Oberliga

Hammer, Hamm: Sieg und Spitzenreiter – „Meine Gänsehaut bei unseren Treffern wollte gar nicht weggehen“

Im ersten Oberliga-Spiel der Vereinshistorie siegt der HUFC beim SV Rugenbergen mit 2:1

27. Juli 2019, 19:16 Uhr

Ein Bild mit Symbolcharakter: Bei den Gastgebern um Keeper Patrick Hartmann herrscht Frust, Hamms Torschütze Maurizio D'Urso dreht jubelnd ab. Foto: Küch

Als alles vorbei war, konnten sich zwei gar nicht genug freuen: Jassi Hurmovic und Jörn Heinemann. Der Manager und der Präsident von Hamm United lagen sich nach dem Spiels beim SV Rugenbergen (Hier gibt’s die Partie im Live-Ticker zum Nachlesen) in den Armen. Jahr für Jahr hatten sie auf diesen Moment hingearbeitet, in der Zwischenzeit auf dem langen Weg sogar einen Abstieg in die Bezirksliga hinnehmen müssen. Aber nun war es tatsächlich real: das erste Oberliga-Spiel in der Vereinshistorie des HUFC – und besser hätte es nicht laufen können. Huremovic, Heinemann und der Anhang des Aufsteigers durften nicht nur den Sieg bejubeln. Nein, United schoss sich mit diesem „Dreier“ tatsächlich an die Spitze der Oberliga-Tabelle – eine Momentaufnahme. „Die Saison ist lang, da kommen noch 33 Spieltage“, mahnte Sidnei Marschall.

Während der Coach an der Seitenlinie 90 Minuten lang emotional mitging („Das war ganz schön anstrengend“), durfte einer beim ersten Oberliga-Match des HUFC natürlich nicht fehlen: Uli Schulz. Jahrelang hatte der Ex-Profi den Verein gecoacht, aus den Niederungen der Spielkassen nach der Gründung bis in die Landesliga geführt. Der Sprung in die Oberliga aber blieb ihm mit „seinem“ Club immer verwehrt. Nun saß der „Trainer-Oldie“ abseits des Feldes, nahe der Anzeigetafel, auf einem weißen Plastikstuhl und sah sich von dort aus das Treiben an. „Ich wohne fast um die Ecke, von mir zu Hause ist es nicht weit hier rüber. Klar, dass ich mir das dann auch angucke. Und es war ja ein gutes Spiel“, fasste der 72-Jährige nach dem Schusspfiff seine Sicht der Dinge zusammen. Die Marschall-Equipe hatte sich derweil auf dem Feld zum Teamkreis formiert, jubelte nach der Ansprache ihres Coaches kurz, um sich dann Richtung Tribüne zu bewegen. Dort intonierten die HUFC-Fans „Spitzenreiter“-Gesänge und feierten ihre Helden.

Marschall: „Ich wusste nicht, wer da wie spielt – aber dass wir Fußball spielen können, wissen wir...“

Hamms Matthias Cholevas (Zweiter v. re., hier gegen Edouard Mesenholl) erzielte das erste Oberliga-Tor in der United-Vereinsgeschichte. Foto: Küch

Dass sie dies tun konnten, lag in einer bärenstarken Anfangsphase des Aufsteigers begründet. Rugenbergen bekam in der ersten halben Stunde gar nichts auf die Kette. Hamm dagegen umso mehr. „Das waren so viele technische Fehler. Wir haben keinen Zweikampf gewonnen, die sind durch die Mitte durchgegangen, wie sie wollten. Gegen eine erfahrene Oberliga-Mannschaft hätten wir zur Pause mit 0:6 hinten gelegen“, war auch Rugenbergens Coach Andelko Ivanko in einem ersten Ligaspiel als Taktgeber auf der Bank nicht entgangen, dass bei seinen Schützlingen mehr als nur der Wurm drin war. Die Konsequenz: Matthias Cholevas durfte sich nach einer Viertelstunde als erster Hamm-Torschütze in der Oberliga in die Geschichtsbücher eintragen, drei Minuten später legte Maurizio D'Urso das 2:0 für seine Farben nach – und wie: Nachdem er den Ball in den Fuß gespielt bekommen hatte, ließ er zwei, drei Gegenspieler auf dem Weg zum Tor stehen und wählte dann nicht die Option, nach links oder rechts auf die mitgelaufenen Tevin Tafese oder Adrian Sousa abzuspielen, sondern schoss selbst an Keeper Patrick Hartmann vorbei ins Netz.

In der Folgezeit sollte sich das Bild nicht wirklich ändern: Hamm blieb aktiv, Rugenbergen agierte träge und ließ den nötigen Biss vermissen. „Dass wir so schnell mit 2:0 geführt haben, war umso besser für uns. Wir hätten auch noch den dritten oder vierten Treffer vor der Pause machen können. Stattdessen kassieren wir vor der Halbzeit noch einen Treffer und haben dann nachgelassen. Da sind bei uns schon ein bisschen die Kräfte geschwunden“, fasste Sidnei Marschall seinen Eindruck zusammen und ergänzte, „nach 30 Minuten denkst du, du kannst nicht mehr, aber da musst du drüber hinweg kommen, um die zweite Luft zu kriegen.“ Die aber bekam United nicht. Stattdessen fiel eben – wie von Marschall angesprochen – noch vorm Seitenwechsel das 1:2, als Felix Dieterich nach einem Zuspiel von Jacques Rodrigues de Oliveira zur Stelle war, und in der zweiten Hälfte „war es dann ein Tontaubenschießen“ für den SVR, wie Andelko Ivanko es apostrophierte: „Die standen hinten mit Mann und Maus und haben alles abgeblockt.“ Und tatsächlich: Bis auf wenige Ausnahmen fand Hamm nicht mehr statt, Rugenbergen drückte und drückte – aber ohne Erfolg. „Es wäre einfacher für uns gewesen, wenn wir das dritte Tor gemacht hätten. Die Jungs haben gekämpft, aber dann hatten sie vorne nicht mehr die Kraft– so war zumindest mein Eindruck“, konstatierte HUFC-Übungsleiter Marschall.

Ivanko: „An guten Tagen zerlegen wir so einen Gegner in seine Bestandteile“

Felix Dietreich durfte sich über seinen Treffer zum 1:2 freuen, am Ende aber ging Rugenbergen mit leeren Händen vom Feld. Foto: Küch

Sei's drum. Den Premieren-Triumph und den Sprung an die Spitze des Hamburger Fußballoberhauses konnte den „Geächteten“ an diesem Samstagnachmittag keiner mehr nehmen. „Es fühlt sich gut an. Auch bei den Toren schon. Meine Gänsehaut bei unseren beiden Treffern wollte gar nicht weggehen, ich hatte sie die ganze Zeit“, strahlte Marschall nach dem Abpfiff mit der Sonne am Bönningstedter Himmel quasi um die Wette. „Die Jungs haben gekämpft und gut gespielt. Wir haben uns viel vorgenommen, wollen Gas geben. Wir haben einen Plan“, verriet der Coach der „Geächteten“. Wie der aussieht? Nun, ganz einfach: So wie in der Landesliga auch schon. „Wir wollen punkten und am Ende gucken wir, was dabei raus kommt“, sagte Marschall, während sein Gegenüber nicht nur an der Pleite seiner Mannschaft zu knabbern hatte, sondern auch mit Schiedrichter Kevin Rosin (SV Lieth) hart ins Gericht ging. „Es ist für mich unbegreiflich. In der zweiten Halbzeit gibt es sechs oder sieben Fouls von hinten in die Beine, aber nur eine Gelbe Karte für Hamm. Dafür diverse Karten für uns wegen Schauspielerei vom Gegner. Es kann nicht sein, dass wir so unclever sind, aber das ist nicht der Grund für die Niederlage“, so Rugenbergens Trainer.

Doch wo lag die Ursache dann? „Es ist unglaublich, dass wir anfangs den Ball nicht ein Mal flanken oder in die Tiefe laufen irgendwas war immer. Nach dem 0:2 haben wir auf eine Viererkette in der Abwehr umgestellt, da standen wir dann sicherer. Ich hatte schon überlegt, ob wir uns zurückziehen, damit wir nicht 0:6 verlieren“, ließ Ivanko noch einmal die katastrophalen ersten 30 Minuten Revue passieren und fügte hinzu: „Die zweite Hälfte haben wir dann glasklar dominiert. Wir haben Druck gemacht und Hamm nichts mehr. Das 1:2 zur Pause war schmeichelhaft. Wir haben uns das Genick gebrochen, weil wir zu emotional reagiert haben und das Spiel nicht schnell machen konnten.“ Er habe, so Ivanko, „die ganze Zeit ein schlechtes Gefühl gehabt. Wir sind aus dem Rhythmus gekommen. Drei, vier Wochen lang waren alle fit, jetzt fünf oder sechs Mann krank.“ Und so hätten „ältere Spieler gefehlt, die das Spiel auch mal steuern können oder dreckiger spielen – so wie Hamm das gemacht hat. An guten Tagen zerlegen wir so einen Gegner in seine Bestandteile.“ Diesmal aber eben nicht, weil „wir einfach reingegangen sind. Wir hatten nichts zu verlieren. Wir wussten nicht wo wir stehen und wie der Gegner ist. Ich wusste nicht, wer da wie spielt – aber dass wir Fußball spielen können, wissen wir...“, verriet Sidnei Marschall derweil, das eine der Zutaten für den Sprung an die Spitze die Unbekümmertheit Uniteds war.

Jan Knötzsch  

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