Packendes Derby: TuRa trotzt Pensum, HSV III kontert Ostermann!

Schwarzer erteilt frühes „Feier-Verbot“ - „Rothosen“ drehen Blitz-0:2-Rückstand

11. August 2018, 00:44 Uhr

Jerry Sampaney robust und mit Wucht (re.) gegen den TuRa-Doppeltorschützen Leon Schulz. Foto: Christian Küch

Es hätte das Spiel des Sören Ostermann werden können. Viereinhalb Jahre lang war der HSV III das sportliche zu Hause des 29-Jährigen, der bei den Anhängern schnell zum Publikumsliebling avancierte und dem sogar ein eigenes Lied gewidmet wurde. Im Sommer schloss sich der Angreifer jedoch dem unmittelbaren Lokal-Nachbarn TuRa Harksheide an – und kehrte nun, schon am Dritten Spieltag, an seine alte Wirkungsstätte zurück. Und wie er das tat! Neun Minuten waren gespielt, als Ostermann bereits zwei Scorerpunkte – ein Tor und eine Vorlage – auf dem Konto hatte. Sein Coach Jörg Schwarzer warnte dennoch: „Es gibt nichts zu feiern – zurück in die Ordnung“, schrie er seinem spielenden Co-Trainer Elbasan Latifaj zu, nachdem dieser in Folge des Treffers zum 2:0 mitten in die Jubeltraube hinein stürmte.

Elbasan Latifaj überzeugte erst auf dem Platz, nach seiner Auswechslung dann als Co-Trainer. Foto: Christian Küch

Nach 53 Zeigerumdrehungen war der sportliche Arbeitstag des Sören Ostermann beendet. Sein neuer Verein, TuRa Harksheide, führte zu jenem Zeitpunkt – nicht zuletzt dank des „Blondschopfes“ – mit 2:1 im Derby gegen den HSV III. Doch sein Trainer merkte auch, dass der Druck der „Rothosen“ mehr und mehr zunahm, weshalb er sich zu jenem taktischen Wechsel entschied und mit Jonah Petersen fortan nur noch eine zentrale Sturmspitze aufbot. Keine 120 Sekunden nach Ostermanns Auswechslung drohten TuRa die Fälle davon zu schwimmen. Nach Marc Schröders Flanke aus dem rechten Halbfeld fand die Kopfball-Bogenlampe von Marco Augustinovic den Weg über René Heide, der noch mit den Fingerspitzen dran war, ins Tor – 2:2 (55.)! Schwarzer: „Man muss schon sagen, dass eine große Dynamik und Handlungsschnelligkeit beim HSV da war. Wobei sie eigentlich immer zwei gleiche Bälle über die rechte Seite gespielt haben, was eigentlich schematisch leicht zu sehen war.“ Zu verhindern war es in dieser Szene allerdings nicht.

Ostermann trumpft auf - Eigentor küsst HSV III wach

Felix Feuerlein (re.) war in der zweiten Halbzeit mit 22 Jahren der älteste TuRa-Akteur auf dem Platz. Foto: Christian Küch

Und Sören Ostermann? Der ärgerte sich inzwischen auf der Bank über den Ausgleich. Dabei war alles angerichtet und nach neun Zeigerumdrehungen schien der Fußball mal wieder eine ganz besondere Geschichte zu schreiben. Erst veredelte der langjährige HSVer einen traumhaften Spielzug über Leon Cammann und Petersen, der mit der Hacke ablegte, per trockenem Flachschuss aus halbrechter Position ins lange Eck (6.)! Dann leitete er einen Schröder-Fehlpass mit dem ersten Kontakt für Leon Schulz weiter, der nicht mehr zu halten war und den Ball irgendwie mit dem Außenrist ins rechte Toreck bugsierte (9.) – 2:0 TuRa! „Ich fand, dass wir die ersten zehn Minuten eigentlich gut reingekommen sind, verteilen dann aber zwei Geschenke, die uns so ein bisschen zurückgeworfen haben. Ab der 20. Minute haben wir angefangen, Fußball zu spielen“, befand HSV III-Trainer Marcus Rabenhorst, dessen Team zunächst beeindruckt wirkte, dann aber mächtig aufkam. Nach einem schnell und kurz ausgeführten Freistoß wurde der folgende Schuss von Sepehr Nikroo von Philipp Albrecht-Fuhrmann noch so entscheidend abgefälscht, dass die Kugel im Netz einschlug. Allerdings ging die Fahne des Assistenten, der Marko Augustinovic im Abseits wähnte, hoch. Nach kurzer Beratung mit Referee Johannes Mayer-Lindenberg entschied dieser aber, dass der Treffer regulär war – nur noch 1:2 (31.)!

TuRa trotzt Pensum - „Wollten das Adrenalin anständig einsetzen - das hat funktioniert“

Sepehr Nikroo (li.) liegt quer in der Luft und erzielt das herrliche 3:2. Foto: Christian Küch

Nachdem TuRa-Torsteher Heide das 2:2 mit einer starken Parade gegen Jerry Sampaney noch verhinderte (37.) und Michael Ulbricht nach Wackers Direktabnahme tatsächlich in der verbotenen Zone gestanden haben soll (45. +1), war es in der 55. Minute soweit. Den Gästen war nun die Belastung der letzten Tage anzumerken. Während Harksheide in den vergangenen 18 Tagen seit Saisonbeginn fünf Pflichtspiele absolvierte – darunter der 120-Minuten-Pokal-Fight unter der Woche in Ahrensburg –, musste der HSV III in dieser Zeit nur zweimal ran. Ein Umstand, den Schwarzer jedoch in kleinster Weise als Ausrede geltend machen wollte: „Ich habe immer gesagt: Worüber ich nicht rede, ist die Fitness und der Wille, Zweikämpfe und Spiele für sich zu entscheiden. Das ist eine Grundvoraussetzung für einen Fußballer. Heute hat man in der einen oder anderen Situation schon gemerkt, dass so ein bisschen die Kraft weg ist. Aber ich habe gesagt, dass wir das Adrenalin anständig einsetzen wollen – und das gut funktioniert.“

TuRa, das ohne Nassim Saleh und Tim Renfordt antreteten musste und in der Schlussphase mit einer blutjungen Mannschaft auf dem Platz stand, wehrte sich nach Leibeskräften, lieferte dem Nachbarn einen tollen Fight mit unheimlicher Leidenschaft und schmiss sich in jeden Ball rein. Doch die Übermacht der Rabenhorst/Rahn-Kicker wurde immer größer. „Wir haben dem Druck, den der HSV fast über 80 Minuten gemacht hat, nur standhalten können und sind eigentlich fast die ganze Zeit hinterhergelaufen“, konstatierte Schwarzer nach Schlusspfiff. Die Folge: Eine Viertelstunde vor Ultimo drehte der Oberliga-Absteiger das Geschehen auf den Kopf, als Daniel Meier im Spielaufbau einen bösen Fehlpass ins Zentrum spielte, woraufhin Ulbricht – natürlich von der rechten Seite – im Zentrum Nikroo in Szene setzte. Was der dann mit dem Ball anstellte, war ganz großes Kino. Erst pflückte er das Leder gekonnt aus der Luft, dann beförderte der ehemalige Victorianer das Spielgerät per Seitfallzieher ins rechte untere Eck zum 3:2! War der Widerstand von TuRa nun gebrochen? Mitnichten! Als alle glaubten, der Kraftverschleiß würde sich nun immer mehr bemerkbar machen, schlugen die Schwarzer-Schüttlinge zurück. „Wieder war es so, dass alle nach dem 2:3 gedacht haben, wir sind tot. Aber wir sind wieder zurückgekommen“, freute sich auch der Übungsleiter, als Lukas Raphael einen Traumpass spielte und Schulz den Ball von halblinks eiskalt neben den rechten Pfosten in die Maschen jagte – 3:3 (79.)!

Rabenhorst: „Zwei verschenkte Punkte“

Großer Jubel bei Leon Schulz - nachdem dieser gerade das 3:3 erzielt hat. Foto: Christian Küch

Und am Ende hätten die Hausherren sogar mit gänzlich leeren Händen dastehen können, wenn Schulz seine Leistung mit seinem dritten Torerfolg gekrönt hätte, als er – nach einem HSV III-Eckball – am eigenen Sechzehner zum Sololauf ansetzte und nur an der Glanztat von Timo Dehmelt scheiterte (84.). „Mit ganz viel Pech verliert man das am Ende noch“, gestand selbst Rabenhorst. Wenngleich dieser auch meinte: „Die zweite Halbzeit gehörte ganz klar uns. Wir haben das Spiel diktiert, vor allem spielerisch – was man vom Gegner nicht unbedingt sagen konnte. Die haben sich ja nur noch aufs Verteidigen eingestellt und gar nichts mehr nach vorne investiert. Aber wenn du oben mitspielen willst, dann musst du solche Spiele auch über die Zeit retten, wenn du schon einen 0:2-Rückstand drehst.“ Auf die Frage, ob er denn überrascht gewesen sei, dass TuRa trotz der vielen Spielen zuletzt in den Schlussminuten noch so viel entgegenzusetzen hatte, entgegnete er: „Nein, überhaupt nicht. Die mussten ja was machen, haben sich in der zweiten Halbzeit gefühlt nur ausgeruht und standen mit zehn Leuten in der eigenen Hälfte. Sie hatten ja nichts mehr zu verlieren.“ Für ihn und sein Team seien es „zwei verschenkte Punkte“ gewesen, wie er sagte. Denn: „Selbst nach dem 0:2 hatte ich nicht das Gefühl, dass wir dieses Spiel verlieren werden, weil wir aus meiner Sicht fußballerisch klar besser waren. Wir haben nicht alles richtig gemacht und uns auch nicht 15 hundertprozentige Torchancen herausgespielt. Aber ich glaube, man konnte zumindest erkennen, dass wir nicht einfach den Ball irgendwo hinschlagen, sondern eher versuchen, es spielerisch zu lösen. Leider wurden wir am Ende nicht ganz belohnt.“

Schwarzer: „In der achten Minute gibt es keinen Grund, irgendwas zu feiern“

Feierte in den Schlussminuten sein Debüt im HSV III-Dress: Edward Pfister (li.), der in der Jugend für den HSV, St. Pauli und zuletzt Niendorf spielte. Foto: Christian Küch

Sein Gegenüber erklärte, dass man „am Ende mit dem Punkt ein Stück weit zufrieden sein muss“ und verriet noch einmal, wieso er seine Mannen sowohl nach dem ersten als auch nach dem zweiten Tor vom Jubeln abhalten wollte: „Egal gegen wen man spielt: Es gibt keinen Grund, in der achten oder neunten Minuten zu feiern. Man hat das Spiel zu Ende zu spielen, darf niemals aufgeben, und wenn der Schlusspfiff da ist, darf man feiern. Dann feiert man aber auch nur kleine Erfolge, den großen Erfolg kann man am Ende der Saison feiern. Aber in der achten Minute gibt es wirklich keinen Grund, irgendwas zu feiern.“ Abschließend plauderte Rabenhorst aus, was ihm nicht gefiel – und fand da ebenso klare Worte: „Diese Schlafmützigkeit, wie schon in den letzten beiden Spielen. Dass wir immer erst zurückliegen müssen, bevor wir mal – auf gut Deutsch gesagt – den Finger aus dem Arsch ziehen und anfangen, Fußball zu spielen. Ich glaube, wenn wir von Anfang an so spielen, wie die restlichen 60, 70 Minuten, dann wäre hier gar nichts angebrannt.“ Für die 203 zahlenden und sämtliche neutralen Zuschauer war es in jedem Fall ein packendes Derby zweier starker Mannschaften.

Autor: Dennis Kormanjos

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