Kurioser Fünf-Meter-Freistoß erschüttert Elstern mit „angeschossener Bär-Mentalität“

Bergedorf verspielt zwei Punkte: „Wir hatten genug Torchancen!“

15. April 2018, 21:53 Uhr

Trotz einiger Unterbrechungen und Behandlungspausen gab es zur großen Überraschung am Ende keine Nachspielzeit im „Berner Beu“. Foto: Kormanjos

Es war die Szene des Spiels, die einen Gegner, der zu jenem Zeitpunkt fast schon um das dritte Gegentor bettelte, zurückholte – und die Mannschaft, die in dieser Phase alles fest im Griff hatte, völlig aus dem Konzept brachte: Bergedorf-Keeper Boris Lastro hatte den Ball sicher an sich genommen und beging dann – völlig ohne Not – einen Regelverstoß, als er die Kugel auf den Boden legte und dann wieder aufnahm, woraufhin der Kontrahent aus Berne einen indirekten Freistoß am „Elstern“-Fünfmeterraum zugesprochen bekam. Ein Geschenk des Torhüters, das Jonathan Zinn dankend annahm – 2:2 (60.)! „Das darf in dieser Liga nicht passieren und schon gar nicht am eigenen Fünfmeterraum“, ärgerte sich auch Gökhan Acar, der zusammen mit Dennis Kreutzer die Geschicke beim FCB leitet, über Lastros unerklärlichen Fauxpas.

Der Keeper des abstiegsgefährdeten Hansa-Landesligisten stand schon vor dem Abpfiff im Blickpunkt. Baris Dogan, der das Funktionsteam der Bergedorfer unterstützt, wartete lange Zeit vergeblich auf die Ankunft Lastros, der zuvor noch bei den Futsalern der Hamburg Panthers, wo er zusammen mit Yalcin Ceylani ein Torwart-Duo bildet und das Team im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft unterstützen wollte, weilte. Erst wenige Augenblicke vor dem Anpfiff traf Lastro im „Berner Beu“ ein. Aber auch seine Teamkollegen brauchten etwas, um ins Spiel zu finden. Denn in der zehnten Minute gingen die Hausherren in Front, als Philipp von Karger einen Zinn-Freistoß per Kopf ablegte und Justin Lübcke das Leder unglücklich in die eigenen Maschen bugsierte! Nachdem Berne die Begegnung in der Anfangsphase noch offen gestalten konnte und selbst zu Chancen kam, übernahmen die „Elstern“ ab der 25. Minute mehr und mehr das Ruder. Die Folge: Ulas Dogan bat Burak Batbayli auf der rechten Seite zum Tanz und bekam die Höchstpunktzahl. Seine Hereingabe verwertete Arnold Lechler am zweiten Pfosten zum 1:1 (27.)! Der Beginn der totalen Bergedorfer Dominanz.

Acar: „Fünf Minuten länger - und wir hätten wahrscheinlich das Dritte gemacht“

Ulas Dogan (re.) holt sich bei einer dieser Unterbrechungen Instruktionen von Trainer Dennis Kreutzer (Mi.) ab.

Nach einem kapitalen Querpass am eigenen Strafraum von TuS-Captain Lars Richter hätte Dogan seine Mannen bereits auf die Siegerstraße bringen können, doch Jan Mehlhorn, der schon auf dem Weg ins andere Eck war, rettete mit starker Fußabwehr (36.). Kurz vor der Pause pressten die Gäste den Kontrahenten aber derart früh zu, dass der zweite Torerfolg die logische Konsequenz war. Nach Balleroberung von Tarec Blohm fasste sich Lechler aus 19 Metern ein Herz und traf mit Hilfe des linken Innenpfostens (44.)! „Wäre die erste Halbzeit fünf Minuten länger gewesen, hätten wir wahrscheinlich noch das Dritte gemacht“, so Acar, dessen Team nun mächtig aufs Gaspedal trat, sodass der (sehr frühe) Pausenpfiff von Referee Gerrit Breetholt (GW Eimsbüttel) für die „Berner Boys“ zur rechten Zeit kam. Nach der Pause ging es jedoch erstmal so weiter – bis zum Aussetzer von Boris Lastro, der dem Gegner wieder Leben einhauchte. Gleichzeitig war jenes 2:2 ein regelrechter Schock für die Gäste. „Man betreibt so viel Aufwand und bekommt dann solch ein selbst verschuldetes Murmeltor. Das ist dann natürlich auch Kopfsache und frustriert die Jungs“, so Acar.

„Wir hätten mindestens einen Elfmeter kriegen müssen – eigentlich zwei“

Doch in der Schlussphase fing sich der FCB wieder und kam zu Gelegenheiten. Blohm köpfte einen Dogan-Freistoß aus kurzer Distanz genau in Mehlhorns Arme (72.), ehe Lübckes langer Diagonalball auf der Brust von Lechler landete. Dieser legte sich die Kugel in den Lauf und hatte nur noch den Berner Schlussmann vor sich – doch dieser blieb Sieger (87.). Und dann wären da noch zwei Szenen, die für reichlich Diskussionsstoff sorgten: Im ersten Abschnitt riss und zerrte von Karger so lange am Trikot von Lechler, bis dieser zu Boden ging (22.). Der fällige Elfmeterpfiff blieb aber ebenso aus wie fünf Minuten vor Ultimo, als Zinn im eigenen Sechzehner den Knöchel des ehemaligen AFC-Angreifers traf. „Wir hätten mindestens einen Elfmeter kriegen müssen – eigentlich zwei“, ärgerte sich Acar. Zu allem Überfluss pfiff Schiri Breetholt die Partie auch noch – trotz diverser verletzungsbedingten Unterbrechungen – überpünktlich ab. Acar: „Das ist einfach bitter!“ Und weiter: „Ein Dreier war eigentlich Pflicht. Die Einstellung war gut und wir haben über weite Strecken auch ein gutes Spiel gemacht. Aber wenn man vorne die Tore nicht macht, gewinnt man kein Spiel.“

Neben: „Man hat die Willensstärke von Bergedorf gemerkt“

Das Remis stellte die „Elstern“ im Endeffekt nicht zufrieden.

Schließlich kramte Acar seinen Notizzettel, den er sich während des Spiels machte, hervor – und gab zu Protokoll: „Wir haben 20 zu sechs Torschüsse, davon zwölf zu drei oder vier Großchancen. Dann darf man sich am Ende nicht wundern, wenn man nur mit einem Punkt dasteht. Wir hatten genug Torchancen – daran hat es sicher nicht gelegen!“ Eine weitere ernüchternde Bilanz: „Wir haben zwölf Ecken – und aus keiner kreieren wir eine echte Chance. Und das, obwohl wir mit Arnold (Lechler; Anm. d. Red.), Justin (Lübcke), Georges (Nkengni) oder auch Tarec (Blohm) große und kopfballstarke Spieler haben. Das ist dann zu wenig.“ Währenddessen bilanzierte Frank Neben: „Wir sind aufgrund der Situation, in der wir stecken, mit vielen Verletzten auf entscheidenden Positionen, zufrieden mit dem Punkt und haben alles gegeben.“ Zur Bergedorfer Druckphase meinte er: „Das mussten sie ja auch machen. Sie stehen mit dem Rücken zur Wand.“ Dennoch befand er: „Man hat die Willensstärke von Bergedorf gemerkt und sie haben auch mehr Zweikämpfe gewonnen. Dann kannst du Mannschaften mit dieser angeschossenen Bär-Mentalität, wo du wirklich um dich schlägst, auch verunsichern und am Ende kann man es dann auch verlieren.“ Zum glücklichen Zustandekommen des Treffers zum 2:2 sagte Neben: „Wir haben ihn ja auch in irgendeiner Art und Weise zum Fehler gezwungen. Aber da kann man mal sehen, wie viel der Kopf ausmacht“, in Anlehnung an die Tatsache, dass das Bergedorfer Powerplay danach erstmal vorbei war und seine Equipe plötzlich wieder Morgenluft witterte. 

Autor: Dennis Kormanjos