Littmann: „Der HSV weiß noch gar nicht, was ihm in der Zweiten Liga blüht“

Fünfte Sendung des Amateur-Talks „Kalles Halbzeit im VERLIES

05. Juni 2018, 15:33 Uhr

Gastgeber „Kalle“ Schwensen (li.) und Moderator Niklas Heiden (Dritter v .li.) mit den Gästen und Teilen des Teams. Foto: Kormanjos

Es war ein „kleines Jubiläum“: Am gestrigen Montagabend erlebte „Kalles Halbzeit im VERLIES“, der Hamburger Amateurfußball-Talk – eine Zusammenarbeit der FussiFreunde mit Amateur-Fußball-Hamburg und ELBKICK. TV auf Initiative von „My-Bed“ –, seine bereits fünfte Auflage. Die Gästeschar, die Gastgeber „Kalle“ Schwensen und Moderator Niklas Heiden dazu begrüßten, konnte sich sehen lassen: Neben Christian Woike, dem scheidenden Trainer des SC Condor, sowie AFC-„Legende“ Jakob Sachs und dem ehemaligen FC St. Pauli-Präsident Corny Littmann stattete auch der frischgebackene HOLSTEN-Pokalsieger SC Condor II der Show seinen Besuch ab – und SCC II-Spieler Dennis König berichtete vom Finale am vergangenen Samstag.

Frisch gebackener HOLSTEN-Pokalsieger: Dennis König (re.) vom SC Condor II. Foto: Hänlein

„Die Saison war nicht ruhmreich, da ist der Pokalsieg ein schönes Goodie nebenbei. Wir haben im Pokal sechs Mal gewinnen – das sind mehr Siege als in der Liga. Sowas nimmt man gerne mit“, konstatierte König und konnte sich einen Seitenhieb auf die „Erste“ des SCC, die im ODDSET-Pokal in der Vergangenheit bisher vergebens um den Titelgewinn kämpfte, nicht verkneifen: „Es ist schön, dass die Zweite Mannschaft, die am Tresen stärker ist als die Erste Mannschaft jetzt auch mehr Titel eingefahren hat als Christian Woike. Wenn er sich den Pokal mal ausleihen will, muss er Bescheid sagen.“ Vor dem Match vom Samstag sei klar gewesen, „dass im Pokal in einem Spiel alles passieren kann, er hat seine eigenen Gesetze“, so König, der zudem mit Blick auf die Qualität des Spiels erklärte: „Darüber legen wir den Mantel des Schweigens.“ Dass die Truppe des neuen HOLSTEN-Pokalsiegers nun zum Großteil auseinanderbricht und ihr sportliches Glück woanders sucht, „liegt daran, dass der Verein sich neu aufstellen will und das Projekt einer U23 ins Leben gerufen hat. Die meisten Jungs haben die 23er-Marke schon überschritten oder sind kurz davor. Wir gehen im Guten auseinander, es wurde keiner gezwungen, zu gehen.“

Woike: „Speziell die letzte Saison war sehr nervenaufreibend“

Der scheidende Condor-Coach Christian Woike (re.) stand Rede und Antwort. Foto: Hänlein

Als zweiter Gast kam der zuvor von König schon ins Spiel gebrachte Christian Woike ins Spiel, der nach dieser Saison seinen Stuhl als Trainer von Condors „Erster“ räumt. „Es wird ungewohnt sein. Ich weiß nicht, ob mir das schwerfällt, mal nicht zum Training zu müssen und nichts für das Wochenende vorzubereiten“, sagte Woike und ergänzte mit Blick auf den unter den Zuschauern weilenden künftigen Cordi-Coach Frank Pieper-von Valtier: „Vielleicht fahre ich zum Bekkamp und gucke mir die eine oder andere Trainingseinheit an.“ Die gerade beendete Saison für den SC Condor sei, so Woike, „natürlich alles andere als zufriedenstellend“ gelaufen: „Da gibt’s nicht die eine Ursache für, sondern ganz viele. Aber Condor ist und bleibt ein extrem gut und toll geführter besonderer Verein. Es sind viele Eckpfeiler weggebrochen ums Team herum, manche Dinge mussten sich neu ordnen und ein spielen. Dazu hatten wir nicht den sportlichen Erfolg, den wir uns ausgemalt haben. Und schon bist du in einer Spirale, die du nur schwer durchbrechen kannst.“

Sein Entschluss, sein Amt am Ende der Saison zur Verfügung zu stellen sei“, Anfang, Mitte November 2017 gereift. Es gab bei mir eine berufliche Veränderung und ich habe gespürt, dass der Zeitpunkt, um den Absprung zu suchen, gut gewählt ist. Speziell die letzte Saison war sehr nervenaufreibend“, so Woike, der im Gespräch mit Schwensen und Heiden aber auch auf Highlights seiner Zeit am Berner Heerweg zurückblickte – unter anderem das zweifache Erreichen des ODDSET-Pokalfinales. „Klar ist da die Traurigkeit, beide nicht gewonnen zu haben, aber auch eine ganze Menge Stolz. Es gibt nicht viele, die es mit den Möglichkeiten, die wir hatten, zwei Mal in Folge ins Finale geschafft haben. Das zweite gegen BU haben wir völlig verdient verloren, weil wir schlecht und desolat waren. Die erste Niederlage gegen Paloma tut verdammt weh. Weil wir die bessere Mannschaft waren. Wir haben im Pokal für viel Furore und Spiele gesorgt, die besonders waren. Die Duelle mit Altona oder Buchholz zum Beispiel“, erläuterte Woike, und stellte fest, „besonders in den ersten Jahren viel mit Leidenschaft investiert“ zu haben.

Sachs: „Altona 93 ist meine Nummer eins – ich lebe den Verein und der Verein hat mir viel gegeben“

Sprach über seine Erlebnisse im DFB-Pokal: Jakob Sachs (re.) von Altona 93. Foto: Hänlein

Eine Pokal-Vergangenheit hat auch Jakob Sachs. Allerdings nicht unbedingt im ODDSET-Pokal, sondern sogar eine Etage höher: im DFB-Pokal. Er kickte mit Holstein Kiel gegen Borussia Dortmund. „Das war unglaublich für die Stadt Kiel. Ich habe 15 Minuten gespielt, ein tolles Erlebnis gegen die beste Elf die Dortmund je hatte mit Lewandowski, Kagawa oder Piszczek, die ja hinterher auch den Pokal gewonnen hat.“ Noch intensiver war, zumindest, was das Ergebnis angeht, das DFB-Pokalspiel, das Sachs im Trikot des VfB Lübeck gegen den FSV Mainz 05 bestritt. Der heute 32-Jährige erzielte damals das Siegtor, mit dem der VfB den Profi-Club aus dem Wettbewerb warf: „Das war total toll. Ein Wahnsinn. Sowas denkt man sich vorher nicht aus. Wir waren mit Lübeck in der Insolvenz und fast pleite. Es war wichtig damals zu gewinnen und weiterzukommen. Der Sieg war Gold wert für den Verein. Es ist schön, solche Erlebnisse in der Karriere zu haben“, sagte Sachs, der in Zukunft nur noch für die „Zweite“ von Altona 93 auflaufen wird: „Ich bin froh, dass ich künftig weniger machen kann. Das ist gut für meine Gesundheit. Altona 93 ist da ganz klar meine Nummer eins. Ich lebe den Verein und der Verein hat mir viel gegeben.“

Nach seinem Schritt aus der „Ersten“ des AFC in die Reserve wolle er, so Sachs, „noch ein, zwei Jahre spielen. Danach kann ich mir vorstellen, Co-Trainer zu werden.“ Apropos Trainer: „Es gab in der Saison einige Wut-Reden von Berkan Algan. Zum Schluss, als es um nichts mehr ging, war es einfacher als wenn du weißt, dass du unbedingt gewinnen musst“, blickt Sachs auf die Regionalliga-Spielzeit des AFC zurück, „im Großen und Ganzen muss man damit klarkommen, dass andere Mannschaften besser sind, als wir. Aber, dass Hamburger Vereine für die Regionalliga melden, zeigt, dass der Amateurfußball nicht schläft. Ich finde es allgemein toll, dass Hamburger Vereine für die Regionalliga melden. Diese Liga ist aber noch mal ein Stück professioneller, da muss man damit rechnen, gegen den Abstieg zu spielen. Man muss sich dieser Herausforderung stellen“, so Sachs, der den AFC in der kommenden Spielzeit in der Oberliga gemeinsam mit der TuS Dassendorf als Favorit sieht: „Man hat einige gute Namen geholt, aber andere Vereine schlafen auch nicht. Altona muss mit der Rolle, aus der Regionalliga zu kommen, klarkommen. Die Leistungsdichte in der Oberliga wird immer enger, aber der AFC wird eine gute Rolle spielen.“

Littmann: „Jetzt wird Hoffmann genötigt, zwei Mal gegen uns zu spielen – das gönne ich ihm“

Schloss als dritter Gast die Sendung: Ex-St. Pauli-Päsident Corny Littmann (re.). Foto: Hänlein

Der Abstieg – das war lange Zeit auch ein Thema, mit dem sich der FC St. Pauli in der Zweiten Bundesliga auseinandersetzen musste. Ein Abstieg „wäre scheiße für den Verein gewesen, aber ich wäre trotzdem weiterhin ins Stadion gegangen, verriet Corny Littmann als dritter Gast der Sendung vom Montagabend und lenkte seinen Blick auf den „großen“ Nachbarn, den Hamburger SV: „Im Gegensatz zum HSV hätten wir Drittliga-Erfahrung gehabt. Der HSV weiß noch gar nicht, was genau ihm in der Zweiten Liga blüht. Im Moment gibt es einen unglaublichen Hype, der nur eine Gewissheit kennt: Der HSV steigt wieder auf. Da würde ich sagen: Ein bisschen leiser treten ist gesünder“, so der ehemalige St. Pauli-Präsident, „wenn du im Dezember bei Scheiß-Wetter in Aue spielen musst, dann Gnade dir Gott. Viel Vergnügen“, befand Littmann, der über seine eigene Amtszeit bei den „Kiezkickern“ wie folgt denkt: „Ich behalte die Zeit in guter Erinnerung und möchte sie nicht missen, aber ich brauche keine Wiederholung dieser Zeit. Die knapp acht Jahre haben mir gereicht. Was mir in Erinnerung geblieben ist, erlebe ich in jedem Spiel: „Ein neues Stadion und einen wirtschaftlich gesunden Verein, während der HSV hoch verschuldet ist. Hätte ich das vor zehn, 15 Jahren so prognostiziert, dann hätten alle gesagt: Du spinnst.“

Er habe damals nach dem Aufstieg in die Erste Liga nach dem Spiel in Fürth bewusst das Ende seiner Amtszeit als Präsident verkündet: „Besser als Erste Liga konnte es ja nicht werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Club mit dieser Mannschaft wieder absteigt, war groß. Will man dann nach einem Abstieg als Präsident von seinem Amt zurücktreten...“, so Littmann, der sich abschließend an eine Begegnung aus seiner Präsidenten-Ära noch ganz genau erinnert. Eine Begegnung mit dem damaligen und heutigen HSV-„Chef“ Bernd Hoffmann: „Wir hatten damals in einem Gespräch ein Freundschaftsspiel für einen karitativen Zweck vereinbart. Hoffmann hatte eingewilligt. Zwischen den Bernd Wehmeyer (dem damaligen HSV-Teammanager, Anm. d. Red.) und unseren Leuten war alles verabredet. Es ging nur noch um kleine Details. Hoffmann hat dann, obwohl es noch eine dritte Person gab, die bei dieser Absprache dabei war, den Schwanz eingekniffen und der Presse erzählt, der wisse nichts von so einem Gespräch und ich würde rumfantasieren. Jetzt wird Hoffmann genötigt, in der nächsten Saison gleich zwei Mal gegen uns spielen zu müssen – und das gönne ich ihm vom Herzen.“

Jan Knötzsch

Die komplette Show noch einmal im Re-LIVE