Oberliga 01
„Abu“ ist zurück: „Ich habe mir geschworen, nochmal auf dem Platz zu stehen – und sei es mit Schmerzen“
Nach über drei Jahren und zwei Monate feierte Abdullah Beckmann am vergangenen Wochenende seine Rückkehr auf den Fußballplatz. Foto: Bode
Das Spiel steht auf des Messers Schneide. Eine Viertelstunde ist noch zu gehen, als Sasel-Coach Danny Zankl sein letztes Ass aus dem Ärmel ziehen muss – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn: Bei seinem Innenverteidiger Luis Take geht es verletzungsbedingt nicht weiter. Da die „Parkwegler“ im Verfolgerduell bei Concordia Hamburg ohnehin schon auf die etatmäßigen Zentrumspieler Kjell Ellerbrock und Benjamin Lucht verzichten müssen, ruft Zankl den langzeitverletzten Abdullah Beckmann zu sich und fragt ihn: „Traust du dir das zu?“
Nach zweieinhalb Jahren: Beckmann feiert Sasel-Debüt
Über Billstedt zog Beckmann (re.) weiter zum FC Türkiye. Bei den Wilhelmsburgern sammelte er seine ersten Oberliga-Minuten. Foto: Bode
Doch dann ging alles ganz schnell. Schneller als gedacht. Beckmann feierte nicht nur nach drei Jahren und zwei Monaten sein Comeback, sondern ging auch als Gewinner vom Platz. Kurz vor Schluss gelang Deran Toksöz der Luckypunch zum 2:1-Sieg des TSV – und Beckmann jubelte so, als hätte er den Siegtreffer erzielt. Kein Wunder. Denn der 25-Jährige blickt auf eine wohl ausnahmslose Leidenszeit zurück. „Ich habe noch keinen Spieler gesehen, der so lange bei einem Verein ist und sich ohne Spielminute so krass mit der Mannschaft und mit dem Verein identifiziert“, schwärmte Zankl von „Abu“, der seit Sommer 2019 am Parkweg sein sportliches Zuhause hat, bis dato aber noch keine Spielminute für die Oberliga-Mannschaft der Saseler absolvieren konnte.
"Wenn der Plan aufgeht, haben wir einen Bomben-Neuzugang"
„Er wurde leider ein-, zweimal zurückgeworfen“, so Zankl. Aber: „Er ist in ganz Sasel – inklusive der anderen Mannschaften – super beliebt. ‚Abu‘ ist immer da und immer fleißig. Hut ab vor dem Jungen, wie er sich in all der Zeit immer wieder rein- und durchgebissen hat. Jetzt soll er in der Rückrunde auch die Lorbeeren dafür ernten. Denn im Januar wollen wir ihn in der kurzen Vorbereitung voll mit an Bord haben. Wenn der Plan aufgeht, haben wir einen Bomben-Neuzugang!“
"Das gesamte Drumherum hat mir viel Kraft gegeben"
Damals lebte Beckmann (li.) von seiner unglaublichen Dynamik und Spritzigkeit. Doch dann folgte die Leidenszeit. Foto: Bode
Ein Neuzugang, der bereits seit knapp zweieinhalb Jahren im Verein ist. Nach dem Cordi-Kick dröselte Beckmann seine schier unendliche Verletzungshistorie einmal auf. Diese begann mit einem Kreuzbandriss. „Bei der OP wurde das Kreuzband zu straff gemacht, so dass ich immer Druck drauf hatte.“ Schließlich wurde auch noch festgestellt, dass er an einem Knorpelschaden leidet. „Ich muss einfach sagen, dass Sasel mich in der ganzen Zeit unglaublich unterstützt hat. Ich habe viel mit Dr. Arne Ströh und Tobias Fuhrberg zusammengearbeitet.“ Nicht nur das. „Das gesamte Drumherum hat mir viel Kraft gegeben.“
"Ich war immer dabei, aber wie ein Begleitservice"
„Die Mannschaft hat mich super unterstützt und ich habe nie aufgegeben. Danny hat auch viel mit mir geredet. Denn es ist ja klar, dass man irgendwann in ein Loch fällt. Ich bin zwar immer zum Zugucken dabei gewesen, aber es war wie ein Begleitservice, da ich halt nicht eingreifen konnte.“ Und so sagte er sich: „Ganz egal, was passiert – ich will für die Jungs und das ganze Drumherum noch einmal auf dem Platz stehen. Und auch dafür, dass man in all der Zeit an mich geglaubt hat, dass ich es tatsächlich eines Tages wieder schaffe. Deshalb ist es natürlich ein umso schöneres Gefühl, jetzt wieder auf dem Rasen gestanden zu haben.“
"Ich habe immer daran geglaubt"
Mit Ulas Dogan (re.) kickte Beckmann bereits bei Vorwärts-Wacker zusammen. Nun sind sie in Sasel Teamkollegen. Foto: noveski.com
Nicht nur für Beckmann ein unglaublich emotionaler Moment – auch die Anhänger der „Parkwegler“ sowie die Mannschaftskameraden feierten ihren „Comebacker“ nach dem Sieg mit Sprechchören. Und das ausgerechnet bei dem Verein, wo er Zankl einst in ganz jungen Jahren kennenlernte. Nachdem Beckmann im Herrenbereich über Vorwärts-Wacker Billstedt, Türkiye und Dersimspor seinen Weg ging, blieb der Sasel-Dompetur stets am Ball und versuchte, Beckmann von einem Wechsel zu überzeugen. „Zweimal hat es nicht geklappt, beim dritten Mal schon“, verrät er. „Seinetwegen und auch für das Drumherum werde ich nochmal auf dem Platz stehen – das habe ich mir geschworen. Und sei es mit Schmerzen. Ich wollte nicht nur am Spielfeldrand, sondern auch auf dem Platz präsent sein. Daran habe ich immer geglaubt und versucht, mich zu pushen.“
"Wann hört das endlich auf?!"
Dabei wurde er mal für mal zurückgeworfen. So sehr, „dass man sich irgendwann einfach nur noch dachte: Wann hört das endlich auf?! Man muss immer wieder die Motivation hochhalten. Denn man muss ja mehr machen, als die anderen.“ Ein weiterer Grund für die große Motivation: „Wir haben eine geile und qualitativ hochwertige Truppe. Es passt einfach. Danny und Finn (Apel, Co-Trainer; Anm. d. Red.) ergänzen sich super und haben eine klare Philosophie.“ Und: „Dieses Familiäre bei Sasel ist besonders. Man kann wirklich zu jedem gehen – und man weiß einfach, dass diese Person alles versucht, das ‚Problem‘ zu lösen.“
"Wie davor, wird es nie wieder sein"
In all der Zeit hat auch Beckmann, der zwischen Kraft- und Ausdauer-Training immer wieder richtig dosieren musste, einige Spieler kommen und gehen sehen – auch aufgrund von Verletzungen. Er selbst biss sich durch. Und wie! „Es ist einfach ein schöner Moment, auf dem man aufbauen kann. So kommt die Lust am Fußball zurück. Und ich habe Bock. Lust, mit dieser Mannschaft nochmal eine geile Saison zu spielen!“ Das Allerwichtigste nach seiner Rückkehr auf das grüne Geläuf: „Ich hatte keine Schmerzen.“ Nichtsdestotrotz hat sich Beckmann mittlerweile damit abgefunden, zu wissen: „Wie davor, wird es nie wieder sein. Ich war absolut fit, bin unter anderem über die Spritzigkeit gekommen. Jetzt muss man sich das anderweitig wiederholen und mit diesem Schmerz leben, aber auch damit umgehen können, dass das Knie nun mal nicht mehr so belastbar wie früher ist. Ich muss es cleverer lösen und mehr Behandlung in Anspruch nehmen. Ich habe jedes Mal ‚überpaced‘, so dass mein Knie immer dick wurde.“
Im Spiel würde er jedoch „alles ausblenden, da ist man eh im Tunnel und spürt nichts“, so Beckmann. Vor allem nach Siegen – wie am vergangenen Wochenende. Bleibt zu hoffen, dass der überaus sympathische Abdullah Beckmann nun vom Verletzungspech verschont bleibt und endlich wieder das tun kann, was er am liebsten macht: Fußball spielen.