„Ich brauche Leute, die Fußball ernst nehmen und nicht nur zum Kicken kommen“

Der neue TBS-Coach Haydar Akdemir spricht über seine Ziele und Pläne an der Müssentwiete

18. Januar 2018, 14:52 Uhr

Haydar Akdemir, hier noch im Teutonia-Trikot, will TBS Pinneberg als Coach einen neuen Ruf verleihen. Archivfoto: noveski.com

In die intensive Phase der Gespräche ging es kurz vor den Weihnachtstagen, die Vollzugsmeldung folgte in der vergangenen Woche: Haydar Akdemir ist neuer Trainer beim Landesliga Hammonia-Club TBS Pinneberg. „Das war alles schon relativ kurzfristig und deshalb für Einige sicher auch überraschend“, sagt der 30-Jährige. Wir haben mit dem ehemaligen Profi, der in der Türkei in der Zweiten Liga spielte und in der Jugend des Hamburger SV groß wurde, über seine neue Aufgabe gesprochen. Dabei äußert sich Akdemir nicht nur über seine kurz- und langfristigen Ziele mit der Mannschaft, den angestrebten Image-Wechsel des Vereins und darüber, wie er als Trainer tickt, sondern verrät auch gleich noch ein paar Neuzugänge, die den Verein von der Müssentwiete verstärken. 

„Es gab auf jeden Fall viele Glückwünsche. Eine ganze Menge davon bei Facebook. Viele haben mich aber auch angerufen“, berichtet Haydar Akdemir, dass seine neue Tätigkeit bei TBS Pinneberg auf jede Menge Interesse stieß. Dabei war lange Zeit gar nicht klar, dass der 30-Jährige den Hammonia-Landesligisten überhaupt übernehmen würde. „Mit meinem vorherigen Verein, dem SV Krupunder-Lohkamp, bin ich seit Oktober getrennte Wege gegangen. Dann hat es sich so ergeben, dass TBS einen Spieler wollte, der unter mir gespielt hat. Der wiederum hat mir dann erzählt, dass TBS gerade einen Trainer sucht. Danach haben wir die ersten Gespräche geführt. Es hat ein paar Wochen gedauert, weil noch zwei andere Trainerkandidaten im Gespräch waren. Kurz vor Weihnachten war dann alles soweit klar“, berichtet Akdemir, „es war also relativ kurzfristig und nicht von langer Hand geplant, dass ich bei TBS anfange.“

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Mit Nezuzgang Deniz Türkoglu spielte Akdemir gemeinsam beim Hammonia-Landesligisten TuRa Harksheide. Archivfoto: noveski.com

Nun aber ist die berühmte sprichwörtliche Katze aus dem Sack und die Sache fix. Aber ist es nicht für einen Trainer, der zuvor mit Krupunder-Lohkamp gerade einmal eine Trainerstation in seiner Karriere an der Seitenlinie hinter sich hat, nicht ein Himmelfahrtskommando, ausgerechnet das abgeschlagene Schlusslicht der Hammonia-Staffel zu übernehmen? Was reizt einen Coach an so einer eigentlich aussichtslosen Aufgabe? „Die Mannschaft selbst hat kein Landesliga-Format. Das muss man beim Blick auf die Tabelle einfach mal zugeben. Für mich als Trainer ist es wichtig, diese Erfahrung dennoch mitzunehmen. Die Landesliga ist das Niveau, das zu mir als Coach passt“, sagt Akdogan und erklärt auch direkt, warum er das so sieht: „Ich brauche Leute, die Fußball ernst nehmen und nicht nur am Spieltag zum Kicken kommen.“ Ein Umstand, der in der Landes- eher gegeben ist als in der Kreisliga oder noch tiefer. „Natürlich ist nicht mehr viel zu holen. Die wichtigste Aufgabe besteht darin, dass wir ein gutes Klima erzeugen, wieder Spaß in die Mannschaft bringen und so erreichen, dass die Jungs wieder zum Training kommen. Die Truppe hat seit drei oder vier Monaten nicht mehr regelmäßig trainiert. Wir müssen den Punkt erreichen, dass dauerhaft wieder 14, 15 Mann beim Training sind und nicht nur Absagen kommen“, umreißt der Ex-Innenverteidiger die kurzfristigen Ziele, die es anzugehen gilt.

„Wir wollen“, so gibt es Akdemir zu Protokoll, „versuchen, das Beste daraus zu machen.“ Das Beste – das soll in diesem Kontext heißen, „dass wir ein gutes Team formen möchten, dass dann im Sommer durch Neuzugänge verstärkt wird und dann einen neuen Angriff unternehmen kann“, verdeutlicht Akdemir. Stichwort Zugänge: Bereits für die verbleibende Restserie konnte TBS neun „Neue“ an die Müssentwiete locken. „Ich hatte mit noch mehr Zugängen gerechnet, aber im Winter ist es immer schwer, Spieler zu bekommen.“ Einige davon bringt Akdemir von Krupunder-Lohkamp mit („Das sind Jungs, die damals meinetwegen dorthin gewechselt sind und gesagt haben: Haydar, wenn du irgendwohin gehst, dann kommen wir mit“). Mit Alper Bas, Furkan Simsek und Fatih Ertürk kommen drei Akteure zurück, die in der Vergangenheit schon das Trikot von TBS trugen. Zudem begeisterte Akdemir auch Tolga Pamukoglu („Ihn kenne ich noch aus der Zeit im Nachwuchs beim FC St. Pauli“), der in der Jugend beim VfB Lübeck und beim JFV Oststeinbek spielte und anschließend unter anderem für Inter 2000, den Oststeinbeker SV, beim NTSV Strand 08 und bei Nikola Tesla am Ball war, und Deniz Türkoglu (zuletzt Zonguldakspor), mit dem Akdemir gemeinsam beim Hammonia-Landesligisten TuRa Harksheide unter Coach Marcus Fürstenberg kickte, von einem TBS-Engagement.

„Wir wollen den alten Ruf von TBS loswerden“

Haydar Akdemir (re.) bei seiner Vorstellung als Coach in der vergangenen Woche. Foto; TBS/Facebook

Auch, wie er seine neue Mannschaft spielen lassen will, weiß der 30-Jährige bereits: „Da ich beim HSV groß geworden bin, bin ich ein Rauten-Spieler. Dieses System will ich auch bei TBS gerne weiter versuchen. Ich weiß aber nicht, ob uns das gelingt. Wir haben gerade mal eine Woche trainiert, aber einige Spieler kommen bereits jetzt an ihre Grenzen, weil das Training der vergangenen Monate fehlt. Mein Ziel ist es zwar, ein 4-4-2 spielen zu lassen, weil ich das für das beste System halte, aber momentan ist es am wahrscheinlichsten, dass wir mit einem 4-5-1 auflaufen werden, weil unsere Fitness noch nicht so ganz mitspielt“, konstatiert Akdemir, der von sich selbst sagt: „Ich habe früher als Spieler immer gesagt: Wenn ich mal Trainer werde, dann will ich ein gelassener Coach sein, der einen guten Draht zu seinen Spielern hat, aber klar erkennbar nicht deren Freund, sondern immer noch der Trainer ist.“ Für seine Karriere an der Linie habe er sich „bei allen Trainern, die ich hatte, etwas abgeguckt. Sei es von Steffen Brauer und Stefan Hildebrandt in der Jugend vom HSV, bei Sven und Bernd Rasmus (unter den beiden spielte Akdemir beim SV Osdorfer Born, Anm. d. Red.) oder aber bei Frank Pieper-von Valtier in meiner Zeit bei BU. Ich habe mir das rausgezogen, was ich brauche.“ Unterstützung wird Akdemir übrigens von Ali Büyükarzuman erhalten, der bei Krupunder-Lohkamp sein Spieler war. Allerdings wird Akdemirs „Co“ aus familiären Gründen erstmal drei Monate pausieren.

Er lege, so verrät der Neu-Coach weiter, viel Wert auf Disziplin. „Die hat oberste Priorität. Mit Disziplin schafft man alles. Wenn man immer nur locker oder cool ist, dann ist es schwierig. Man braucht eine Kontinuität, um ein gewisses Level zu erreichen. Ich werde bei Disziplinlosigkeiten auch vor Namen nicht halt machen“, berichtet Akdemir, der von sich selbst sagt: „Ich bin manchmal engstirnig und dickköpfig, wenn ich Sachen durchsetzen will, von denen ich weiß, dass sie funktionieren.“ Doch das ist nur die eine Seite des Coaches. Die andere? „Als Jungprofi in der Türkei (Akdemir spielte für den Zweitligisten Adana Demirspor, Anm. d. Red.) musste ich so viel wie möglich trainieren. Es war fünf bis sechs Mal Training, aber ich hab' immer noch mehr gemacht. Diese Einstellung möchte ich auch in den Amateurfussball einbringen“, verdeutlicht Akdemir und verlautbart abschließend: „Wir wollen den alten Ruf von TBS aus der Zeit, als hier immense Summen an Söldner gezahlt wurden, loswerden. Ich habe die 100-prozentige Unterstützung vom Vorstand. Wir wollen weg vom Image des chaotischen türkischen Vereins.“

Jan Knötzsch