Oberliga

Wilhelms wilde Achterbahnfahrt: Osdorf und Curslack wiederholen Hinspiel-Spektakel!

Sechs Tore, ein Platzverweis, viele strittige Aktionen und klare Kante

31. Oktober 2019, 00:57 Uhr

Für Witalij Wilhelm war es ein ganz besonders ereignisreicher Abend am Blomkamp. Der SVCN-Linksverteidiger stand bei allen sechs Toren mit im Blickpunkt. Foto: Bode

Er reagierte mit einem emotionsgeladenen und langgezogenen „Jaaaaa“ auf den Schlusspfiff, ehe er mit geballten Fäusten herausstellte: „Mit einem Mann weniger!“ Witalij Wilhelm waren Erleichterung und Freude ins Gesicht geschrieben. Der Linksfuß des SV Curslack-Neuengamme erlebte einen besonders ereignisreichen Mittwochabend am Blomkamp (alle Highlights im LIVE-Ticker). „Nee, das hatte ich noch nie – nicht mal im Training“, entgegnete er auf die Frage, ob er schon mal ein Spiel erlebt habe, bei dem er an sämtlichen sechs Toren – positiv wie negativ – beteiligt war. „Respekt und Hut ab vor der Mannschaft, dass wir immer nachgelegt, an uns geglaubt, nie aufgegeben und mit einem Mann weniger nochmal zurückgekommen sind“, lobhudelte der an jenem Abend allgegenwärtige Wilhelm.

Hamed Mokhlis (re.) griff vor dem 1:1 entscheidend ein und erzielte das 2:2 selbst. Foto: Bode

Beim 0:1 war er es, der den Ball nach einem Standard von Nico Kukuk „nicht richtig traf“, wie er selbst sagte, und Robin Schmidt, der mit dem Knie vollendete, die Osdorfer Führung ermöglichte. Trotz des Rückstandes konstatierte SVCN-Coach Matthias Wulff: „Die ersten 20, 25 Minuten haben mir von außen tierisch Spaß gemacht – eigentlich das ganze Spiel, aber die Anfangsphase ganz besonders. Ich glaube, Osdorf wusste selbst nicht, warum sie in der Phase in Führung gehen. Wir haben drei Abseitstore geschossen und noch ein paar andere Abschlussaktionen gehabt – das hat richtig Spaß gemacht.“ Weniger Spaß hatte Wilhelm beim Gegentreffer zum 1:2, als er das Leder nach einem Kopfball-Pingpong im eigenen Strafraum und etlichen missglückten Klärungsversuchen seiner Mitspieler endlich aus der Gefahrenzone befördern wollte. Allerdings landete das Spielgerät bei Toni Rohrbach, der aus der Drehung flach ins Eck einschweißte (39.). Beim dritten Gegentreffer war Wilhelm letztendlich auf verlorenem Posten, nur ein Teil des Ganzen und der letzte Akteur im Bunde, der Jeremy Wachter bei dessen Solo von der rechten Außenlinie – fast von Höhe der Mittellinie – nicht stoppen konnte. Der TuS-Torjäger narrte ganz Curslack und legte den Ball dann auch noch mit der linken Innenseite ins Netz (49.).

Wilhelms wilde Fahrt - Irregulärer 1:1-Ausgleich

Doch dann waren da ja auch noch die Momente, die Wilhelm an jenem Abend zu einem ganz wichtigen Faktor für den Punktgewinn seines Teams machten. In der 23. Spielminute übernahm er die Verantwortung und verwandelte einem von Osdorf-Keeper Tjark Grundmann an Tim Schmidt verursachten Foulelfmeter mit etwas Glück zum Ausgleich. Den Strafstoß hätte es so aber nicht geben dürfen. Denn bevor Schmidt an den Ball kam, blockte der im Abseits stehende Hamed Mokhlis seinen Gegenspieler deutlich weg. Sämtliche Beschwerden der Hausherren waren jedoch für die Katz. TuS-Trainer Philip Obloch wurde sogar noch mit der Gelben Karte bedacht. Hinterher erklärte er: „Meine Meinung habe ich ja lautstark kundgetan und wurde dafür abgestraft. Ich gucke es mir gerne nochmal an, aber ich bin felsenfest davon überzeugt, dass der Spieler aus dem Abseits kommt, unseren Verteidiger wegblockt, damit den Weg für seinen Mitspieler freimacht – und damit greift er ganz klar aktiv ein.“ Vor dem 2:2 war Wilhelm derjenige, der von der linken Seite den am ersten Pfosten stehenden Stjepan Radic bediente. Über Schmidt kam die Kugel schlussendlich zu Mokhlis – drin (43.).

Iscan sieht Rot: „Er war in Tränen aufgelöst“

Bei seinem Traumtor zum 3:2 nahm es Jeremy Wachter nahezu mit der gesamten SVCN-Hintermannschaft auf. Foto: Bode

56 Zeigerumdrehungen waren vorüber, als sich der nächste Aufreger ereignete: Gökhan Iscan hielt gegen Papa Ndiaye den Schlappen drüber und sah von Referee Lasse Holst, der gar nicht zögerte, prompt den roten Karton. „Ich war überrascht, dass er sofort in die Gesäßtasche gegriffen hat“, gestand selbst Obloch – und fügte an: „Ich habe mit Gelb gerechnet.“ Sein Gegenüber nahm jene Szene wie folgt wahr: „Er hat den Ball von oben mit der Brust runtergenommen und seinen Gegenspieler gar nicht gesehen. Das war bestimmt keine Absicht! Schade, dass der Schiri das so gesehen hat“, meinte Wulff – und verriet anschließend: „Er war in Tränen aufgelöst, sagte, dass das seine erste Rote Karte im Herrenbereich war und hat sich schon im Kreis bei den Jungs dafür bedankt, dass sie das Ding für ihn nochmal gebogen haben.“ Denn da war ja noch ein gewisser Witalij Wilhelm, der mit seinem Eckball von rechts (Obloch: „Tjark schwört, dass er vorher nicht mehr am Ball war“) den am Fünfmeterraum völlig alleingelassene Oliver Franz fand. Dieser schweißte per Direktabnahme unter die Latte zum 3:3 ein – und das wohlgemerkt in Unterzahl (64.). Wilhelms Fazit: „Der Punkt hilft uns nicht so richtig weiter, aber wir nehmen den nach diesem Spiel natürlich gerne mit.“

„Der Geist in der Mannschaft ist richtig gut“

Auf Gökhan Iscan (li.) musste Curslack-Coach Matthias Wullf nach der harten Roten Karte in der 56. Minute verzichten. Foto: Bode

Sein Trainer war da schon etwas euphorischer: „Wenn man die letzte halbe Stunde zu zehnt spielt und aus einem 2:3 noch ein 3:3 macht, dann ist es natürlich ein gewonnener Punkt. Keine Frage. Wenn man aber die ersten 60 Minuten nimmt, war es für uns schon ein bisschen enttäuschend, dass wir so oft in Rückstand geraten sind. Denn wir haben wirklich ein klasse Spiel gemacht! Leider schlucken wir immer wieder ganz blöde Gegentore.“ Aber: „Die Jungs haben einfach weitergemacht, sich diesen Punkt erarbeitet, hatten richtig Bock und sind immer wieder von Rückschlägen zurückzukommen.“ In der Kabine seien seine Mannen „platt, aber auch ein Stück weit stolz“ gewesen, so Wulff, „das bin ich auch – und das habe ich den Jungs auch gesagt.“ Gegen Buchholz drehte seine Elf einen 0:2-Rückstand und gewann mit 4:2. Am vergangenen Wochenende kam man nach einem 0:1 in Rugenbergen „auf einem Untergrund, den wir nicht mögen“, zurück und holte einen Zähler. Nun erkämpfte sich der SVCN in Unterzahl einen Punkt am Blomkamp. „Das kann man sicherlich aus diesen Wochen mitnehmen, dass der Geist der Mannschaft richtig gut ist – egal wie die Situation in der Tabelle ist. Sie haben Spaß und Freude an der Sache.“ Und das, obwohl die Voraussetzungen gar nicht so rosig waren, wie Wulff hinterher kundtat: „So eine Wahnsinns-Situation hatte ich noch nie, dass wir erst eine halbe Stunde vor dem Spiel die Besprechung machen konnten, weil alle zwei Stunden durch die Stadt gefahren sind.“ Und weiter: „Wir haben nicht ein Wort über Osdorf verloren, weil wir einfach keine Zeit dafür hatten, sondern haben uns nur auf uns konzentriert. Vielleicht sollten wir das häufiger machen“, erzählte er mit einem leichten Augenzwinkern – und befand: „Der Geist passt, wir haben die Comeback-Mentalität und auch fitnesstechnisch ein bisschen zugelegt.“

Wulff schont Schubring - Obloch: „Natürlich fühlt sich das wie eine Niederlage an“

„Tormaschine“ Marco Schubring wurde von Wulff für die kommenden Aufgaben „geschont“. Foto: Bode

Und die Erkenntnis: „Wir können auch ohne ihn Tore schießen.“ Gemeint war damit Oberliga-Top-Torjäger Marco Schubring, der trotz sämtlicher Ausfälle in der Offensive – Arnold Lechler und Benjamin Bambur fehlten verletzt, Timo Lenz weilte beim DFB-Pokalspiel von Hertha BSC gegen Dynamo Dresden – 90 Minuten lang auf der Bank Platz nahm. „Wir haben ihn geschont, da wir jetzt drei Spiele in acht Tagen haben. Am Ende habe ich mich tatsächlich auch gefreut, dass wir es gemacht haben, weil wir viele kleine und wendige Spieler auf dem Platz hatten, die mit den Bedingungen gut klargekommen sind. Ich wollte ihn schon noch bringen, aber das hat der Spielverlauf nicht hergegeben“, begründete Wulff seine Entscheidung. Während man auf Osdorfer Seite nach Schlusspfiff „brutal enttäuscht“ war, wie Obloch gestand. In der Kabine herrschte „totale Ruhe“, wie er sagte. „Natürlich fühlt sich das wie eine Niederlage an. Trotzdem ist es am Ende des Tages in meinen Augen nicht völlig ungerecht.“ Insbesondere die Überzahl habe man nicht clever und gut genug ausgespielt. „Die ersten zehn Minuten danach haben wir das noch ganz gut gemacht, dann wurde es immer hektischer. Der Gegner hat sich nach dem Ausgleich natürlich noch etwas weiter zurückgezogen, mit Fünferkette gespielt und dann wird es noch schwieriger, die zu knacken, wenn man es nicht vernünftig spielt. Und wir haben dann zu viele lange und Chip-Bälle reingelöffelt. Das war zu wenig, um zu behaupten, das Tor lag noch in der Luft.“

Bereits im Hinspiel lieferten sich beide Teams einen ganz wilden Ritt, der ebenfalls 3:3 endete. Daran knüpften sie nun nahtlos an. „Vielleicht sind beide Mannschaften vorne besser als hinten“, witzelte Obloch, ehe er anfügte: „Es gibt ja immer so ein paar Kombinationen, die zueinander passen. Diese scheint so eine zu sein.“ Dem ist nicht zu widersprechen! 

Autor: Dennis Kormanjos