Oberliga

„Es geht nur über harte Arbeit – wir fangen nicht an zu spinnen“

14. August 2020, 17:04 Uhr

Der neue FCS-Trainer Stefan Arlt an der Linie beim Testspiel gegen die TuS Dassendorf.

Es gab jede Menge Schlagzeilen und Diskussionen über den FC Süderelbe in den vergangenen Wochen und Monaten – und nicht immer waren sie zuletzt guter Natur. Stefan Arlt ist das egal. „Was von daußen gesprochen wird – da kümmere ich mich weniger drum. Unser Job ist es, das Beste für den FC Süderelbe – der übrigens, und das kann ich nur immer wiederholen, nicht nur aus der Oberliga-Mannschaft besteht – rauszuholen“, erklärt der neue Coach der Liga-Mannschaft, was für ihn maßgeblich ist. Wenn man so will, steht Stefan Arlt an der Spitze einer Bewegung, die die alten Zöpfe der näheren Vergangenheit abschneiden will, und symbolisiert so etwas wie den Neuanfang. Zumindest aber einen „neuen FCS“ in Hamburgs höchster Amateur-Spielklasse.

Aber – und darauf legt der Coach an diesem Abend beim Gespräch am Rande des Platzes des MTV Scharmbeck im Anschluss an das Testspiel der Kiesbarg-Kicker gegen die TuS Dassendorf Wert – diese Aufgabe bestreitet er nicht alleine. Für diese Aufgabe ist nicht er, der 55-jährige Coach, der Allheilsbringer. Arlt denkt und lebt den Teamgedanken vor. „Wir haben ein tolles Funktionsteam“, richtet der Übungsleiter seinen Blick beispielsweise nicht nur allein auf das kickende Personal und weiß, dass vieles ohne die vielen helfenden Hände wie zum Beispiel Ligamanager Seweryn Malyk nicht so schnell, reibungslos und gut ablaufen würde, wie es das heuer bereits tut.

Malyk: „ „Was Stefan an Aufwand betreibt und an Zeit investiert – da kann man nur sagen: Hut ab!“

Da geht's lang: Coach Arlt im Gespräch mit Tim Baris Schulze (re.).

Nur eines der Beispiele: die Kaderplanung. Bis auf Karim Derouiche hat die gesamte Equipe der vergangenen Saison den Kiesbarg verlassen. Und so reihte sich beim Test gegen Dassendorf ein neues Gesicht ans nächste: Mit Rouven Treu, Lukas Beuck, Fabian Carlsen, Daniel Thompson, Ivica Iliievski, Razak Bandi und Maximilian Arlt standen in der Anfangsformation des Testspiels gleich sieben Spieler aus der „Zweiten“ auf dem Platz, die im letzten Jahr noch in der Bezirksliga kickten und ebenso wie Noah Michelakakis, der zunächst auf der Bank saß, aufgerückt sind. Insgesamt sind es zehn Kicker aus der Reserve, die künftig in der Oberliga spielen. Hinzu kommen Furkan Suyer (FC Türkiye), Wasim Sarwari (Klub Kosova), Shota Matsuura (Niendorfer TSV II), Takuro Mohara (FC Türkiye), Amos Sandor Norbert, Tim Baris Schulze (Harburger Türksport) und die Spanier Saul Mestre Manzanares (CD Santanyi) und Mauro Leonardo Alcaraz (CAP Ciudad de Murcia). Als Testspieler wirkten gegen „Dasse“ Joao Nunes Correia (früher Wedel, Srand 08, Cordi, Eichede, Meiendorf, HR) und Neiji Tomoe (VfR Horst) mit. Vieles also, dass zusammenwachsen und sich entwickeln muss.


„Den Entwicklungsprozess sehe ich noch nicht. Wir sind noch im Finden und klären ein paar Basics und Automatismen. Wenn du die trainierst, musst du davon ausgehen, dass das eine oder andere nicht funktioniert. Vieles läuft noch nicht rund und greift noch nicht ineinander. Aber das, was ich sehen will, sehe ich. Die Entwicklung fängt erst mit dem ersten Punktspieltag an, wenn es denn irgendwie Mitte September losgehen sollte. Dann werden wir von Spiel zu Spiel weiterkommen“, sagt Stefan Arlt mit Blick auf den Umbruch in der Oberliga-Truppe vom Kiesbarg. „Dafür, dass es sieben Mann aus der Bezirksliga waren, wehren die sich doch gut. Die Jungs haben alle Charakter“, erwidert der Coach schon jetzt Kritikern, die im FCS für die kommende Spielzeit nur einen Sparringspartner ohne große Chancrn sehen. „Im Moment sind das alles nur Vorbereitungsspiele – das ist kein Maßstab für uns. Für uns geht es derzeit darum, Dinge, die wir im Training auf einem halben Feld machen, auf dem größen Feld in ganzer Länge umzusetzen. Wir sind noch nicht in den Trainingsformen, dass wir auf 80, 90 Metern trainieren. Wir sind bei den Dingen auf engem Raum: Klein-Klein, sich lösen, das Pressing umspielen – das hat schon ganz gut funktioniert“, konstatiert Arlt. 

Arlt: „Ich brauche 20, 22 Mann, mit denen ich trainieren kann – dann bringen die auch was auf die Platte“

Je länger sich der Saisonstart nach hinten verschiebt, umso mehr Zeit hat der FCS, um zu testen und zusammenzuwachsen, sagt Arlt.

Dass ein Personal dabei, überspitzt formuliert, eine (wilde) Mischung darstellt, die so noch nicht lange zusammen ist – für Arlt nicht im Ansatz ein Problem. „Was die Leute von außen sagen oder sehen ist nicht maßgebend. Ich brauche 20, 22 Mann, mit denen ich trainieren kann – dann bringen die auch was auf die Platte. Viele Namen mit irgendeiner Vorgeschichte zu haben, ist nicht der Garant dafür, dass sie auch Leistung bringen. Okay, wenn ich das auf einem Niveau wie Dassendorf abbilde und dann jemanden mit einen Namen hole, dann musst du auch abliefern“, sagt der 55-Jährige. Oder wie es Seweryn Malyk anhand eines fiktiven, aber nachvollziehbaren Beispiels beschreibt: „Wenn du bei Werder Bremen zehn Mann raus nimmst und da zehn Spieler aus der Zweiten Mannschaft aus der Regionalliga Nord in der Bundesliga spielen lässt, dann wäre das ungefähr so, wie die Situation jetzt bei uns ist“, erklärt der Ligamanager, der in der vergangenen Saison noch beim FC Türkiye aktiv war, und schon jetzt nach den ersten Monaten die Zusammenarbeit mit Arlt lobt: „Was er an Aufwand betreibt und an Zeit investiert – da kann man nur sagen: Hut ab!“

Dass sowohl Arlt als auch Malyk betonen, dass die Entwicklung des „neuen FCS“ in der Oberliga Zeit brauchen wird und man eben keine Wunderdinge erwarten kann, ist logisch – beide haben genügend Vergangenheit im Hamburger Amateurfußball, um zu wissen, wie lange beispielsweise Integrationsprozesse benötigen. Wie lange es braucht, bis ein Trainer einer komplett neuen Mannschaft seine Art des Fußballs erklärt, ihr seinen Stempel aufgedrückt hat. „Es dauert noch einen Moment, bis sich die Jungs gewöhnen. Aber sie werden sich gewöhnen. Sie werden sich einfinden mit ihrer Leistung – und mit den Möglichkeiten, die wir haben, wollen wir dann so erfolgreich wie möglich sein“, so Arlt, der es „auf alle Fälle“ als Vorteil für den FCS sieht, dass sich der Saisonstart noch nach hinten verschiebt. So bleibt mehr Zeit zum Proben und Zusammenfinden: „Der Zusammenhalt ist jetzt schon gigantisch. Die Truppe hat einen guten Charakter. Durch die Zeit hatten und haben die Möglichkeit, dass wir gucken konnten. Ich bin im April gefragt worden, ob ich den Trainerposten übernehme – da musst du dann was aus dem Boden stampfen. Das ist nicht glücklich, aber es ist, wie es ist – und das nehmen wir an und versuchen, das Beste daraus zu machen. Das geht nur über harte Arbeit. Wir fangen nicht an, zu spinnen.“