„Überlebensnotwendig“: Türkiye triumphiert - „Niederlage wäre der Abstieg gewesen“

Pinneberg erst düpiert - Aufbäumen kommt zu spät

17. März 2018, 19:18 Uhr

Strahlte nach Spielschluss: Michael Fischer feierte den ersten Sieg als Cheftrainer des FC Türkiye - und das ausgerechnet gegen den Ex-Club. Foto: KBS-Picture.de

„Es fällt mir schwer“, unkte Pinnebergs „Kult-Betreuer“ Willy Ketterer, ehe er seinem langjährigen Weggefährten aus gemeinsamen VfL-Zeiten, Michael Fischer, in die Arme fiel und zum Sieg gratulierte. Fischer selbst schob jegliche Sentimentalitäten beiseite. „Es ist mir egal, ob ich gegen TuS Appen, Bayern München oder VfL Pinneberg spiele. Entscheidend ist: Wir brauchen Punkte. Ob nun gegen Pinneberg oder wen auch immer.“

Es waren noch keine 20 Zeigerumdrehungen vorüber, als VfL-Kapitän Fabian Knottnerus auf dem Kunstrasenplatz an der Dratelnstraße bereits die Hutschnur platzte: „Nicht Hacke, Spitze – Abstiegskampf!“, forderte er seine Mitspieler zu mehr Einsatz und Wille auf. Denn den Gästen schwammen zu jenem Zeitpunkt bereits die Fälle davon. Dabei sorgte Torhüter Norman Baese früh für den vermeintlichen Weckruf, als er einen von Maximilian Walter völlig unnötig verursachten Strafstoß an Boris Shtarbev gegen Tolga Tüter parierte (11.). Die Pinneberger scheinbar noch im Adrenalinrausch, kassierten bei der nachfolgenden Ecke direkt das 0:1: Der starke Sahin Taflan fand am zweiten Pfosten den Kopf von Shtarbev und der traf unter die Latte (12.)! Nachdem Christian Kulicke, von Jan-Hendrik Kaetow bedient, die Chance auf den Ausgleich gegen Tobias Braun vergab (15.), schlugen die Wilhelmsburger ein zweites Mal zu. Nicht zuletzt, weil Pinneberg unwahrscheinlich hoch verteidigte und fast schon kinderleicht ausgespielt wurde. Shtarbev hatte nach eigener Balleroberung auf der linken Seite alle Zeit der Welt und legte freistehend noch einmal uneigennützig quer, sodass Tüter keine Mühe mehr hatte, die Führung zu verdoppeln (18.)!

Fischer: „Die Jungs haben das in der ersten Halbzeit überragend gemacht“

Erzielte einen Doppelpack und zeigte eine starke Leistung: Boris Shtarbev. Foto: KBS-Picture.de

Da Fischer-Nachfolger Thorben Reibe, lange Jahre der verlängerte Arm des jetzigen Türkiye-Coaches auf dem Platz, auf die gesperrten Alexander Borck, Arend Müller und Lennart Dora verzichten musste und drei weitere Akteure krankheitsbedingt kurzfristig absagten, musste der VfL-Übungsleiter den ohnehin schon dünnen Kader mit Spielern aus der Zweiten auffüllen. Mehr noch. Ussumane Jau und Hischem Oudjouadj kamen in diesem Abstiegskrimi, der keiner werden sollte, frühzeitig für die verletzten Felix Schlumbohm (17.) und Maximilian Walter (22.) zum Zug. Am Spiel änderte sich jedoch nichts. Vielmehr nutzte der FC Türkiye die sich bietenden Räume immer wieder gnadenlos aus. Philip Pettersson mit einem Pass aus der eigenen Hälfte über die gegnerische Kette – und schon war Mümin Mus auf und davon. Der Angreifer profitierte vom zögerlichen Verhalten Baeses und überlupfte diesen aus 20 Metern zum 3:0 (33.)! Auf die Frage, ob er überrascht war, wie einfach seinem Team das Toreschießen gemacht wurde, entgegnete Fischer in seiner so typischen Art: „Nicht mein Problem. Wir haben das gemacht, was wir machen wollten.“ Und weiter: „Ich fand, die Jungs haben das in der ersten Halbzeit überragend gemacht. Klasse Spiel, tolle Tore!“

Pinneberg kommt ran - aber Braun „muss nicht Parade seines Lebens auspacken“

Nach der Pause nahm auch Pinneberg am Geschehen teil – und urplötzlich kam sogar wieder ein wenig Spannung auf, als Kaetow von Onur Tüysüz zu Boden gedrückt wurde und der Gefoulte vom Punkt eiskalt blieb (65.). Nur noch 1:3 aus VfL-Sicht! In der Folge riss Kaetow das Spiel mehr und mehr an sich. Aber: Pinneberg kam so gut wie gar nicht durch. Vor allem Türkiye-Innenverteidiger René Schröder räumte hinten kompromisslos auf. „Die zweite Halbzeit war so ein bisschen dem geschuldet, dass wir die letzten Wochen viel auf die Fresse bekommen haben. Da war dann wieder die Hektik da und nach dem Gegentor fangen alle wieder an zu überlegen. Wir haben da viele Dinge nicht mehr so konzentriert gelöst“, so Fischer, der aber auch erkannte: „Wir haben zwar ein bisschen gewackelt, aber Tobi Braun musste auch nicht einmal die Parade seines Lebens auspacken.“ Stattdessen betonte er: „Nach einem 4:1 werde ich den Teufel tun und irgendwas Negatives raussuchen. Das waren drei unglaublich wichtige Punkte.“ Für das bereits angesprochene vierte Türkiye-Tor sorgte wieder der starke Shtarbev, der vom ebenfalls gut aufgelegten Taflan bestens in Szene gesetzt wurde und dann per Dropkick trocken abschloss (81.)!

„Pflichtsiege sind dazu da, um sie einzufahren“

Jan-Hendrik Kaetow stemmte sich am Ende vergebens gegen die Niederlage. Foto: KBS-Picture.de

Wie immens wichtig dieser Sieg gegen einen direkten Konkurrenten war, verdeutlichte Fischer, der ebenfalls auf eine ganze Reihe an Leistungsträgern verzichte musste, im Nachgang noch einmal mit folgender Aussage: „Ich habe vor dem Spiel schon gesagt: Verlieren ist der Abstieg, ein Punkt ist fast zu wenig und ein Sieg ist Pflicht. Genau dieselbe Konstellation wie in der nächsten Woche gegen Billstedt. Darüber brauch man überhaupt nicht zu diskutieren. Heute haben sich die Jungs mal belohnt und einen überlebensnotwendigen Dreier eingefahren.“ Denn „Fischi“ weiß auch: „Es ist ein bisschen ärgerlich, so wie die Konstellation aussieht, dass einer von beiden definitiv runtergehen wird“, sprach er nochmal auf die derzeitige Situation von Ex-Club Pinneberg und Neu-Verein Türkiye an, ehe er abschließend verriet, wie sein erster Sieg als Trainer der Wilhelmsburger – und das ausgerechnet gegen „seine“ Pinneberger, wo er zehneinhalb Jahre lang im Amt war – nun gefeiert wird: „Pflichtsiege sind dazu da, um sie einzufahren. Gefeiert wird dann, wenn der Klassenerhalt geschafft ist!“

Autor: Dennis Kormanjos