Regionalliga

„Jeder hatte ein Ziel vor Augen. Dafür haben wir alle gekämpft und alles investiert“

AFC-Kapitän Marco Schultz über das Erfolgsrezept der „Mannschaft des Jahres“

26. Juni 2019, 08:02 Uhr

Nach dem vollbrachten Regionalliga-Aufstieg verpasste Marco Schultz (li.) seinem Trainer Berkan Algan (Mi.) die obligatorische Sektdusche. Foto: KBS-Picture.de

Sage und schreibe 22 Spieler verließen den Altonaer Fussball-Club nach dem Regionalliga-Abstieg. Wenn von einem radikalen (Kader-)Umbruch die Rede sein kann, dann sicherlich in diesem Fall. Einer, der dem Hamburger Traditionsverein die Treue hielt: Marco Schultz. Rückblickend gesteht der heutige AFC-Kapitän: „Nach dem Abstieg war schon ein größeres Down da.“ Aber: „Für mich gab es von Anfang an nichts anderes. Ich wollte dabei helfen, das Schiff wieder in die richtige Bahn zu lenken. Zusammen wollten wir das nicht auf uns sitzen lassen!“ Das Ergebnis: Die erste Hamburger Meisterschaft nach 69-jähriger Durstrecke und der Aufstieg in die Regionalliga!

Insgesamt 20 Saisontreffer durfte Schultz als Mittelfeldspieler bejubeln und heimste damit den dritten Platz in der Oberliga-Torjägerliste ein. Foto: KBS-Picture.de

Nicht umsonst haben die „FussiFreunde-User“ den AFC in der vergangenen Woche in einer „facebook“-Umfrage zur „Mannschaft des Jahres“ gewählt. Ein Triumph, der so nicht unbedingt vorherzusehen war, wie auch Schultz zugibt: „Es waren wirklich ziemlich viele Abgänge“, erinnert er sich auch an den einen oder anderen prominenten Namen, – und fügt an: „Die Neuen kamen alle zumeist aus der Oberliga, mit der ich zuvor wenig bis gar keine Berührungspunkte hatte. Deshalb konnte ich es anfangs wirklich nicht einschätzen und auch keine Tendenz erkennen, wie die Saison laufen wird.“ Er selbst sei den „vielen neuen Charakteren ganz offen“ gegenübergetreten, wie er heute sagt, „weil ich sie bis dato nicht kannte“. Zwar konnte Altona das Oberliga-Saisoneröffnungsspiel beim HEBC souverän mit 3:0 für sich entscheiden – doch im Anschluss daran folgten zwei Niederlagen gegen Niendorf (0:1) und Vicky (0:2). „Wir haben ein bisschen gebraucht, um zueinander zu finden. Zu Beginn lief es noch nicht so rund.“ Aber dann kam der Motor ins Rollen, „es ging los und das Ganze hat eine gewisse Eigendynamik angenommen“, berichtet Schultz von einer alles in allem „Top-Hinrunde“, die der Grundstein für den ganz großen Wurf war. Auch dank 13 ungeschlagener Spiele am Stück stand am Ende der Saison die Krönung ins Haus.

Schultz' neue Rolle - "Kann mich noch genau daran erinnern, wann das war"

Ein Herz und eine Seele: AFC-Coach Algan funktionierte Marco Schultz vom Stürmer zum "Sechser" um - mit Erfolg. Foto: KBS-Picture.de

Nicht nur die ungeheure Konstanz machte den AFC so stark – auch die Team-Chemie und der Wille, wie Schultz verrät: „Wir hatten vor dem Spiel immer dasselbe Ritual vom Ablauf her, so wie ich es zuvor noch nie erlebt habe. Man hat sich beim Aufwärmen schon wohlgefühlt, auf jedes Wochenende und auf jedes einzelne Spiel gefreut. Zudem waren wir einfach eine gute Gruppe und immer positiv. Jeder hatte ein Ziel vor Augen. Dafür haben alle gekämpft und alles investiert.“ Mit jener Einstellung entstand auch eine Eigendynamik, die der AFC zu nutzen wusste. „Wir haben vielleicht nicht den schönsten, dafür aber brutal effektiven Fußball gespielt. Und darauf kommt es an! Insgesamt haben wir es über die ganze Saison mental sehr gut hinbekommen“, so Schultz, der selbst in eine neue Rolle schlüpfte, von „Erfolgsmacher“ Berkan Algan vom Angreifer zum „Sechser“ umfunktioniert wurde, ungemein aufblühte, eine herausragende Saison spielte und 20 Saisontore erzielte. Uns verrät der 27-Jährige, dass er sich sogar „noch genau daran erinnern kann, wann das war, als ‚Berki‘ (Trainer Berkan Algan; Anm. d. Red.) zu mir kam und sagte: ‚Du spielst jetzt Sechser.‘“

"Die Position liegt mir"

Im ersten Aufstiegsspiel beim Bremer SV traf Schultz (re.) gleich zweimal ins Schwarze - erst per Freistoß, dann per Strafstoß zum Sieg. Foto: KBS-Picture.de

Demzufolge wurde der „neue“ Marco Schultz bereits im Regionalliga-Abstiegsjahr „kreiert“ – und zwar „in der Halbzeitpause des Spiels bei Egestorf, als wir 0:1 zurücklagen“. Die Folge: Algan stellte um und beorderte den Stürmer in die Mittelfeld-Zentrale. „Am Ende haben wir noch 3:1 gewonnen, ich habe ein Tor gemacht und einen Elfmeter rausgeholt.“ Folgerichtig habe man die anfängliche Idee weiter durchgezogen. „Deshalb war klar, dass das auch in der Oberliga eine Option ist.“ Mittlerweile fühlt sich Schultz, der in der Jugend unter anderem für den HSV und FC St. Pauli kickte, in der neuen Rolle pudelwohl: „Die Position liegt mir, da ich ein laufstarker Spieler bin, als Sechser oder Achter das Spiel vor mir und aus der Tiefe mehr Optionen habe.“ Und weiter: „Früher in der Jugend gab es immer nur eine Position. Aber im Herrenbereich spiele ich dort, wo mich der Trainer aufstellt. Ich habe viel Vertrauen bekommen und hoffe, dass ich das zurückzahlen konnte.“

"Natürlich ist das unser gestecktes Ziel: Wir wollen drin bleiben!"

Nun möchte der "Captain" mit seinem AFC die Klasse in der Regionalliga halten. Foto: KBS-Picture.de

Doch nicht nur bei seiner Person hatte Coach Algan einen Geistesblitz, auch bei einer anderen Personalie kommt Schultz regelrecht ins Schwärmen: Die Verpflichtung von Hischem Metidji (kam von Dersimspor). „Was der Junge für eine Saison gespielt hat, ist der Wahnsinn! Da muss man ‚Berki‘ und ‚Klobe‘ (Manager Andreas Klobedanz) auch ein riesen Kompliment machen. So jemanden aus der Landesliga aus dem Hut zu zaubern, da kann man nur Chapeau sagen.“ Als der „Super-Rookie“ in den Aufstiegsspielen plötzlich ein wenig menschelte, habe es „vier, fünf Spieler gegeben, die das Konstrukt zusammengehalten und den Erfolg mit auf den Weg gebracht haben“. Mit Seyhmus Atug (geht nach internen Differenzen freiwillig in die Zweite) und Onur Saglam (VfL Lohbrügge) werden zwei dieser Führungskräfte in der kommenden Regionalliga-Spielzeit aber nicht mehr mit an Bord sein. „Klar ist es schwer, solche Leute zu ersetzen. Aber ich kann dazu wenig sagen“, legt Schultz sein Vertrauen stattdessen komplett in die sportliche Führung. Denn man könne „jetzt ja auf gewisse Erfahrungswerte aus dem letzten Regionalliga-Jahr setzen“. Erfahrungswerte, die am Ende des Tages dazu führen sollen, dass der direkte Wiederabstieg dieses Mal vermieden werden kann. „Natürlich ist das unser gestecktes Ziel: Wir wollen drin bleiben!“

Autor: Dennis Kormanjos