten Durchgang vollauf zufrieden – zumal er auch nur eine echte Chance für die 05er ausmachte, als Nick Gutmann nach einem Arifi-Zuspiel auf einmal ungehindert Maß nehmen konnte, aber knapp am linken Torwinkel vorbei schoss (20.).

Gutmann erhört Trainer-Wunsch

Das „Trio infernale“ v. li.: Stefan Winkel, Nick Gutmann und Veli Sulejmani. Foto: KBS-Picture

„Wir sind eigentlich ganz gut ins Spiel gekommen und haben einen tief stehenden Gegner, der uns wenig Räume gibt, erwartet. Deshalb wollten wir versuchen, über die außen unsere Lücken zu finden. Das ist uns eigentlich gar nicht so schlecht gelungen. Wir hatten das Spiel auch ganz gut im Griff, aber es fehlte manchmal der letzte Ball oder die Entschlossenheit“, analysierte Titze, der seiner Mannschaft „ganz großen Respekt“ zollte, dass sie trotz des Gegentores – vor allem aufgrund der Art und Weise des Zustandekommens – „gut weitergespielt und sich nicht von ihrem Spiel hat abbringen lassen. Wir haben in der Halbzeit angesprochen, dass wir unsere Chancen bekommen werden, wenn wir so weiterspielen und das Tempo weiter hochhalten. Irgendwann werden die Lücken da sein.“ Und sie waren da, sogar recht schnell nach Wiederanpfiff. So groß, dass SCC-Angreifer Jannick Martens wie ein Rohrspatz über das passive Abwehrverhalten seiner Elf schimpfte. Denn ein langer Abschlag von Oest leitete den Ausgleich ein. Der nun immer stärker aufspielende Veli Sulejmani legte für Nick Gutmann ab – und dieser spazierte schnurstracks durchs Mittelfeld bis an den gegnerischen Strafraum, wo er mit seinem schwächeren linken Fuß abschloss und das Leder in den rechten Giebel jagte – 1:1 (50.)! „Das ist natürlich genau das, was man sich als Trainer wünscht – ein so schnelles Tor nach der Pause“, frohlockte Titze.

Kleinschmidt patzt doppelt - Teutonia zieht in kurzer Zeit davon

Jannick Martens (li.) war bei Danijel Suntic und Co in besten Händen. Foto: KBS-Picture

In der Folge hatte Condor jedoch zwei Chancen auf die erneute Führung: erst strich Martens‘ Distanzschuss nur knapp am langen Eck vorbei (55.), ehe Mike Theis hinter seinen Kopfball nicht genügend Druck und Präzision bekam – denn Platz hatte er in jener Situation allemal genug (56.). Doch dann leiteten zwei ganz üble Böcke vom sonst so zuverlässigen Sascha Kleinschmidt die Pleite seiner Farmsener ein. Zunächst ließ er sich von Gutmann, der einen Doppelpass mit Jeton Arifi spielte, aus rechter Position im kurzen Eck düpieren (63.)! Keine 120 Sekunden darauf rutschte ihm ein völlig harmlos anmutender 25-Meter-Schuss von Sulejmani, der flach und direkt auf Kleinschmidt zusteuerte, durch die Finger – dabei hatte er das Spielgerät eigentlich schon sicher. Und urplötzlich hieß es nach diesem Doppelschlag 1:3! „So schnell hintereinander, das ist für den Gegner natürlich ein Nackenschlag“, erkannte ach Titze. Während dessen Gegenüber meinte: „Zuerst kassieren wir ein relativ schnelles Tor, das die Euphorie, die in der Halbzeit beim Gegner durch die Trainer und bestimmt auch durch die Mannschaft selbst entfacht wurde, noch einmal befeuert. Das war für mich dann auch so eine Art Schlüsselszene. Denn es ist nicht immer nur entscheidend, dass Tore fallen, sondern auch, wie die Tore fallen. Und wenn man sich die ersten drei Gegentore anguckt, dann muss man einfach festhalten, dass wir momentan nicht in der Lage sind, uns davon zu erholen und Antworten zu finden.“

Winkel und Sulejmani drehen auf - „Haben keine Mittel, uns dagegen zu wehren“

Veli Sulejmani holt zum Schuss aus... Foto: KBS-Picture

Für die Antworten waren in der Folge ausschließlich die „Kreuzkirchler“ zuständig – auch, weil der nun im Spiel befindliche Stefan Winkel gegen seinen Ex-Klub richtig aufdrehte. Dem vierten Treffer ging zum wiederholten Male ein langer Oest-Abstoß voraus, der von Vincent Boock in den Lauf von Winkel geleitet wurde. Dieser marschierte die linke Seite runter und fand den in der Mitte sträflich frei gelassenen Sulejmani, der keine Mühe mehr hatte (77.)! Drei Zeigerumdrehungen vor Ultimo schüttelte Danijel Suntic im gegnerischen Sechzehner Till Daudert wie eine lästige Fliege ab und servierte Arifi das 5:1 auf dem berühmten Silbertablett (87.), ehe Sulejmani nach einer butterweichen Flanke von André Friebe aus dem linken Halbfeld per Flugkopfball das halbe Dutzend vollmachte (89.)! Die Hausherren hatten sich mittlerweile längst ihrem Schicksal ergeben.

„Es gab eine kurze Phase, wo wir etwas lässiger waren, die Zweikämpfe nicht mehr angenommen haben und nicht mehr die letzte Überzeugung hatten. Aber dann haben wir wieder Fahrt aufgenommen und hatten richtig Bock, weiter nach vorne zu spielen. Am Ende haben wir dann auch fast jede Chance genutzt“, resümierte Titze, der „natürlich glücklich“ war. „Aber ich glaube auch, dass es nicht so viele Trainer gibt, die nach einem 6:1 nicht happy sind.“ Ganz anders war die Stimmungslage natürlich bei „Crille“ Woike, der monierte: „Es geht ja nicht nur darum, dass wir die Gegentore bekommen, sondern auch wie wir sie bekommen und in welcher Geschwindigkeit. Danach hatten wir gegen eine fußballerisch bessere Mannschaft auch keine Mittel mehr, uns dagegen zu wehren. Dass wir dann aber gleich sechs Stück in einer Halbzeit kriegen, ist natürlich viel – und sicherlich auch nicht das, was wir wollen, was wir können und was unser Bestreben war. Wir haben in der zweiten Halbzeit ganz einfach den Fehler gemacht, den man gegen Teutonia eben nicht machen darf, ihnen die nötigen Räume zu geben. Und wir haben nicht mehr so lustvoll verteidigt.“

„Wenn er das jede Woche so bringt, haben wir noch viel Freude mit ihm“

... und lässt Sascha Kleinschmidt ganz schlecht aussehen. Foto: KBS-Picture

Dass Sören Titze nahezu jede Woche die Qual der Wahl hat, welche elf Spieler er ins Rennen schickt, ist einerseits sicherlich ein Luxusproblem, kann andererseits aber auch zur Unzufriedenheit des einen oder anderen Akteurs führen. „Kein Fußballer ist glücklich, wenn er auf der Bank sitzt. Das soll auch nicht so sein, denn die will ich auch nicht haben. Wir wollen die Spieler mit Mentalität, die Gas geben und dem Trainer zeigen: Pass auf, ich bin voll da. Und wenn das dann so klappt wie heute, dann freut man sich natürlich als Trainer“, sprach Titze auf Nachfrage noch einmal auf die positive Leistung von Stefan Winkel nach dessen Hereinnahme an. „Das, was er gesagt bekommen hat, hat er total umgesetzt. Er ist gelaufen, er hat für die Mannschaft gearbeitet – und wenn er das jede Woche so bringt, dann werden wir noch viel Freude mit ihm haben. Generell kriegen wir das in den letzten Wochen sehr gut hin, dass wir eben auch Qualität von der Bank bringen können. Wenn der Akku beim einen oder anderen Spieler vielleicht nach 60 oder 70 Minuten nachlässt – auch beim Gegner –, und da kommt nochmal ein Frischer, der einen obendrauf setzen kann, dann macht das auch mal den Unterschied aus.“ Und wieder haben es die Titze-Kicker geschafft, in den zweiten 45 Minuten noch einmal eine gewaltige Schippe draufzulegen.

Autor: Dennis Kormanjos

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