SCALA serviert Trainer und Mannschaft ab – Zweite wird zur Ersten!

Hanssen: "Es ist kein Landesliga-Fußball mehr gewünscht"

17. Oktober 2018, 16:48 Uhr

Will seine Arbeit trotz der Abservierung des Vereins zu Ende führen: SCALA-Coach Holger Hanssen, der mit dieser Entscheidung unwahrscheinliche Größe zeigt. Foto: Bode

Vor zweieinhalb Jahren übernahm Holger Hanssen den SC Alstertal-Langenhorn. Zu einer Zeit, in der der Verein am Boden lag. Mehr noch. Denn der Club befand sich auf der Intensivstation. Nachdem Sponsoren abgesprungen waren und die komplette Mannschaft – bis auf eine Ausnahme – das Weite suchte, startete Hanssen die Wiederbelebungsversuche. Mit Erfolg. Zwei Spielzeiten hintereinander wurde die Klasse – vorher nahezu als Utopie angesehen – gehalten. Doch all die Mühen scheinen für die Katz gewesen zu sein. Denn: Zur neuen Saison wird Hanssen nicht mehr an der Siemershöh tätig sein! Der Grund: Der Verein plant nur noch mit einer Mannschaft – und so wird die Zweite Herren zur neuen Liga-Truppe!

„Da muss ich ganz vorne anfangen“, holt Holger Hanssen aus, als wir ihn auf die aktuelle Situation bei seinem SC Alstertal-Langenhorn ansprechen. Eine halbe Stunde lang habe er seinen Jungs am vergangenen Wochenende die augenblicklichen Geschehnisse erörtert. „Bevor ich gekommen bin, hatte SCALA eine Landesliga-Mannschaft. Die ist jedoch, bis auf eine Ausnahme, geschlossen weggegangen – auch Betreuer, Manager und alles weitere, was noch zum Umfeld dazu gehört“, erklärt er uns – und geht anschließend weiter ins Detail: „Eigentlich wollte man die Landesliga ‚abmelden‘ und in der Bezirksliga neu starten – da die Zweite Herren jedoch zeitgleich am letzten Spieltag aus der Bezirks- in die Kreisliga abgestiegen war, war dieser Gedanke hinfällig.“ Zu jener Zeit habe es noch mehrere Anwärter auf den Posten der Landesliga-Mannschaft gegeben, wie Hanssen verrät, „um hier etwas Neues aufzubauen“. Zwei Personen erreichten die Endausscheidung: Olaf Ohrt und eben jener Holger Hanssen, der das Rennen machte und SCALA übernahm.

"Man hat mir gesagt, dass man nicht mehr mit uns plant"

"Wir wollen nicht als Letzter absteigen", fordert Thomas Braun (li.). Foto: Bode

„Ich habe ich hier etwas Neues aufgebaut, was angesichts der Möglichkeiten nicht ganz so einfach war, wie man sich vorstellen kann. Mir sind viele Spieler gefolgt und die Jungs haben damals schon in der Hinrunde dafür gesorgt, dass der Klassenerhalt so gut wie sicher war. Dann ist uns jedoch ein Sponsor weggebrochen“, so Hanssen, der meint: „Bei drei Landesliga-Mannschaften in Hamburg war es zu dieser Zeit der Fall – zwei davon sind radikal kaputtgegangen. Auch die Spieler sind geflüchtet. Das haben meine Spieler aber nicht getan!“ Zusammen ging man durch dick und dünn, schaffte auch in der vorangegangenen Spielzeit den Klassenerhalt. Doch nun sieht die sportliche Situation etwas anders aus. Mit drei Zählern weilt SCALA am Ende des Hammonia-Tableaus. Da Hanssen „früh Klarheit haben wollte, wie es über die Saison hinaus weitergeht“, suchte er das Gespräch zu den Verantwortlichen. „Dort hat man uns gesagt, dass man nicht mehr mit uns plant.“ Doch die Gründe haben nichts mit der sportlichen Situation zu tun. Im Gegenteil. Ein Abstieg ist von Vereinsseite sogar gewünscht.

"Für die Erste sind einfach keine Ressourcen da"

„Da ich selbst Kaufmann bin und alles immer ganz klar geregelt haben möchte, habe ich nachgefragt: ‚Was ist, wenn wir es schaffen, die Mannschaft zusammenzuhalten – sogar mal angenommen, sie kostet gar nichts – und wir würden dann in der Bezirksliga spielen?‘“ Die Antwort: „ Nein, das wünscht man nicht.“ Vielmehr vollzieht der Verein nun den Schritt, den man bereits vor zweieinhalb Jahren vorhatte. Die Leidtragenden: Hanssen und seine Jungs aus der Liga-Mannschaft. Denn: Die neue Erste Herren wird in der kommenden Spielzeit die derzeitige Zweitvertretung, die in der Kreisliga 6 auf dem neuen Tabellenplatz weilt. „Für die Erste sind einfach keine Ressourcen da!“, so Hanssen. „Es ist, wie es ist. Ich habe versucht, Kompromisse zu finden. Aber man will es nicht.“ Als ihm die Entscheidung mitgeteilt wurde, habe er umgehend seine Spieler darüber informiert. „Natürlich ist das sauer und übel aufgestoßen“, verrät er, „aber ich habe gesagt, dass ich meinen Spielern gegenüber immer offen und ehrlich bin. Diese Jungs sind mit mir gekommen, sie vertrauen mir und sie spielen hier für weniger Geld, als woanders. Für mich stehen sie immer an erster Stelle!“

"75 Prozent der Spieler haben schon zugesagt"

Was die Zukunft bringt, steht für Holger Hanssen noch in den Sternen. Foto: Bode

Trotz der Abservierung vom Verein und aller Enttäuschung, die mitschwingt, denkt Hanssen nicht an ein vorzeitiges Aufhören. Es zeugt von unheimlicher menschlicher Größe, angesichts jener Umstände seinen Mann zu stehen und eben nicht die Reißleine zu ziehen. „Ich stehe im Wort. Und solange auch nur ein einziger Spieler von mir dort weiterspielen möchte, ziehe ich das durch. Das kann ich nicht machen, meine Jungs im Stich zu lassen. Ja, wir sind der Platzhalter für die Zweite Herren. Aber es ist, wie es ist“, nimmt der Übungsleiter die Situation sehr gefasst auf. Auch aus der Mannschaft, die vom Verein zur kommenden Serie nicht mehr gewünscht wird, ist die Reaktion überraschend positiv: „75 Prozent der Spieler haben schon zugesagt, die Saison mit mir durchzuziehen. Bislang habe ich 17 oder 18 Zusagen – und wir haben erst am Montag angefangen, die Spieler zu fragen. Bis Freitag wollen wir Klarheit haben.“ Einer, der nicht nur auf dem Platz vorangeht, sondern auch Hanssens rechte Hand im Team ist: Thomas Braun. Dieser gab direkt die Marschroute vor: „Wir wollen nicht als Tabellenletzter absteigen!“

"Sechs Spiele am Stück dürfen wir auch nicht gewinnen"

Möchte künftig wieder mit Hanssen zusammen was machen: Adriano Napoli. Foto: Bode

Auch Hanssen weiß, dass der Klassenerhalt „unwahrscheinlich“ ist. Und so paradox es auch klingen mag: „Wenn wir vier Spiele nacheinander gewinnen würden, würde ich wahrscheinlich auch rausfliegen. Denn es ist ja gar nicht gewollt, weiter Landesliga-Fußball anzubieten.“ Ein Szenario, das für Kopfschütteln sorgt. „Auch wenn wir nur der Platzhalter sind, gehen wir trotzdem auf den Platz, um zu gewinnen. Wir stellen uns der Sache – und ich kann garantieren: Wir werden bis zur letzten Minute Gas geben! Ich werde mit der Vorbereitung so früh anfangen, wie noch nie – weil wir nicht Letzter werden wollen. Es ist ein kleines Ziel, aber es ist ein Ziel.“ Er sei guter Dinge, so Hanssen, dass „wir nicht Letzter werden. Und wenn wir das nicht mehr sind, setzt man sich wieder ein neues Ziel. Ein bisschen träumen kann man ja noch. Denn wir gehen nicht am Wochenende aufs Feld, um zu verlieren! Wir ziehen durch.“ Aber: „Sechs Spiele am Stück dürfen wir auch nicht gewinnen.“ Der SC Alstertal-Langenhorn habe einfach „nicht mehr die Kapazitäten und menschlichen Ressourcen, um sich um eine Landesliga- und eine Kreisliga-Mannschaft zu kümmern. Deshalb fokussiert man jetzt alles auf eine Liga-Mannschaft“, begründet der 62-Jährige die Entscheidung der Club-Verantwortlichen, die man nicht verstehen muss. Im Gegenteil. Eigentlich sollte sich der Verein glücklich schätzen, solch Charaktere in seinen Reihen zu haben.

Wie es für ihn selbst weitergeht, steht noch in den Sternen. Klare Vorstellungen hat er aber schon: So möchte Hanssen künftig mit Thomas Braun, Hasan Yaylaoglu und Adriano Napoli, mit dem er bereits bei UH-Adler erfolgreich zusammengearbeitet hat, ein komplettes Paket mitbringen, das „über Qualität und Erfahrung verfügt.“

Autor: Dennis Kormanjos