Oberliga

Der „junge Spund“ krönt die „Palzer-Legenden-Woche“!

19. August 2022, 23:42 Uhr

Grenzenloser Jubel bei Vicky-Coach Sören Titze (Mi.) und seinem SCV nach dem 2:1-Siegtreffer durch Luca Palzer. Foto: Küch

„Man ist in dem Moment voller Adrenalin und denkt sich einfach nur: ‚Mach ihn!‘ Das dachte ich mir bei den Szenen davor aber auch. Und dann kommt dieser junge Spund“, hatte Sören Titze gut lachen – und sprach auf den Moment an, als Luca Palzer von Timo Stegmann auf die Reise geschickt wurde, mit Tempo auf Sebastian Kalk zueilte, den Dassendorfer Torsteher umkurvte und zum viel umjubelten 2:1-Sieg des SC Victoria Hamburg einschob (85., alle Highlights im LIVE-Ticker). „Das freut mich wirklich für den Jungen, weil er in jedem Spiel und in jedem Training sein letztes Hemd gibt. Damit hat er sich belohnt“, strahlte der Cheftrainer des SCV – und lobhudelte seinen mutigen Youngster, der bereits am Mittwochabend im Pokalspiel der Victorianer beim USC Paloma den entscheidenden Elfmeter zum 8:7-Sieg verwandelte. Titze trocken: „Das ist eine echte Palzer-Legenden-Woche!“

Nick Scharkowski (2. v. re.) - hier gegen Lennard Sowah - hatte die erste große Chance des Spiels. Foto: Küch

„Wir werden unserem Anspruch nicht gerecht – und man muss es einfach sagen: Wir sind weit davon entfernt, die Ausstrahlung zu haben, die man sich wünschen würde“, konstatierte Peter Martens nach dem Dassendorfer Pokal-Aus unter der Woche gegen Concordia Hamburg (0:2). Trainer-Kollege Thomas Hoffmann zog aus den letzten Auftritten des Serienmeisters die Quintessenz: „Vielleicht muss der Anspruch einfach mal runtergeschraubt werden.“

Auf Nachfrage, was ihn positiv stimmt, dass es in den kommenden Wochen wieder bergauf geht, entgegnete Hoffmann: „Die Jungs kriegen ja auch mit, wie mittlerweile über sie gesprochen wird: Alt, satt, kein Dampf mehr – und so weiter. Wenn man dann einen solchen Auftritt sieht, dann wird dieser Eindruck verstärkt. Darauf haben die Jungs natürlich gar keinen Bock. Also müssen sie sehen, dass sie diesen Eindruck revidieren. Dafür ist wichtig, dass sie performen, machen und tun. Und die Jungs haben auch schon gezeigt, dass es anders geht. Aber es kann nicht sein, dass man das nur ein- oder zweimal zeigt. Das muss man dann über einen längeren Zeitraum der Fall sein, wenn man denn wirklich oben angreifen will. Und wir gehen ja davon aus, dass die Mannschaft das will. Dann muss sie auch Vollgas geben. Wenn nicht, ist schlecht. Denn dann geben sie genau den Leuten recht!“

Harnik-Traumtor bringt "Dasse" in Front, Boock egalisiert

Das 0:1! Martin Harnik (Mi.) schlenzt das Leder mit dem linken Fuß von der Strafraumgrenze in den Giebel! Foto: Küch

Klare Worte von „Hoffi“. Aussagen, die auch dazu führten, dass die Spieler der TuS im Gastspiel beim SC Victoria gefordert waren. Während die Hausherren das schwere Pokalspiel bei Paloma keine 48 Stunden zuvor in den Knochen hatten, trotzte Nick Scharkowski den müden Beinen, als er Lennard Sowah narrte, aber an Sebastian Kalk scheiterte (10.). In der Folge plätscherte das Geschehen weitestgehend ohne nennenswerte Strafraumszenen vor sich hin. Bis zur 36. Minute, als Mattia Maggio die Kugel gegen Nikolas Mallwitz eroberte und per Hacke rechts am Sechzehner Martin Harnik in Aktion brachte. Der Torjäger zeigte seine ganze Klasse und schlenzte das Spielgerät aus 15 Metern in den linken Knick. 0:1 (36.)! Titze dazu: „Den macht nicht mal eben jeder so mit seinem schwächeren Fuß in den Giebel!“

Dem Traumtor des Ex-Profis hatte die Titze-Truppe die postwendende Antwort entgegenzusetzen: Ausgerechnet der ehemalige Dassendorfer Dennis Bergmann hatte nach einem traumhaften Chip von Sönke Meyer über die Abwehrkette freie Bahn und das uneigennützige Auge für den mitgelaufenen Vincent Boock – 1:1 (42.)!

"Er hat momentan leider so ein bisschen die Kacke am Schuh"

Der postwendende 1:1-Ausgleich durch Vincent Boock (Mi.), der in der zweiten Halbzeit verletzt raus musste. Foto: Küch

„Diggi“ Bergmann war es auch, der die erste dicke Möglichkeit des zweiten Abschnitts auf dem Fuß hatte. Von Scharkowski geschickt, entwischte der 29-Jährige abermals Sowah und wurde von diesem kurz gehalten. Aber Bergmann blieb sportlich-fair auf den Beinen, spitzelte das Leder aber etwas unkontrolliert am langen Toreck vorbei (48.). „Der Junge arbeitet so viel und fleißig, hat momentan nur so ein bisschen die Kacke am Schuh. Ich glaube, dass bei ‚Diggi‘ irgendwann demnächst, wenn er vielleicht auch nicht damit rechnet und nicht so gut im Spiel ist, der Knoten platzen wird“, spendete sein Übungsleiter ein wenig Trost. Auf Seiten der „Wendelwegler“ vergab der aufgerückte Eyke Kleine gleich zweimal äußerst unglücklich (53., 64.). Auch Harnik konnte einen Patzer in der Hintermannschaft des SCV nicht in einen weiteren Treffer ummünzen (59.).

"Wollte der Mannschaft nicht das Zeichen geben, dass wir zufrieden sind"

Dennis Bergmann (Mi.) vergibt die Vicky-Großchance zur 2:1-Führung kurz nach Wiederanpfiff. Foto: Küch

Stattdessen bewahrte Tom Muhlack den Gast mit einer sensationellen Rettungstat vor einem Rückstand. Und erneut packte Bergmann die ganz feine Klinge aus, spielte einen herausragenden Steilpass in einer Kontersituation auf den gestarteten Scharkowski. Der „Shark“ eilte auf Kalk zu, umkurvte den TuS-Torsteher und schloss ab – doch der zurückgeeilte Muhlack kratzte die Kugel per Grätsche von der Linie (61.)! Was für eine Chance! Und es ging weiter. Der kaum zu haltende Bergmann blieb nach einer Kopfballverlängerung von Magnus Hartwig mit dem langen Fuß an Kalk hängen (80.), ehe der Schlussmann ein Geschoss von Timo Stegmann sogar festhielt (81.).

Doch dann kam Palzer, der erst in der 82. Spielminute das Grün im Stadion Hoheluft betrat. „Ich bin risikofreudig geblieben, weil ich das Gefühl hatte, dass da noch was geht. Wir hatten die Räume – und ich habe auch gesehen, dass meine Jungs in jedem Zweikampf gierig waren. Deshalb habe ich offensiv gewechselt, um der Mannschaft nicht das Zeichen zu geben, dass wir mit dem 1:1 zufrieden sind“, erläuterte Titze nach dem „sehr intensiven Fußballspiel auf hohem Niveau“, wie er befand. „Ich glaube, wenn man das ganze Spiel betrachtet, dann haben wir die glasklareren Torchancen. Da waren schon mächtige Dinger dabei.“ Deshalb: „Wenn es die Masse und die Qualität der Chancen ist, haben wir es am Ende auch verdient gewonnen.“

"Das war schon krass, wie wir das zum Teil verteidigt haben"

Tom Muhlack (li.) kratzt den Ball von Scharkowski gerade noch so von der Torlinie. Foto: Küch

Und das trotz des schweren Pokalspiels beim Oberliga-Kontrahenten. „Ich habe es den Jungs auch in der Halbzeit gesagt, dass wir danach eine Woche Pause haben und dass das so Spiele sind, wo man sich nachher nicht vorwerfen lassen darf, dass man nicht alles rausgeholt hat. Wir haben gesagt, dass heute so ein Tag ist, an dem man auch mal über die 100 Prozent gehen muss. Das kann man drei-, viermal in der Saison machen – und das habe ich von den Jungs erwartet“, bekam Titze genau das, was er wollte. „Die Mannschaft hat im Kollektiv gut gespielt!“

Letzteres traf über weite Strecken auch auf den „angeknockten“ Dauer-Champion zu. „Ich habe mir das Spiel gegen Cordi 90 Minuten angeguckt. Und das waren Welten, was sie im Vergleich dazu heute gespielt haben“, so Titze. In die gleiche Kerbe sprang auch Martens nach den 90 Minuten: „Im Endeffekt haben wir es darum verloren, weil wir in der zweiten Halbzeit nicht mehr so kompakt waren. Wir standen sehr weit auseinander und die sind immer wieder mit ein, zwei Bällen durchgekommen. Das war schon krass, wie wir das zum Teil verteidigt haben.“ Aber: „Was heute wirklich gut war: Die Organisation hat in der ersten Halbzeit gestimmt, wir haben den Ball gut laufen lassen und gut Fußball gespielt. Die Basics waren voll da! Letztendlich hat für mich die glücklichere, nicht die bessere Mannschaft das Spiel gewonnen“, bilanzierte Martens.

"Kann der Mannschaft überhaupt keinen Vorwurf machen"

Doch dann ließ Luca Palzer (2. v. re.) die Mannen von der Hoheluft vor 677 Zuschauern kurz vor Ultimo jubeln. Foto: Küch

Dass der Gegner auch in der Schlussphase nicht nur weiterhin etwas entgegenzusetzen hatte, sondern auch noch den „Lucky Punch“ landete, sei laut Martens auch auf folgende Aspekte zurückzuführen: „Wenn du aus den letzten Spielen siegreich hervorgehst und ein Pokalspiel nach Elfmeterschießen gewinnst, dann pusht das natürlich ungemein und setzt auch nochmal Kräfte frei für so ein Spiel. 


Dennoch: „Wir waren total fokussiert. Jeder Spieler hat das Maximale, was zurzeit möglich ist, gegeben. Ich kann der Mannschaft überhaupt keinen Vorwurf machen für das, was sie heute abgeliefert hat. Ich kann ihr nur einen Vorwurf machen, dass wir am Ende zu offen gestanden und nicht mehr zusammengeschoben haben. Dadurch waren die Räume zwischen den Innenverteidigern letztlich zu groß. Es war immer das gleiche Schema. Und das hat uns im Endeffekt das Genick gebrochen. Allerdings kann ich der Mannschaft nach dem Nackenschlag am Dienstag eigentlich nur ein Kompliment aussprechen. Damit kann ich viel mehr leben, als mit dem, was da war. Ich habe viele positive Dinge gesehen.“

Autor: Dennis Kormanjos