Ober-/Landesliga

„Den Betriebsunfall haben wir erreicht – jetzt kann's nur nach vorne gehen“

Condors Vorsitzender Heiko Gevert im Interview

19. Juni 2019, 15:27 Uhr

Auf dem 17. Platz stieg der SC Condor aus der Ober- in die Landesliga ab. Foto: KBS-Picture.de

Die vergangene Saison dürfte als eine der schwärzesten in die Geschichte des SC Condor eingehen: Gleich drei Mannschaften der „Raubvögel“ stiegen aus ihren Ligen ab – vorweg die „Erste“, die nach 28 Jahren der Oberliga adé sagte. Zudem verabschiedete sich mit der „Vierten“ ein Team nach der Spielzeit komplett vom Berner Heerweg. Wir haben die Möglichkeit genutzt und beim Trainingsstart der künftigen Landesliga-Mannschaft mit Condors Vorsitzendem Heiko Gevert über die vergangene Serie, die neue Spielzeit und die Außendarstellung des SCC gesprochen.

Heiko, zuletzt meldete sich die „Vierte“ des SC Condor via „Facebook“ zu Wort und erklärte, dass sie nach einer „Entscheidung gegen unsere Dritten Herren, die wir ausdrücklich nicht mittragen“, geschlossen als „Fünfte“ zum Rahlstedter SC wechseln wird. Um was für eine Entscheidung geht es?

Heiko Gevert: Ich würde das gar nicht so dramatisch und wild sehen. Die Vierte Mannschaft ist keine Leistungsmannschaft, sondern eine Spaß-Truppe mit vielen alten Condoranern aber auch vielen Neuen. Das ist eine Truppe, die gerne bei Condor hätte bleiben können. Allerdings haben sie sich entschieden, nach Rahlstedt zu wechseln. Letztlich ging es nur um eine Zahl, um es genau zu sagen. Sie wollten gerne unbedingt die „Dritte“ sein. Daraufhin habe ich gesagt: Wir haben junge Spieler, die aus dem Jugendbereich kommen plus Spieler, die von außen kommen, plus diejenigen, die aus der „Dritten“ und „Vierten“ wirklich leistungstechnisch spielen wollen – das wird unsere neue „Dritte“ sein. Die Jungs, die nicht leistungsorientiert spielen wollen, sollten die neue „Vierte“ sein. Den Kompromiss hat die „Vierte“ nicht mitgetragen und ist ausgetreten. Das ist schade. Die Tür ist aber immer offen, falls sie irgendwann mal zurückkommen wollen. Es herrscht kein böses Blut zwischen uns. 

Die „Erste“, „Zweite“ und „Dritte“ sind abgestiegen, die „Vierte“ verlässt den Club – wie bange wird einem da als Präsident, wenn man an die Außendarstellung des Vereins in den letzten Wochen und Monaten denkt?

Im Mai trat Heiko Gevert (li.) die Nachfolge von Thomas Brinkmann als Condor-Vorsitzender an, zuvor war er Fußball-Abteilungsleiter. Foto: SCC

Gevert: Natürlich tut der Abstieg ohne Frage weh – sowohl bei der „Ersten“ als auch bei der „Zweiten“. Auch, dass wir mit der „Dritten“ jetzt in der Kreisklasse spielen müssen, schmerzt uns natürlich. Dennoch denke ich: Wir haben uns in den letzten Monaten so aufgestellt, dass wir sagen können, dass es zur neuen Saison wieder in die andere Richtung geht. Ich sehe uns gut vorbereitet. Wir haben eine neuformierte Erste Mannschaft in der Landesliga. Dazu eine U23, die eine Perspektiv-Mannschaft ist, die auch von der „Ersten“ unterstützt werden wird. Die „Dritte“ hat das Niveau in der Kreisliga zu spielen. Der Aufstieg ist aber erstmal nicht eingeplant. Den „Betriebsunfall“ haben wir erreicht. Schlechter ging‘s nicht. Jetzt kann’s nur nach vorne gehen, um positiv in die Zukunft zu gucken. 

Blicken wir mal explizit auf die Oberliga-Mannschaft: Welche Fehler wurden da gemacht?

Gevert: Ich habe in der Vergangenheit das eine oder andere Interview von alt-archivierten Condoranern gesehen und gelesen, die ja auch ihren Senf dazu gegeben haben und muss ganz ehrlich sagen: Das ist ein Prozess, der letztlich über vier, fünf Jahre gegangen ist. Auch schon nach den großen Niederlagen wie im ODDSET-Pokalfinale hat man sich stückweise immer weiter von Themen verabschiedet, von denen man sich eigentlich nicht verabschieden wollte. Am Ende war dann die Frage: Ist das charakterlich noch eine Truppe gewesen? Wir haben an verschiedenen Stellen versucht, zu korrigieren und Maßnahmen zu treffen. Wir haben dabei im Bereich der Kommunikation vielleicht nicht immer glücklich ausgesehen, das muss man so ehrlich betrachten. Mit Florian Neumann als neuem Trainer ab dem Winter und Fabio Ansaldo als seinem Assistenten haben wir ein gutes Team geholt. Über das Thema „Identifikation des Trainerteams“ brauchen wir nicht zu sprechen – die war absolut gegeben. Aber du kannst aus einem Käfer keinen Ferrari machen. Wenn an der einen oder anderen Stelle Spieler mit dem Kopf nicht da sind, wo sie sein müssen, müssen sie sich die Frage stellen: Ist das das Auftreten, das ich möchte und über das ich beurteilt werden will? Am Ende sind es drei Punkte, die gefehlt haben. Die Versäumnisse sind ein Zusammenspiel von Dingen, die sich in den Jahren aufsummiert haben. 

In wie weit teilst du den Eindruck, dass dem Team das sogenannte „Condor-Gen“ abhandengekommen ist, das die Truppe über Jahre hinaus ausgezeichnet hat?

Aus Sicht von Gevert haben der bisherige Coach Florian Neumann (li.) und dessen Assistent Fabio Ansaldo nicht die Hauptschuld am Abstieg. Foto: Heiden

Gevert: (stöhnt genervt auf) Ach, das Thema „Condor-DNA“… Es gibt andere große Clubs, die 40 Jahre irgendwelchen Meisterschaften hinterherhängen und wo große Geister beschworen werden. Ich denke, die Vereine tun sich generell nichts Gutes damit, in der Vergangenheit zu leben. Klar: Die Vergangenheit hat ihr Recht und ihren Platz. Historisch ist das ganz toll. Man kann zurückblicken, aber die Zeit heute ist eine andere. Und: Auch die Generation von Spielern ist heutzutage eine andere. Das sind heute nicht mehr die, die das auch so meinen, wenn sie mal die Raute oder das Condor-Wappen küssen. Da hat sich viel getan. Es geht nicht nur um die DNA, sondern es geht darum, dass du insgesamt wieder eine klare Philosophie im Verein und im Team haben musst. 

Wie wollt ihr es in der kommenden Saison schaffen, genau diese Identifikation wieder hinzubekommen?

Gevert: Sowas muss vorgelebt werden. Da haben wir mit Ralph Kainzberger einen guten Mann für verpflichtet. Er ist inhaltlich klar, strukturell klar und lebt das Ganze eben auch emotional. Mit ihm kann man sich identifizieren. Diese Identifikation wird, so denke ich, sich auf die Spieler übertragen. Er hat absichtlich keinen befristeten Vertrag. Wir haben nicht gesagt: Wir arbeiten ein oder zwei Jahre. Sondern unbefristet. Wir wollen mit dem ganzen Team langfristig arbeiten. Weil wir eben wieder etwas aufbauen wollen. Das wird nicht das „Condor-Gen“, sondern vielleicht etwas anderes. Aber: Es geht in eine ähnliche Richtung. 

Interview: Jan Knötzsch