Regionalliga Nord
Qestai löst „Social Media-Boom“ aus: ETV sorgt für Knalleffekt – auch in Norderstedt!
Maurice Boakye (li.) bejubelt seinen traumhaften Solo-Slalomstangen-Lauf und Schlenzer in den Winkel zur 4:0-Pausenführung für seinen ETV. Foto: Heiden
Erfolgreiche Startelf-Premiere in dieser Saison für den lange angeschlagenen ETV-Torjäger Dominik Akyol: Ein Tor, zwei Vorlagen. Foto: Heiden
Keine 180 Sekunden waren an der Hagenbeckstraße vorüber, als Marc Bölter die Pannenshow der Gäste aus Norderstedt mit einem kapitalen Fehlpass ins Zentrum eröffnete. Nutznießer war der dazwischen spritzende Blerim Qestai, der einige Meter mit dem Ball am Fuß machte und mit einer ungeheuren Flugkurve aus 25 Metern in den rechten Giebel jagte (3.)! Eintracht-Keeper Arne Exner konnte dem Ball und dem Einschlag nur hinterherschauen. Der Beginn einer schier unglaublichen ersten Halbzeit – sowohl aus ETV- als auch aus Norderstedter Sicht.
„Wir haben einfach immer weiter und weiter gemacht, daran geglaubt und in der ersten Halbzeit mit wenigen Chancen viele Tore erzielt“, befand Atamimi. Ganz anders sah das auf der anderen Seite aus. Bester Beweis für den desolaten Auftritt der Gäste: Nach 35 Minuten hatte Trainer Olufemi Smith bereits zwei seiner Akteure leistungsbedingt „erlöst“. Erst erwischte Bölter die Höchststrafe (29.), dann wurde Noah Musse (35.) vorzeitig ausgewechselt. „Ich hätte auch zehnmal wechseln können, aber ich darf ja nur fünfmal“, so ein verärgerter Smith. Musse leistete sich einen kapitalen Aussetzer vor dem 0:3 und die unfreiwillige Vorarbeit für Dominik Akyol, der uneigennützig für Niklas Bär querlegte (32.). Zuvor ließ Akyol die Garstedter Defensive und auch den überaus unglücklichen Exner nach einem Doppelpass mit Malik Yago ganz alt aussehen (20.)!
4:0 zur Pause: "Ich habe die Jungs reden lassen"
Malik Yago (li.) - hier gegen Kevin Prinz von Anhalt - mit einer artistischen Einlage und einer bockstarken Leistung. Foto: Heiden
Doch damit nicht genug. Die Kirsche auf die Eimsbütteler Torte setzte Maurice Boakye – und wie er das tat! Der eingewechselte Noah Awuku, der nach seiner Hereinnahme unglaublich fehlerbehaftet agierte, vertändelte in der Vorwärtsbewegung gegen Can Yildiz die Kugel und dann ließ Boakye auf halblinks zunächst Moritz Frahm, dann den zurückeilenden Awuku schlecht aussehen, spurtete mittig an beiden Slalomstangen vorbei und zirkelte das Spielgerät aus 15 Metern linker Position in den rechten Winkel – 4:0 (41.)! Der nächste Geniestreich!
Auf Nachfrage, ob er in der Pause laut geworden sei, entgegnete Smith: „Nein, ich habe die Jungs reden lassen. Ich glaube, sie haben in der ersten Halbzeit gar nicht miteinander kommuniziert. Deshalb habe ich sie aufgefordert, einfach mal anzufangen, zu reden. Ganz zum Schluss habe ich ein paar Sätze dazu verloren. Aber es wurde nicht laut.“ Obwohl seine Equipe nach dem frühen Rückstand durchaus die Möglichkeiten hatte, um in das Spiel zurückzukommen, habe sein Team sämtliche Tugenden vermissen lassen: „Die haben sich in alles reingeworfen, mit Leidenschaft in die Bälle geschmissen und verteidigt. Nur so geht’s, so muss das sein. Das erwarte ich auch von meiner Mannschaft. Und das war heute nicht da, was erstaunlich ist, weil wir seit Tagen von nichts anderem sprechen und genau darauf hingewiesen haben.“ Aber: „Sätze sprechen und auf dem Platz Leistung sprechen lassen – das sind zwei Paar Schuhe. Es geht um die Umsetzung – und das war entschieden zu wenig“, fand Smith klare Worte.
5:0 gegen Norderstedt? "Nie im Leben habe ich das für möglich gehalten"
Niklas Bär (Mi.) bejubelt seinen Treffer zum zwischenzeitlichen 3:0 und dankt Vorbereiter Dominik Akyol. Foto: Heiden
Es sei „extrem wichtig“ gewesen, so Atamimi unterdessen, „dass wir zu Null in die Halbzeit gegangen sind. Nach dem 2:0 hat man gespürt: Hier ist was drin! Aber wir wussten auch, dass Norderstedt nach der Pause viel Druck machen und versuchen wird, auf das Tor zu gehen.“ Doch entweder stand der Eintracht der Innenpfosten, wie im Fall von Kevin Prinz von Anhalt (66.), das eigene Unvermögen oder der von Atamimi gelobhudelte Viktor Weber im ETV-Gehäuse im Weg: „Vik hat heute überragend gehalten“, konnte sich der Übungsleiter auf seinen Rückhalt verlassen. Und statt der großen Aufholjagd ging auch der zweite Abschnitt an den Aufsteiger.
Der keine 60 Sekunden auf dem Platz befindliche Nick Leptien veredelte einen Angriff über Yago und den starken Akyol, weil der indiskutable Frahm bei Yagos langem Ball etwas zu phlegmatisch wirkte (71.). Beinahe hätte auch noch Joker Dilan Mohamed zugeschlagen und das halbe Dutzend vollgemacht, schoss aber freistehend am langen Eck vorbei (90. +3). Machte aber nichts – denn auch so war es eine absolute Gala vom bisherigen Schlusslicht und ein Ergebnis, mit dem selbst der Cheftrainer im Vorfeld nicht ansatzweise rechnen konnte: „Wir befinden uns im Abstiegskampf und gewinnen gegen Norderstedt 5:0? Nie im Leben! Ich bin einfach mega stolz und mega glücklich“, fielen Atamimi gleich mehrere Steine vom Herzen.
"Das war in allen Belangen nicht Regionalliga-würdig!"
Norderstedt-Coach Olufemi Smith war nach der 0:5-Packung mächtig bedient und verlor gewohnt klare Worte zum Auftritt. Foto: Heiden
Das Fazit seines Gegenübers: „Katastrophal! Ein unterirdischer Auftritt von uns – das muss man klar so benennen. Das ist ein großes Thema, was wir da haben, was scheinbar zwischen den Ohren liegt. Denn anders kann ich mir diese Leistung nicht erklären“, holte Smith seine Elf nach Schlusspfiff noch einmal zusammen. „Natürlich haben wir unsere Erwartungshaltung mit den Jungs geteilt und klar zum Ausdruck gebracht, dass das komplett am Thema vorbei war. Das war in allen Belangen nicht Regionalliga-würdig! Und das zieht sich jetzt mittlerweile so durch, dass wir diese Wellenbewegungen immer wieder drin haben“, sprach er unter anderem auf das 5:6 beim Bremer SV und das Pokal-Aus beim USC Paloma (1:3) an. „Das ist absolut nicht in Ordnung!“
"Ich halte überhaupt nichts von einem Straftraining"
Ein Sieg für das Selbstvertrauen, für das Torverhältnis und für die Tabelle: Der ETV hat die "Rote Laterne" an Kilia Kiel abgegeben. Foto: Heiden
Also: Straftraining wie beim HSV nach dem 1:2-Debakel in Osnabrück? „Ich halte überhaupt nichts von einem Straftraining. Ein Training ist keine Strafe, sondern wir trainieren, weil wir uns verbessern wollen. Es wäre ja schlimm, wenn das eine Strafe wäre, zum Fußball zu gehen. Aber wir müssen natürlich ganz klar die Dinge ansprechen, die in so einem Spiel zu Tage gekommen sind. Von der Mentalität, der Einstellung und der Bereitschaft war der ETV heute besser – und das kann nicht sein. Ich bin natürlich restlos bedient und glaube, so geht es hoffentlich allen, die ein Norderstedt-Trikot getragen haben. Wir müssen schleunigst ein anderes Mindset reinbekommen und die Spiele anders angehen“, forderte Smith abschließend.