Oberliga

Siegfried sprintet SVCN davon: Rothosen jubeln - aber Wacker will „noch nichts feiern“

04. Februar 2023, 19:45 Uhr

Marcell Jansen (2. v. li.) und Brayann Kouakou bejubeln das 1:0 für ihre Rothosen durch Sebastian Schmalbach. Foto: Bode

Noch bevor die offizielle Pressekonferenz im wiedereröffneten Vereinsheim des SV Curslack-Neuengamme abgehalten wurde, flachste SVCN-Trainer-Legende Torsten Henke, inzwischen als Sportlicher Leiter tätig, in Richtung Vereins-Präsident Hartmut Helmke: „Irgendwann musst du mal ein Tor schießen!“ Ein durchaus süffisant gemeinter Kommentar, der aber irgendwie sinnbildlich für die aktuelle Lage und den Auftritt der „Gramkowwegler“ steht. „Ich weiß, wie sehr das wehtut, wenn man vom gegnerischen Trainer hört: ‚Ihr habt echt ein super Spiel gemacht.‘ Aber am Ende steht man wieder mit nichts da. Deswegen will ich mir das jetzt so ein bisschen ersparen“, begann Torben Wacker sein Statement - und erntete dafür ein anerkennendes Nicken von Marcello Meyer.

Haderte mit diversen Aktionen und stand ein bisschen sinnbildlich für die Harmlosigkeit vor dem gegnerischen Tor: SVCN-Angreifer Arnold Lechler. Foto: Bode

Das Oberliga-Schlusslicht vom Deich versuchte alles (die Highlights im LIVE-Ticker). „Von der Einstellung kann ich der Mannschaft nichts vorwerfen“, musste auch Spielertrainer Meyer anerkennen. Aber: Der SVCN hätte wohl noch den ganzen Abend und die Nacht durchspielen können, ohne das Runde im gegnerischen Eckigen unterzubringen. Der Angriff von Curslack war weniger als ein laues Lüftchen. Man erspielte sich Chancen, vergab diese aber kläglich, agierte zu umständlich oder rutschte auch mal mit drei Mann am Ball vorbei. „Ich glaube, dass wir seht demütig sein müssen“, verfiel HSV III-Coach Wacker keineswegs in Euphorie, da er genau wusste: „Wenn das Spiel anders verläuft, liegen wir zur Pause hinten. Eigentlich müssen wir sogar hinten liegen.“

"Wir belohnen uns nicht, sind nicht zielstrebig und zwingend genug"

Bezeichnend: Innenverteidiger Sebastian Spiewak, der elf Minuten vor Ultimo als Mittelstürmer eingewechselt wurde, strahlte bis zum Schlusspfiff mehr Präsenz und Gefahr aus, als Arnold Lechler und sämtliche Teamkollegen zusammen. „Wir wussten um die Wichtigkeit des Spiels und auch, dass uns mit dem HSV eine Mannschaft erwartet, die versucht, flach durchs Zentrum aufzubauen und Fußball zu spielen. Das haben wir in der ersten Halbzeitsehr gut verteidigt“, befand Meyer. „Wir wussten auch, wenn wir sie früh und gut attackieren, dass dann viele lange Bälle auf Jansen kommen werden. Auch darauf waren wir vorbereitet. Wir müssen einfach das 1:0 machen. Die Chancen waren da - aber wir belohnen uns einfach nicht, sind nicht zielstrebig und zwingend genug. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die Saison. Und dann verlierst du so ein Spiel.“

Siegfried schüttelt Gegenspieler ab

Marcell Jansen (Mi.) im Luftkampf um den Ball mit Curslack-Kapitän Witalij Wilhelm. Foto: Bode

Nicht nur, weil offensiv der Schuh drückt, sondern auch, weil man sich im Defensivverhalten zum Teil kapitale und schier unglaubliche Aussetzer leistet. Beispiel: Dem 0:1 ging ein Einwurf (!) von Tom Burmeister direkt vor der Rothosen-Bank voraus. Der bärenstarke Simon Siegfried zündete den Turbo, während der eingewechselte Louis Jacobs nur hinter- und nebenher trabte. Fast auf der Grundlinie angekommen und inzwischen drei Gegenspieler abgeschüttelt, durfte Siegfried auch noch ohne Gegenwehr Querziehen. Seinen Querpass verwertete am ersten Pfosten Joker Sebastian Schmalbach ins kurze Eck (59.)!

Jansen: "Haben in der zweiten Halbzeit Charakter gezeigt"

Simon Siegfried (Mi.) war der überragende Mann auf dem Platz und bereitete beide Tore mustergültig vor. Hier im Duell mit Bombek (li.) und Giese. Foto: Bode

„Das ist dann wieder die alte Leier und ich glaube, dann kann man so langsam eine Platte auflegen, die man jede Woche abspielt“, haderte Meyer. „Du fängst dir das 0:1 - und wenn du dann unten stehst, dann fängt der Kopf wieder an zu arbeiten. Du stehst höher und fängst dir direkt das 0:2“, sprach er auf das an, was keine 180 Sekunden darauf folgen sollte. Diesmal war es Artur Krüger, der Siegfried mit einem sensationellen und perfekt getimten „Diago“ auf dem rechten Flügel in Szene setzte. Der „Blondschopf“ ließ nun Witalij Wilhelm stehen und sah im Rücken der Abwehr den alleingelassenen Brayann Kouakou, der das Leder gar nicht voll traf, aber dennoch ins lange Toreck „stolperte“ (62.)!

„Wir haben in der zweiten Halbzeit Charakter gezeigt“, stellte Marcell Jansen unmittelbar nach Schlusspfiff in Richtung seiner Teamkollegen fest. Und auch Wacker freute sich, dass seine Rothosen auf die Kabinenpredigt die richtige Antwort gaben: „Wir haben überhaupt nicht in unser Spiel gefunden, weil Curslack das gut gemacht, uns gut gepresst hat und wir fast jedes Mal zweiter Sieger waren. Da hat man einfach gemerkt, dass Curslack viel mehr gebrannt hat und den Sieg viel mehr wollte. Genau das habe ich der Mannschaft in der Halbzeit auch gesagt, dass man rausgehen und genau weitermachen kann. Dann verlierst du hier zu 100 Prozent. Oder du gehst halt raus und zeigst ein ganz anderes Gesicht. Und ich glaube, dass wir dieses andere Gesicht definitiv gezeigt haben.“ Da das Spiel aber „auch anders hätte ausgehen können und darüber sollten wir uns im Klaren sein, ist es wichtig, demütig zu sein.“

"Nervt mich extrem, wenn ich so eine Leistung sehe"

Brayann Kouakou (Mi.) entwischt Jannik Mohr (li.) und Moritz Kühn, der aus unzähligen Aktionen über rechts nichts Produktives zustandebrachte. Foto: Bode

Er werde „niemals Namen nennen“, so Wacker. „Aber ich glaube, dass der eine oder andere nicht das gezeigt hat, was er letzte Woche gegen TuRa gezeigt hat. Dass du nicht jede Woche 100 Prozent abrufen kannst, darüber müssen wir nicht reden. Wir sind alle nur Menschen und es ist für uns alle ein Hobby. Aber wir investieren und opfern super viel Zeit in das ganze Ding. Und dann nervt es mich einfach extrem, wenn ich gefühlt anderthalb Stunden herfahre und dann so eine Leistung von dem einen oder anderen Spieler sehe. Deswegen war es wichtig, in der Kabine nochmal deutliche Worte zu finden“, erklärte der HSV III-Coach - und konstatierte zugleich: „Wir können besser Fußball spielen, aber das ist scheißegal. Wir haben in den zwei Spielen gegen die direkte Konkurrenz sechs Punkte geholt und kein Gegentor kassiert. Von daher: Ein großes Kompliment an die ganze Mannschaft - vor allem für die zweite Halbzeit. Wir haben es leidenschaftlich verteidigt und nicht mehr viel zugelassen.“

"Ich werde niemals aufgeben!"

Erzielte das wichtige 1:0 für die Gäste: Der zur zweiten Halbzeit eingewechselte Sebastian Schmalbach (li.). Hier beim Torjubel mit Dominik Jordan. Foto: Bode

So groß die Freude auf der einen Seite war, so groß war die Ernüchterung auf der anderen. „Jeder kann die Tabelle lesen“, schwimmen dem SVCN so langsam die Felle davon. „Niemals aufgeben - das ist meine Parole. Ganz egal in welcher Lebenslage oder gegen wen es geht. Natürlich ist das heute für uns super frustrierend. Aber ich sehe im Training, dass die Mannschaft lebt und dran glaubt. Das macht mir Mut. Und ich bin sowieso grundoptimistisch und werde niemals aufgeben. Aber wir müssen einfach mal irgendwie einen Ball über die Linie drücken und mal eklig ein Tor schießen. Du gewinnst halt keine Spiele durch Ballbesitz, schöne Kombinationen oder Schulterklopfer“, brachte Meyer die missliche Lage auf den Punkt. „Ob verdient oder unverdient - das ist am Ende des Tages egal.“

Die drei Punkte verbuchte der HSV III - und hat damit schon zehn Zähler Vorsprung auf Curslack. Dennoch beteuerte Wacker abschließend: „Ich feiere, stand jetzt, gar nichts!“ Denn noch ist alles eng beisammen und einige wichtige Spiele zu gehen...

Autor: Dennis Kormanjos