Ein Leben in Thailand

Kelbel: „Ich habe das Leben anders zu schätzen gelernt“

26. November 2020, 13:01 Uhr

In Thailand jubelt George Kelbel zurzeit für den Krabi FC in der Dritten Liga. Foto: Krabi Football Club/Facebook

Fußball in Thailand – wie genau kann man sich das vorstellen? „Ein Ball, zwei Tore, ein Rasen, ein Stadion und viel Sonne – also eigentlich genau so, wie in Deutschland“, scherzt George Kelbel, der vor fast genau einem Jahr das Abenteuer in Angriff genommen hat – und ehrlicherweise anfügt: „Es ist wirklich etwas komplett anderes. Der größte Unterschied ist das Wetter“, so der gebürtige Hamburger, der in der Jugend für Altona 93 kickte und anschließend sechs Jahre lang den Nachwuchs beim Hamburger SV durchlief. 

Angefangen hat für Kelbel (2. vl. li.) alles beim HSV, wo er im Nachwuchs Tore am Fließband produzierte. Foto: KBS-Picture.de

Bei den Rothosen machte sich Kelbel schnell einen Namen. In der U17-Bundesliga erzielte er in zwei Jahren 22 Tore in 49 Einsätzen, ehe er in der A-Jugend-Bundesliga so richtig aufdrehte: 32 Spiele, 22 Treffer! Es folgte der Sprung in die Zweite Mannschaft des HSV, wo Kelbel drei Jahre lang aktiv war, 66 Partien bestritt, 17 Mal zuschlug, um dann den nächsten Schritt in Angriff zu nehmen. Mit Holstein Kiel spielte der Offensivakteur sogar in der Dritten Liga. Nach einem Jahr bei den „Störchen“ zog Kelbel jedoch weiter und durchlief seither einige Stationen in der Regionalliga. Nun aber hat er den Schritt ins Ausland gemacht. Genauer gesagt: Nach Thailand. Erst schnürte er seine Stiefel für den Rajpracha FC, seit September für den Krabi FC in der Dritten Liga.

"Die Menschen sind viel freundlicher, offener und hilfsbereiter"

In der Regionalliga kickte Kelbel (li.) unter anderem für den Lüneburger SK Hansa. Foto: KBS-Picture.de

„Ich habe mit Kevin Ingreso und Mustafa Zazai Freunde, die in Thailand aktiv sind und den Schritt gewagt haben. Und wer mich kennt, der weiß, dass ich gerne neue Sachen ausprobiere und keine Angst vor Veränderungen habe“, verrät uns der heute 28-Jährige aus der Ferne. Und auch, wenn es „nur“ die Dritte Liga ist, sei das Niveau im Vergleich zur Regionalliga in Deutschland nicht viel schlechter: „Technisch würde ich sagen, sind da wenig Unterschiede. Vielleicht sind die Thais da sogar stärker. Sie spielen von klein auf viel Streetball und Futsal, was die technischen Fähigkeiten natürlich fördert.“ Aber: „Körperlich sind das schon große Unterschiede im Vergleich zum Fußball in Deutschland.“ Auch an die neue Kultur hat er sich schnell gewöhnt. „Die Menschen sind viel freundlicher, offener und auch hilfsbereiter, als man es in Deutschland kennt.“ In Thailand würde man „gefühlt von Tag zu Tag leben“, während hier „alles strukturiert bis ins nächste Leben“ sei, so Kelbel mit einem leichten Augenzwinkern.

"Als ausländischer Spieler wird dreimal mehr auf dich geschaut"

Mit dem Krabi FC weilt Kelbel (obere R., 3. v. li.) auf dem zweiten Tabellenplatz in der drittklassigen "League Regional Championship". Foto: Krabi Football Club/Facebook

Mit seinem neuen Team, dem Krabi Football-Club, rangiert Kelbel auf dem zweiten Tabellenplatz. Der sportliche Erfolg soll möglichst lange anhalten – denn der Verein hat ein klares Ziel vor Augen: „Uns wurde gesagt, dass wir aufsteigen wollen. Aktuell sind wir auf einem guten Weg“, so Kelbel, der mit seinen Leistungen maßgeblich dazu beigetragen hat. Denn: Mit seinen 14 Toren in zehn Spielen ist er der Top-Torjäger des Teams – und hat sich schnell einen Namen gemacht. „Man hat als ausländischer Spieler immer das Gefühl, dass auf dich dreimal mehr geschaut wird“, berichtet Kelbel, der auch offen gesteht: „Man verdient wesentlich mehr als die Thais, was aber auch bedeutet: Verlierst du, bekommst du häufig Blicke, die nicht so schön sind. Gewinnt man aber, ist es auch ganz cool, wenn du in jeder Zeitschrift auftauchst und von allen getragen wirst.“

"Du musst wirklich auf zack sein - oder du hast ein Problem"

In zehn Ligaspielen erzielte Kelbel (re.) 14 Tore für den Club. Foto: Krabi Football Club/Facebook

Nicht nur deshalb kann sich Kelbel gut „vorstellen, länger zu bleiben“. Zumindest dann, „wenn ich meine Familie und Freunde häufiger sehen kann, was sich aufgrund der Pandemie schwierig gestaltet. Und natürlich auch, wenn sich das finanziell weiter rentiert.“ Sehr schnell habe er „das Leben anders zu schätzen gelernt“. Denn: „Wir Deutsche sind sehr reich. Reich an Möglichkeiten und Unterstützung“, ehe er das eine oder andere Beispiel anführt: „Die Rente hier beträgt 15 Euro im Monat, der Mutterschutz gerade mal drei Monate. Hilfe vom Amt, wenn du mal deinen Job verlierst ? Nein. Du musst wirklich immer auf zack sein oder du hast ein Problem.“

"Wollte immer unter Profibedingungen spielen - das ist in Hamburg schwer möglich"

In Thailand hat Kelbel (re.) "das Leben anders zu schätzen gelernt", verrät er uns im Interview. Foto: Krabi Football Club/Facebook

Ein Problem ist derzeit vor allem auch die weltweite Corona-Pandemie. Doch in Thailand läuft der Spielbetrieb weiter. Einschränkungen? „Um ehrlich zu sein gar keine“, erzählt der gebürtige Hamburger. „Am Anfang war es schon doll, aber mittlerweile ist fast alles wieder normal. Die Zahlen sind aber auch recht niedrig im Vergleich zu denen in Deutschland.“ Dass er nach dem Ende seiner Zeit beim HSV, was nun über sieben Jahre her ist, nicht zum Fußballspielen in die Hansestadt zurückgekehrt ist, hat vor allem einen Grund: „Weil ich eigentlich immer unter Profibedingungen, also sprich nur Fußball, spielen wollte – und das ist in Hamburg und Umgebung schwierig. In anderen Regionalligen sind die Bedingungen professioneller. Bei Rot-Weiß Erfurt hatten wir im Schnitt 5.000 Zuschauer – das geht im Norden halt schwer.“ Doch irgendwann wird mit Sicherheit die Zeit kommen, in der es ihn zurück in die Heimat verschlagen wird. Doch bevor es so weit ist, wird George Kelbel weiter seiner Berufung nachgehen – und die liegt derzeit in Thailand…

Autor: Dennis Kormanjos