Bezirksliga Süd

„Es ist schwierig, aber: Außergewöhnliche Situationen erfordern auch außergewöhnliche Lösungen“

22. Mai 2020, 11:31 Uhr

Nach derzeitigem Stand wird Rot-Weiß Wilhelmsburg nicht zu den Aufsteigern in die Landesliga zählen. Foto: Both

Deniz Yalcin ist ein Mann der Tat. Als er vor drei Jahren bei Rot-Weiß Wilhelmsburg das Amt als Trainer antrat und seitdem mit David Berwecke gemeinsam an der Seitenlnie steht, erklärte er, dass er nicht nur sportlichen Erfolg haben, sondern auch in Sachen „guter Ruf“ etwas für den Verein tun wolle. Ein Ansinnen, das gelang. „Man muss nur mal gucken, wo wir inzwischen in der Fairnesstabelle stehen“, sieht Yalcin den Verein auf dem richtigen Weg und will nun im Drumherum „noch einiges vorantreiben“. Die Krönung des sportlichen Erfolgs aber bleibt Rot-Weiß derzeit versagt – aufgrund des Corona-Virus und des angedachten Prinzips, wer im Falle des Saisonabbruchs aufsteigen soll. Ein Umstand, den die Wilhelmsburger so nicht hinnehmen wollen.

Derzeit weist die Tabelle in der Bezirksliga Süd die Wilhelmsburgr als Drittplatzierten aus. Mit 40 Zählern hat das Berwecke/Yalcin-Team derzeit vier Punkte Rückstand auf den Zweitplatzierten, die Reserve des FC Teutonia 05, und liegt zehn Zähler hinter Spitzenreiter FC Bingöl 12, der – sollten die Vereine des Hamburger Fußball-Verbandes (HFV) am 22. Juni auf dem Verbandstag für den Abbruch der Saison votieren – als Spitzenreiter aufsteigen wird. Aber: Rot-Weiß hat mit 18 Spielen auf dem Konto auch drei Spiele weniger absolviert als Bingöl und sogar derer vier weniger als die „Zweite“ von „T05“. „Erst sind wir benachteiligt, weil wir – anders als so viele andere Clubs – keinen Kunstrasenplatz bekommen und so viele ausgefallene Spiele haben und jetzt werden wir bei der Frage nach den Aufsteigern erneut benachteiligt“, ärgert sich Deniz Yalcin.

„Du kannst nicht den Ersten aufsteigen lassen, wenn er noch hätte überholt werden können“

Deniz Yalcin (li.) hat zwar Verständnis für die Situation des HFV, fordert aber außergewöhnliche Lösungen in einer außergewöhnlichen Situation. Foto: privat

„Ich kann den Verband ja verstehen, dass es derzeit schwierig ist, aber die Entscheidung, dass nur die Ersten hochgehen, weil sie ein Recht auf den Aufstieg haben, kann ich nicht nachvollziehen. In den Durchführungsbestimmungen steht, dass die Meister ein Recht auf Aufstieg haben. Aber wer jetzt Erster ist, der ist noch kein Meister“, argumentiert Yalcin, der künftig die Traineraufgabe David Berwecke überlassen wird („Wir suchen noch einen Co-Trainer für ihn“) und selbst eher auf anderen Ebenen tätig wird: „Ich will als Geschäftsführer von Rot-Weiß dafür sorgen, dass nach der Mannschaft nun das Umfeld auf den gleichen guten Nenner gebracht wird. Auf dem Feld haben wir schon einiges erreicht, aber abseits davon müssen wir noch ein bisschen was tun.“ Für Yalcin steht fest: „Die Durchfühungsbestimmungen des HFV sagen überhaupt nichts für so eine Situation aus, wie wir sie im Hamburger Amateurfußball haben. Es gibt meines Erachtens keine Regeln dafür.“

Er habe, so berichtet Yalcin, direkt am Tag der Verkündung, dass 84 Prozent der Vereine im HFV einen Abbruch der Saison wollen („Wir gehören zu den 16 Prozent, die für ein Weiterspielen gestimmt haben“), „beim Verband angerufen und mich schlau gemacht, wie das Ganze nun aussieht. Ich will nicht aus der Emotion heraus gegen den Verband schießen, aber ich bin der Meinung: Außergewöhnliche Situationen brauchen auch außergewöhnliche Lösungen. Du kannst nicht nur den Ersten aufsteigen lassen, wenn es dahinter Mannschaften gibt, die ihn noch hätten überholen können. Dann musst du eben auch den Zweiten oder Dritten mit aufsteigen lassen. Dann gibt’s halt in der nächsten Saison umfangreichere Staffeln und man regelt es in den nächsten ein oder zwei Jahren über eine erhöhte Zahl an Absteigern wieder zurück auf Normalgröße.“

„Das wird im Chaos enden, wenn da jeder Verein mit einem eigenen Vorschlag ankommt“

David Berwecke wird in der neuen Saison alleiniger Cheftrainer sein, weil Deniz Yalcin als Geschäftsführer fungiert. Foto: Both

„Selbst, wenn es in Sachen Abstieg dann in einer der nächsten Saisons uns als Rot-Weiß Wilhelmsburg treffen würde, wäre das dann okay. Dann haben wir es in der Landesliga probiert und gezeigt bekommen, dass es eben doch noch nicht reicht“ sagt Yalcin, der sich darauf stützt, dass „es schon eine gewisse Wahrscheinlichkeit gibt, dass wir als heimstarke Mannschaft in den drei Nachholspielen ordentlich gepunktet hätten. Dann hätten wir noch das direkte Duell bei uns mit Bingöl gehabt und auch Teutonia 05 II hätte noch zu uns gemusst.“ Das Argument, dass man nicht voraussagen könne, ob Rot-Weiß all diese Siele auch gewonnen hätte, kontert Yalcin damit, dass „auch keiner weiß, ob die Mannschaften oben in der Tabelle alle ihre Spiele gewonnen hätten.“ Zudem, so konstatiert er weiter, „geht's ja nicht nur uns so, dass wir noch hätten entsprechend punkten können. Ich weiß von Juval Karanikas, dem Trainer von Viktoria Harburg, dass man das dort ähnlich sieht wie wir es tun. Die hätten mit ihren Nachholspielen auch noch an der Dritten Mannschaft von BU vorbeiziehen und aufsteigen können.“ Er glaube, so Yalcin, „dass der Verband es einfach nur kurz und knackig haben will. Wir sollen am 22. Juni auf dem Verbandstag zustimmen – und dann war's das.“

Genau das aber, so glaubt der „geschäftsführende Trainer“, werde so leicht nicht passieren. „Die Vereine können auf diesem Verbandstag ja auch ihre Vorschläge machen, wie sie die Auf- und Abstiegsfrafe regeln wollen, wenn sie dem Vorschlag des HFV nicht zustimmen. Das wird im Chaos enden, wenn da jeder Verein mit einem eigenen Vorschlag ankommt“, ist sich Yalcin sicher und regt an, „dass die betroffenen Vereine, wie bei uns in der Staffel eben Bingöl, Teutonia 05 II und wir, oder in der Kreisliga 4 eben Viktoria Harburg und BU III und auch die aus allen anderen Staffeln – sofern sie wollen – eine WhatsApp-Gruppe gründen sollten, damit wir uns vorher schon mal auf einen Vorschlag einigen können, dem man dem Vorschlag des HFV entgegenstellen kann. Sonst geht es auf dem Verbandstag drunter und drüber. Wenn man jetzt einen Cut macht, dann kann man auf jeden Fall nicht so verfahren, dass man sagt, der Erstplatzierte ist Meister und alle dahinter mit Chancen schauen einfach in die Röhre.“ Vorerst aber bleibt Deniz Yalcin und Rot-Weiß nur Warten – und das Lob des Coaches an seine Spieler: „Ich möchte mich bei allen bedanken, die hier in den letzten drei Jahren mitgeholfen haben. Das war cool und hat Spaß gemacht.“