Interview

„Diese Mannschaft macht alle Zweifel zunichte – mehr Spaß kann man nicht haben!“

Ehrliche Worte: Piet Wiehle dachte letzte Saison ans Aufhören

01. Januar 2019, 11:30 Uhr

Hat derzeit gut lachen: Osdorf-Coach Piet Wiehle, der mit seinen „Blomkamplern“ auf der Erfolgswelle schwimmt. Foto: KBS-Picture.de

Die Geschichte von David gegen Goliath ist wohl eine der bekanntesten und meist verwendeten Geschichten der Bibel – und sie erzählt im übertragenen sowie sportlichen Sinne auch ein Stück weit die Historie des TuS Osdorf. Als krasser Underdog, der vor einem Jahrzehnt noch in den fußballerischen Niederungen des Hamburger Amateurfußballs aktiv war, gestartet, hat man sich mittlerweile zu einer ernstzunehmenden Adresse in der höchsten Spielklasse gemausert, sämtlichen Widerständen getrotzt und viele Kontrahenten auf der Strecke gelassen. 

Nach 20 absolvierten Partien sind die „Blomkampler“ als Tabellensechster die absolute Positiv-Überraschung der Oberliga – und das, obwohl man von vielen sogenannten Experten als heiß gehandelter Abstiegskandidat in die Saison ging. Auch wenn die Situation in Osdorf gerade – oder nun schon seit Jahren – mehr als nur rosarot ist, lässt man sich vom Erfolg nicht blenden. Getreu dem Motto „Stillstand ist Rückschritt“ plant man bereits für die nächste Saison und die kommenden Jahre auf Hochtouren. Wie wir bereits berichteten, wird der TuS dann nämlich mit einem Trainerduo an den Start gehen. Erfolgscoach Piet Wiehle, nun schon im siebten Jahr am Blomkamp tätig, wird zusammen mit Philipp Obloch (kommt von Bezirksligist Roland Wedel) ein gleichberechtigtes Gespann bilden. Wir haben mit Wiehle, der das „Osdorf-Gen“ in sich und in Form eines Tattoos auf sich trägt, über „schwere Momente“, das Erfolgsrezept und die Zukunftsplanung gesprochen...


FussiFreunde: Piet, ihr habt es mal wieder geschafft, ganz Fußball-Hamburg zu überraschen, sämtliche Kritiker Lügen gestraft und eine bisher furiose Saison gespielt. Bevor wir zu den vielen positiven Dingen und der neuen Trainer-Konstellation für die kommende Saison kommen: Gab es bei dir in letzter Zeit mal den Moment, wo du selbst das Gefühl hattest: Wir sind am Leistungs-Maximum angekommen – das könnte meine letzte Saison sein?

Piet Wiehle: „Es gab tatsächlich mal Momente, wo ich mir gesagt habe: ‚Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, aufzuhören.‘ Gerade im letzten Jahr, als es nicht ganz so lief, wie wir uns das vorgestellt haben – auch wenn wir letztendlich relativ souverän die Klasse gehalten haben. Aber das sind so die Momente, in denen ich mich selbst hinterfrage. Kommst du bei der Mannschaft überhaupt noch an? Machst du alles richtig? Oder wäre es vielleicht besser, den Platz für eine andere Person zu räumen? Aber ich hatte noch einen Vertrag bis zum 30.06.2019 und habe auch zu Cemil (Yavas, Manager; Anm. d. Red.) gesagt: ‚Egal was passiert, ich möchte diesen Vertrag auch ganz gerne erfüllen.‘ Dass diese Serie dann so läuft, wie sie jetzt läuft, war im Vorfeld ja überhaupt nicht zu erwarten. Im Gegenteil. Alle Experten haben uns eigentlich hinter Pinneberg als Abstiegskandidat Nummer zwei gesehen. Dass wir es jetzt wieder irgendwie geschafft haben, aus diesen vielen Neuzugängen eine erfolgreiche, unangenehm zu bespielende und starke Mannschaft zu formen, das war in dieser Form in kleinster Weise zu erwarten.“

Heißt: Die Gedanken sind inzwischen komplett as absurdum geführt?

Wiehle hinterfragte sich in der letzten Saison, als es nicht ganz so gut lief, selbst. Foto: KBS-Picture.de

Wiehle: „Jetzt macht die Mannschaft diese Zweifel, die man mal hatte, komplett zunichte und zahlt alles zurück. Mehr Freude kann man ja gar nicht haben, als mit dieser Mannschaft zu arbeiten.“

Was macht euch denn in dieser Saison so erfolgreich? Plaudere doch mal ein bisschen aus dem Nähkästchen…

Wiehle: „Ich glaube, der Konkurrenzkampf macht uns bislang so erfolgreich. Wir haben in jedem Training 20 oder auch 22 Leute – und jeder will nicht nur spielen, sondern da geht es schon um einen Platz im Kader. Und wenn man mal sieht, was bei uns in diesem Jahr im Training abgeht, was da für ein Tempo, Biss und Ehrgeiz drin ist, dann ist das kein Vergleich zur letzten Saison. Hinzu kommt, dass wir viele junge, hungrige und willige Spieler dazu bekommen haben. All das macht uns so erfolgreich.“

Wenn man den TuS Osdorf nun schon über einige Jahre hinweg verfolgt und begleitet – und sieht, wie man es immer wieder schafft, fast schon mehr als das Maximum herauszuholen, dann fragt man sich natürlich: Wie will man das Ganze noch steigern?

Wiehle: „In meinen Augen darf man diesen maximalen Erfolg nicht an einem Tabellenplatz festmachen. Wir betreiben unheimlich viel Aufwand für den Erfolg, den wir haben. Wir wollen die Mannschaft in der neuen Konstellation in Sachen Taktik und Laufarbeit besser machen, so dass man viele Spielsituationen anders löst. Das haben wir in diesem Jahr auch schon ganz gut hinbekommen. Heißt: Nicht mehr mit dem Aufwand, den wir dafür auf dem Platz betreiben. Das soll in keinem Fall heißen, dass wir fauler werden wollen. Vielmehr geht es uns darum, die Mannschaft in verschiedensten Spielsituationen noch cleverer agieren zu lassen. Und das mache ich nicht unbedingt von einem Tabellenplatz abhängig.“

Bedeutet ja auch, dass man das Spielsystem und die Idee von Fußball, wie man es jahrelang in Osdorf praktiziert hat, in der neuen Konstellation mit dir und Philipp Obloch, der dazu stößt, ein wenig umstellt…

Wiehle: „Klar, dem ist so. Wir gucken ja auch auf die Mannschaften, die aktuell vor uns stehen. Das sind zum einen die Spitzenmannschaften wie Dassendorf, Teutonia oder Altona – aber eben auch Teams wie Vicky und Sasel. Wir wollen unser Spielsystem dahin gehend ein Stück weit ändern, dass sich der Gegner irgendwann auch mal auf uns einstellt und dass wir im Spiel auch mal unser System ändern können, wenn wir merken: Plan A funktioniert gerade nicht, also schalten wir in den Plan B. In diesen Bereichen wollen wir die Spieler weiterbringen und -entwickeln. In der Vergangenheit war es ja immer so, dass wir laufen, kämpfen und uns in jeden Zweikampf reinschmeißen. Dieses Gen wollen wir natürlich in uns behalten – aber gleichzeitig auch taktisch noch weiter dazu lernen.“

Ist ja auch immer die Frage, wie sich eine Mannschaft darauf einlässt, wenn man den Stil über so viele Jahre derart erfolgreich praktiziert hat…

Wiehle: „Du darfst einen Fehler natürlich nicht machen – und zwar die erfolgreichen Tugenden vernachlässigen. Wir können nicht sagen: Wir fangen jetzt an, Fußball zu spielen – und hören auf zu laufen und zu kämpfen. Uns geht es darum, die Stärken, die wir haben und die uns auszeichnen, mit neuen Stärken, Impulsen und Qualitäten zu paaren.“

Autor: Dennis Kormanjos