Brustlöser? „Brauchten wir einen? Nein, definitiv nicht!“

BU II betreibt Chancenwucher und siegt trotzdem souverän gegen hadernde „Kiezkicker“

04. August 2018, 16:55 Uhr

Timo Wrage (re.) erzielte per Traumtor das 2:0 für sein Team in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit. Foto: timelash.de

Bei Marius Breuch, Neucoach der „Dritten“ des FC St. Pauli, kamen schnell sämtliche Erinnerungen an die Vorwoche hoch. Zum Auftakt unterlagen die „Kiezkicker“ nämlich dem neuformierten Landesliga-Absteiger SC Condor II mit 2:4 und kamen auch nur schwer in Tritt. „Wir haben, wie letzte Woche auch, die erste Viertelstunde verschlafen. Die ersten 15 Minuten sind bei uns momentan noch eine Akklimatisierungsphase“, so Breuch, der eine weitere Parallele zog: „Alle vier Gegentore gegen Condor II fielen nach Standards – auch heute wieder beim 0:1, wo wir ungeordnet sind. Und dann laufen wir wieder einem Rückstand hinterher.“ Ein vergebliches Anlaufen…

Ganz cool geblieben: André Jozic (li.) trifft freistehend zur Führung. Foto: timelash.de

Denn: Die ersten 20 Minuten an der Dieselstraße waren ein einziges Anrennen vom HSV Barmbek-Uhlenhorst II. Die Haimerl-Elf spielte sich allein in der ersten Viertelstunde drei dicke Chancen heraus – wobei die Betonung auf dem Wort „spielte“ liegt. Doch Mirco Missullis (9.) verpasste ebenso die Führung wie auch Moritz Scholz, der gleich zweimal vergab (12., 14.) und im Abschluss generell äußerst unglücklich wirkte. Es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, bis BU II das erste Mal ins Schwarze treffen würde – und nach 21 Minuten war es dann auch soweit: Missullis‘ Schuss blieb noch in der dichten sankt paulianischen Deckung hängen, fiel dann aber Stürmer André Jozic auf dem Schlappen. Die Gäste wähnten ihn im Abseits, die Fahne blieb jedoch unten und Jozic ganz cool im Abschluss – das zwingend überfällige 1:0 (21.)! „Die erste Halbzeit geht – bis auf eine Phase von fünf bis acht Minuten – komplett an uns“, befand Barmbeks Dompteur Jan Haimerl – und sprach da,ist wohl auf eben jene Phase nach dem Führungstreffer an. Die Gäste kamen zu ihrer größten Chance durch Sebastian Homrighausen, der jedoch in Vincent Driessen seinen Meister fand (23.).

Jozic schnürt Doppelpack - „Ein weiterer Nackenschlag“ für St. Pauli III

Da fehlten nur Zentimeter! Der Pfosten-Freistoß-Hammer von Timo Wrage. Foto: timelash.de

Doch dann ging das „Scheibenschießen“ weiter. Timo Wrage jagte einen leicht abgefälschten Freistoß an den Innenpfosten (33.), Scholz scheiterte aus kurzer Entfernung am sensationell reagierenden Sebastian Prause, ehe der Kopfball von Jan Carlo Wieland bei der nachfolgenden Ecke von der Linie gekratzt wurde (36.). Es lief bereits die Nachspielzeit des ersten Durchgangs, als sich BU II doch noch belohnte. Maik Thihatmar bediente Wrage – und dieser durfte ungehindert sowie schnurstracks bis an den gegnerischen Sechzehner durchmarschieren, bis er die Kugel aus 17 Metern halblinker Position zentral an die Unterkante der Latte und von dort ins Tor donnerte (45. +1). Ein Sahne-Treffer, der bei Breuch allerdings eine weitere Erinnerung an das Auftaktspiel weckte: „Als wir etwas besser drin waren, kassieren wir wieder in der 45. Minute einen Nackenschlag.“ Einen weiteren hätte es nur wenige Sekunden nach Wiederanpfiff geben können, wenn nicht gar müssen, als Thihatmar und Scholz im Verbund das dritte Tor verpassten (46.). „Dann wäre das Spiel durch gewesen“, so Haimerl, dessen Schützlinge wenig später bei einem Kopfball von Dennis Gerdes gerade noch das Bein dazwischen bekamen und den Anschlusstreffer verhinderten.

Haimerl: „Hätten noch gnadenloser sein müssen, um uns zu belohnen“

Doppelpack! André Jozic (2. v. re.) grätscht die Kugel im Fallen ins Eckige. Foto: timelash.de

Die Kiezkicker wirkten im Abschluss jedoch harmlos. So auch in Minute 63, als Alexander Bravos zentral vor dem Tor aus 13 Metern freistehend komplett verzog. „Da muss man auch mal einen machen“, ärgerte sich Breuch, und fügte gleichzeitig an: „Klar ist aber auch, dass der Gegner immer wieder Chancen hatte.“ Eine davon nutzte abermals Jozic – nachdem Prause an den Schuss des eingewechselte Alex Hooge von halblinks gerade noch die Fingerkuppen ranbekam, woraufhin der „Sturmtank“ abstaubte (79.)! „Es bestand definitiv die Möglichkeit, noch ein Viertes oder Fünftes zu machen. Da haben wir uns nicht zu 100 Prozent belohnt, um am Ende einfach auch mal gnadenlos zu sein“, konstatierte Haimerl, dessen Equipe nach der unglücklichen Pleite zum Start in Poppenbüttel nun den Brustlöser landeten. Oder etwa nicht? „Brauchten wir einen Brustlöser? Nein, das glaub ich nicht – definitiv nicht“, entgegnete der BU II-Coach und führte erklärend aus: „Es war auch in Poppenbüttel kein schlechtes Spiel von uns. Natürlich sind wir die ersten 35 Minuten nicht reingekommen, aber danach sah es schon ganz anders aus. Auch im Pokal bei Norderstedt II wären wir nicht schlecht und haben uns unzählige Torchancen herausgespielt. Das ist das, was uns noch ein bisschen fehlt: die Kaltschnäuzigkeit. Einfach früher mal den Deckel draufzumachen.“

Breuch: „Ich sehe keine Katastrophe - auch wenn sieben Gegentore natürlich nicht gut sind“

BU II konnte am Ende hochverdient den ersten Saisonsieg bejubeln. Foto: timelash.de

Was ebenso fehlt(e): Diverse Leistungsträger. Weshalb Haimerl auch nicht nicht zu sagen vermag, wie weit sein Team schon ist. „Wenn ich alle Leute da hätte, dann könnte ich es beantworten. Aber dadurch, dass ich fast jede Woche ein wenig zaubern muss, ist es schwer zu sagen. Wenn man sich heute mal die Bank anguckt: Unter normalen Umständen wären einige gar nicht im Kader gewesen. Aber das ist bei uns normal. Vergangenes Jahr habe ich nicht einmal die gleiche Startelf zur Vorwoche raufgeschickt. So wird‘s dieses Jahr wahrscheinlich auch sein. Die vermeintliche Traumelf wird es nie geben. Trotzdem sind wir gut drauf, definitiv auf zack und die Jungs sind frisch. Ich bin zufrieden.“ Auch, weil sich seine Mannen an die Vorgaben hielten: „Die Devise war klar: Wir wollten das Spiel gewinnen. In der Halbzeit war die Ansage, dass wir es zu null gewinnen wollen. Das haben die Jungs geschafft.“ Ganz anders war die Stimmungslage bei Breuch: „Ich bin auf jeden Fall nicht zufrieden. Das war nicht unser bester Tag. Wenn man das erste Spiel gesehen hat, dann hat man gesehen, dass schon eine gute Qualität in der Mannschaft ist. Auch heute bei einem starken Gegner spielen wir nicht mit langen Bällen, sondern flach raus und versuchen zu kombinieren. Es fehlt auch ab und zu das Quäntchen Glück, dass wir mal in Führung gehen. Ich sehe aber keine Katastrophe. Auch wenn sieben Gegentore natürlich nicht gut sind. Daran müssen wir arbeiten.“ Und abschließend: „Es wird Leute geben, die sagen, es ist ein Fehlstart. Aber uns ist klar, wir haben ein super schweres Auftaktprogramm. Trotzdem werden wir weiter konzentriert arbeiten und unsere Punkte holen. Da bin ich mir ziemlich sicher.“

Autor: Dennis Kormanjos