„Wir haben Harakiri gespielt!“: „Vierfach-Vincent“ vermiest Türkiyes Sensations-Comeback

Sechs Tore in zehn Minuten – irres Spektakel in der Schlussphase!

30. März 2018, 19:07 Uhr

Treffsicheres Teutonen-Trio: Vincent Boock, Aytac Erman und Georgios Cholevas (v. li.) jubeln. Foto: KBS-Picture

Ein schönes Freistoßtor und ein wenig Ergebniskosmetik – mehr schien der Treffer von Türkiyes Tolga Tüter zum 2:5 in der 74. Minute des Spiels gegen den FC Teutonia 05 zunächst nicht zu sein. Dass daraus noch eine Aufholjagd bis zum 5:5 werden würde, war da noch nicht abzusehen. Dass trotz dieses sensationellen Ausgleichs am Ende dennoch Teutonia gewinnen würde, war ebenso wenig abzusehen. Doch die Schlussphase dieser von den Defensivschwächen beider Teams geprägten Begegnung hielt alles bereit, was das Fußballherz begehrt – inklusive einer umstrittenen Schiedsrichterentscheidung.

Teutonias Trainer Sören Titze schilderte noch immer erstaunt vom Spielverlauf seine Eindrücke von einer Partie, die wohl keiner der Spieler, Trainer und anwesenden Fans so schnell vergessen wird: „Wir waren das ganze Spiel über defensiv nicht gut, haben dem Gegner viel zu viele Räume gelassen und viele Zweikämpfe verloren. Wir haben am Ende davon profitiert, dass der Gegner noch größere Defensivprobleme hatte als wir“, erklärte der Übungsleiter der Gäste nach dem Abpfiff.


Es dauerte knapp 13 Minuten bis das erste der insgesamt zwölf Tore dieser Begegnung fiel. Veli Sulejmani spielte vor dem Strafraum auf Vincent Boock. Der zog stark an zwei Gegenspielern vorbei und vollendete eiskalt ins linke untere Eck. Kurz darauf hätte Aytac Erman das 0:2 nachlegen können. Doch der Stürmer scheiterte nach einer scharfen Hereingabe von Maximilian Fischer an Türkiye-Keeper Capa (17.). Das rächte sich wenig später, denn so konnte Türkiye zum Ausgleich kommen. Sascha de la Cuesta schickte Mümin Mus mit einem perfekten Steilpass auf die Reise. Der war daraufhin alleine durch, behielt die Nerven und traf platziert in die lange Ecke (20.). Von defensiver Stabilität war weder bei Teutonia noch bei Türkiye viel zu sehen. Besonders die Hausherren wussten sich häufig nur mit Foulspielen zu helfen und verursachten damit viele gefährliche Standardsituationen. Eine davon nutzte Teutonia, um wieder in Führung zu gehen: Michael Meyer flankte einen Freistoß in den Sechzehner. Dort stieg der 1,76 Meter große Georgios Cholevas am höchsten (!) und traf per Kopf zum 1:2 (32.). Noch vor der Pause legte Erman das 1:3 nach. Boock kam auf dem linken Flügel spielerisch leicht durch, passte quer und Erman durfte ungehindert einschieben (41.).

Titze: „So etwas habe ich noch nie erlebt!“

Türkiyes Tolga Tüter gelang ein Doppelpack. Foto: KBS-Picture.de

Als kurz nach der Halbzeit das 1:4 fiel, schien dies die endgültige Entscheidung zu sein. Eine Ecke von Türkiye war in einen Konter gemündet, den Sulejmani nach Zuspiel von Erman und starkem Tempolauf souverän abschloss (52.). Spätestens mit dem 1:5 nahm das vermeintliche Türkiye-Debakel dann immer ernsthaftere Formen an. Torhüter Capa hatte sich zugetraut ins Dribbling gegen Boock zu gehen. Der eroberte jedoch den Ball und durfte dann ins verwaiste Tor einschieben (68.). „Ich dachte zu diesem Zeitpunkt, dass ich die Jungs nach Abpfiff für eine defensiv bessere Leistung nach der Halbzeit und einen insgesamt doch souveränen Auftritt würde loben können“, beschrieb Teutonia-Coach Titze. Doch, was folgte war mehr als spektakulär. 


Die Aufholjagd des FC Türkiye begann mit einem Freistoß, den Tolga Tüter maßgenau in den rechten Giebel versenkte (74.). Gefeiert wurde dieser Treffer aber noch nicht so richtig. Erste Hoffnung keimte bei den Hausherren dann nach dem 3:5 auf. Mus bediente Sebastien Mankumbani, der viel zu frei war und keine Probleme hatte, die Kugel im Tor zu versenken (76.). Plötzlich war jeder Türkiye-Angriff ein Treffer. Hakan Suyer kam im Strafraum zum Abschluss. Keeper Mirko Oest konnte diesen noch nach vorne abwehren, dort stand jedoch Mus bereit, der zum 4:5 einköpfte (78.). Die Hektik der Teutonen war danach greifbar. Isaac Akyere legte den quirligen Mus, als dieser im Sechzehner vorbeiziehen wollte. Den fälligen Elfmeter verwandelte Tüter sicher (81.). Teutonen-Trainer Titze erklärte: „Ich habe noch keine richtige Erklärung dafür, wie wir innerhalb von sieben Minuten vier Gegentore kassieren konnten. Ich habe schon viele verrückte Fußballspiele gesehen, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt. Eigentlich hatten wir das Spiel beim Stand von 5:1 für uns im Griff. Ich glaube nicht, dass zu diesem Zeitpunkt noch irgendjemand – auch nicht beim Gegner – daran geglaubt hatte, dass es hier noch knapp werden könnte.“

Boock: „Ich habe den Ball dann einfach reingeschossen“

Kaum aufzuhalten: Teutonias Vincent Boock (re.) gelangen gleich vier (!) Treffer. Foto: KBS-Picture.de

Doch irgendwie passte es zu dieser Partie, dass sie eine weitere Wendung nahm. Denn nicht etwa Türkiye machte noch den Sieg klar, sondern die Gäste von Teutonia. Einen Freistoß aus etwa  20 Metern führte Boock aus, während Keeper Capa noch die Mauer stellte und erzielte so das 5:6 (82.). „Mein Mitspieler Onur Saglam hatte mitbekommen, dass der Schiedsrichter nichts davon gesagt hatte, dass er den Freistoß erst per Pfiff freigibt. Er hat mir das dann gesagt, der Torwart war noch mit der Mauer beschäftigt, und ich habe den Ball einfach reingeschossen. Mehr als den Freistoß wiederholen zu müssen, hätte ja nicht passieren können“, erklärte Boock. Schiedsrichter Alexander Nehls gab den Treffer unter großen Protesten der Türkiye-Spieler. Erneut Boock machte mit seinem Tor zum 5:7 nach Pass von Erman dann den Teutonia-Sieg perfekt. Denn noch einmal kamen die Hausherren nicht zurück. 


„Ich freue mich jetzt einfach über die drei Punkte. Die Defizite werden wir noch aufarbeiten“, resümierte Titze, während sich sein Gegenüber beim FC Türkiye, Michael Fischer, verständlicherweise ärgerte: „Es ist bitter für die Jungs, die nach dem 1:5 alle weitergekämpft haben, dass man dann doch noch 5:7 verliert. Andererseits muss man auch sagen, dass wir nach dem 5:5 viel zu überdreht waren. Wr haben mal wieder 'Harakiri' gespielt. Anstatt den Punkt mitzunehmen, wollten die Jungs unbedingt gewinnen und waren dadurch zu hektisch.“ Zum letzten Knackpunkt, dem Freistoß zum 5:6, erklärte Fischer: „Der Schiedsrichter hat erklärt, dass der Schütze prinzpiell das Recht hat, den Freistoß schnell auszuführen. Das müssen wir so hinnehmen.“

Autor: Josa Schnell

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