Stier: „Ich bin ein Typ, der sich immer hohe Ziele setzt“

BU-Neucoach im Interview über eigene Karriere und neue Aufgabe

14. Februar 2018, 15:22 Uhr

BU-Neucoach Marco Stier (Mi.) eingerahmt von Frank Meyer (li., Präsident) und Volker Brumm (re., Liga-Beauftragter). Foto: Dimitri Ismer/BU

Er war eines der größten und hoffnungsvollsten Talente Deutschlands, durchlief sämtliche U-Nationalmannschaften und erzielte Tor um Tor. Doch am Ende blieb ihm der ganz große Durchbruch verwehrt – weil ihn etliche Verletzungen zu einem frühzeitigen Karriereende zwangen. Insgesamt habe er „neun Operationen“ hinter sich, verrät uns Marco Stier, der zur neuen Saison das Traineramt beim HSV Barmbek-Uhlenhorst übernehmen wird.

Der gebürtige Hamburger spielte in der Jugend für den SV St. Georg, Concordia und den FC St. Pauli, ehe er mit gerade einmal 15 Jahren „zum FC Bayern eingeladen“ wurde. Der mittlerweile 33-Jährige entschied sich jedoch für einen Wechsel zu Werder Bremen, wo er bereits zu Jugendzeiten am Fließband traf, zwei Jahrgänge übersprang und mit 30 Treffern zum besten Torschützen der A-Bundesliga avancierte. Kein Wunder also, dass Stier noch vor Bastian Schweinsteiger, Piotr Trochowski oder auch Alexander Meier zum bundesweit größten Talent gewählt wurde. Seine Fähigkeiten brachten ihm bereits mit 16 Jahren einen Profivertrag an der Weser ein. Eine steile Karriere wurde ihm prognostiziert, doch daraus wurde nichts. „Mit 21 Jahren bin ich von einer Verletzung in die nächste gerasselt“, erinnert er sich. „Hinzu kam, dass ich zu der Zeit auch immer wieder mit Wehwehchen gespielt habe. Letztlich musste ich in der Zeit auch einige Schicksalsschläge verkraften, die einen jungen Spieler aus der Bahn werfen.“

"Wollten unseren Lebensmittelpunkt wieder nach Hamburg verlegen"

Seit nunmehr vier Jahren arbeitet Stier als Trainer – und das durchaus mit Erfolg. Zunächst führte er in Bayern die Sportfreunde Aying von der Kreis- bis in die Bezirksliga. Derzeit coacht er den Bayernligisten BCF Wolfratshausen, ehe im Sommer ein neues Kapitel beginnt – und das in seiner Heimat. „Ich bin inzwischen schon seit 18 Jahren mit meiner Frau zusammen, seit zwölf Jahren sind wir verheiratet und haben drei Kinder. Da meine Frau auch ein ‚Nordlicht‘ ist und wir all die Jahre aufgrund meiner Fußballer-Karriere immer in ganz Deutschland unterwegs waren und die Familie in Hamburg zu kurz gekommen ist, haben wir irgendwann aus dem Bauchgefühl heraus die Entscheidung getroffen, unseren Lebensmittelpunkt wieder nach Hamburg zu verlegen.“ Über diverse Kontakte – darunter Ex-1860-Coach Torsten Fröhling – kam letztlich der Kontakt zu BU zustande. „Ich schaue und verfolge den Hamburger Fußball seit Jahren. Zuletzt natürlich nicht mehr ganz so intensiv, aber dennoch habe ich das Geschehen verfolgt, kenne auch noch einige Leute aus meiner Zeit und pflege viele Kontakte“, so Stier, der nach dem fast schon tragischen Ende seiner eigenen Spieler- nun seine „Trainerkarriere weiter vorantreiben“ möchte.

WM 2006: "Mit 20 der 23 Nationalspieler habe ich selbst zusammengespielt"

Mit Argusaugen verfolgte Stier bereits den Auftritt der Barmbeker gegen Türkiye am letzten Sonntag. Foto: Dimitri Ismer/BU

„BU ist ein geiler Verein mit viel Tradition!“, schwärmt Stier, der nach seiner Zeit in Bremen noch beim FC Bayern II und Holstein Kiel kickte, ehe die Laufbahn im Jahr 2012 beim Halleschen FC ein Ende fand. Es brauchte seine Zeit, bis er mit dem Kapitel abschließen konnte. Eine Anekdote: „Vor allem 2006 bei der WM im eigenen Land war ich an so einem Punkt. Mit 20 der 23 Nationalspieler habe ich selbst noch zusammengespielt. Da kommt einem schon mal die Frage in den Kopf: Was wäre gewesen, wenn du gesund geblieben wärst?“ Nun, einige Jahre später, betont er allerdings: „Jetzt habe ich damit komplett abgeschlossen, der Ehrgeiz ist aber geblieben!“ Und diesen legt er nun voll in seine „neue“ Karriere als Trainer. „Ich habe richtig Bock auf BU!“ Bis es aber so weit ist, will er mit seinem jetzigen Klub in der Bayernliga einen erfolgreichen Abschluss feiern. „Wichtig ist, dass meine jetzige Aufgabe nicht zu kurz kommt. Ich werde bis zum letzten Tag alles geben“, verspricht er, erklärt aber gleichzeitig, dass er aktuell bereits zweigleisig plane und Gespräche mit Spielern aus dem aktuellen Kader von BU über einen möglichen Verbleib für die nächste Saison, aber auch mit externen Akteuren führt.

"Jederzeit bedingungslose Leidenschaft"

„Jeder in Hamburg kennt BU, das Stadion und das familiäre Umfeld. Genau das ist es, was ich brauche“, so Stier, der sich am vergangenen Wochenende am Rande des Spiels gegen den FC Türkiye (5:2) der Mannschaft vorstellte. „Aus Respekt dem jetzigen Trainerteam gegenüber habe ich aber nur einige Worte verloren. Einfach, damit die Mannschaft mein Gesicht schon mal kennenlernt.“ Seine Devise: „Ich versuche jeden Spieler dazu zu bringen, dass er jederzeit bedingungslose Leidenschaft an den Tag legt. Wir wollen hoch verteidigen, früh pressen, den Gegner zu Fehlern zwingen und dominant auftreten.“ Wie ernst er seine neue Mission bereits jetzt nimmt, wird allein schon beim Blick auf die Planung des kommenden Wochenendes deutlich: „Am Freitag schaue ich mir Vicky gegen Concordia an. Am Samstag dann zunächst Dassendorf gegen Wedel, im Anschluss Curslack gegen Condor. Und am Sonntag bin ich bei Teutonia gegen Süderelbe und danach natürlich beim Spiel von BU in Niendorf.“ Ein straffes Programm, ehe es am nächsten Morgen zurück in seine Noch-Heimat geht. Und wenn er selbst mal nicht nach Hamburg kommen kann, verfolgt er jedes BU-Spiel per Videoaufzeichnung. „Die Qualität der Aufnahmen ist wirklich gut“, meint das einstige Ausnahmetalent, das nun als Trainer durchstarten will. „Ich bin ein Typ, der sich immer große Ziele setzt – und keiner, der um Platz zehn spielen möchte.“

Regionalliga? "Das Wort fiel nicht einmal..."

Bevor man sich allerdings mit konkreten Zielen beschäftigt, steht erstmal die Kaderplanung im Vordergrund. „Ich befinde mich in intensiven Gesprächen mit Spielern aus dem aktuellen Kader. Bisher waren diese sehr positiv. Wenn ich jetzt wieder in Hamburg bin, stehen die nächsten an“, so Stier, der auf Nachfrage, ob die Regionalliga in den Planungen für die neue Saison eine Rolle spiele, entgegnet: „In den Gesprächen mit den Verantwortlichen fiel das Wort nicht einmal.“ Aber mittlerweile wissen wir ja, dass Marco Stier „sehr erfolgshungrig“ ist und mit Sicherheit auch den höchstmöglichen Ertrag anstrebt...

Autor: Dennis Kormanjos