St. Pauli gewinnt U23-Derby dank traumhaftem Blitzstart!

"Rothosen" verschlafen Anfangsphase und stecken weiterhin im Abstiegskampf

23. April 2016, 00:29 Uhr

Riesen Jubel: Der FC St. Pauli konnte das brisante Derby gegen die HSV-Reserve für sich entscheiden. Foto: noveski.com

Trifft die U23 des FC St. Pauli auf die Youngster des Hamburger SV, bringt dieses Spiel alleine schon eine Menge Brisanz mit sich. Kämpfen dann auch noch beide Teams gegen den Abstieg, ist die Partie an Spannung kaum noch zu übertreffen. Und so konnte der Sieger des heißen Derbys den direkten Kontrahenten einige Bauchschmerzen bereiten und ihn in eine ungemütliche Ausgangslage für die letzten Saisonspiele bringen. Häufig wird ein solch brisantes Spiel erst einmal ruhig angegangen und die Fühler nach und nach ausgestreckt – anders in diesem Spiel!

Von Abtasten konnte man in dieser Partie nicht sprechen, denn was beide Teams in der Anfangsphase lieferten, hatte es in sich! Der Anpfiff ertönte und der HSV stand im Mittelkreis. Doch anstatt erst einmal die Sicherheit zu finden und hinten rum zu spielen, testeten die ’Rothosen’ mit einer dreisten Aktion die Aufmerksamkeit von St. Paulis Schlussmann Svend Brodersen, indem sie es mit einem Distanzschuss aus 50 Metern versuchten. Was dem TSV Buchholz 08 am vergangenen Wochenende in der Oberliga gegen den SV Lurup gelang, sollte auf Seiten der Hausherren höchstens für ein müdes Lächeln sorgen. 

Torschütze zum schnellen 1:0: St. Pauli Kapitän Yannick Deichmann. Foto: noveski.com

Und der Gastgeber antwortete prompt: Maurice Litka setzte sich stark auf der linken Seite gegen drei Gegenspieler durch, zog in die Mitte, wo er den Ball auf Kapitän Deichmann passte und dieser aus 18 Metern den Abschluss suchte – mit Erfolg. Das Leder knallte unhaltbar gegen den Querbalken und prallte von dort aus hinter die Linie. Was für ein Traumstart! Lediglich zwei Zeigerumdrehungen später hätten die Gastgeber frühzeitig die Gleise auf Sieg stellen können, als es erneut lichterloh im HSV-Strafraum brannte. Deichmann setzte sich gegen zwei Gegenspieler durch, allerdings konnte der herauslaufende Tom Mickel gerade noch parieren (4.). Wenn es St. Pauli aus der Distanz schafft, muss es bei uns doch auch klappen – dachte sich scheinbar HSV-Akteur Adel Daouri und versuchte sein Glück aus 17 Metern. Doch der HSV-Schütze aus dem Hinspiel setzte das Leder drei Meter rechts neben das Tor (10.).

Im direkten Gegenzug waren allerdings die Kiezkicker wieder an der Reihe. Mit ihrem frühen Gegenpressing machte die Elert-Elf es dem Gegner enorm schwer und ließ den Gast in der Defensive nicht gerade gut aussehen. Dongsu Kim verlor den Ball im eigenen Strafraum an Jan-Marc Schneider, doch dieser scheiterte aus acht Metern an Schlussmann Mickel. Das hätte die 2:0-Führung sein müssen! Allerdings machte es Schneider nur 60 Sekunden später besser: Erneut luchste er einem Gegenspieler das Leder ab, drang gegen zwei Mann in den Strafraum ein und vollendete aus sieben Metern zum umjubelten 2:0 (13.)! In der ersten Viertelstunde lief es nicht gerade optimal für das Team mit der Raute auf der Brust, wogegen sich die Braun-Weißen keinen besseren Start hätten erträumen können. „Wir haben uns vorgenommen, gut in die Partie reinzukommen – jedoch war das Gegenteil der Fall“, haderte HSV-Trainer Soner Uysal, dem „ein wenig die Worte fehlten“, mit der Anfangsphase der Partie und fügte an: „Wir haben die ersten zehn Minuten komplett verpennt, standen nicht eng genug an den Männern und haben die Dominanz vermissen lassen.“

Auf der Gegenseite war der Trainer mit dem Beginn hochzufrieden: „Symptomatisch war nach drei Minuten, mit welcher Leidenschaft Deichmann den Ball reingenagelt hat. Das 2:0 war dann der Dosenöffner“, so Remigius Elert, dessen Team „aus einer sicheren Defensive agieren wollte“, da man die „spielerische Klasse des HSV kannte“. Durch den Zwei-Tore-Vorsprung gewann man allerdings schnell an Sicherheit und Selbstvertrauen. Jedoch fehlte laut Elert „der Zugriff auf das Spiel“, denn nach den beiden frühen Toren flachte das Spiel deutlich ab und es kam nur noch selten zum Herausspielen von Torchancen. „Ich habe viel Willen gesehen, aber wenig Kopf“, analysierte der 39-jährige St. Pauli-Coach den restlichen ersten Durchgang.

Wurde die erste Halbzeit für ein Derby ungewöhnlich fair ausgetragen, kam es im zweiten Durchgang bereits nach drei Minuten zur Rudelbildung, als Finn Porath, der in der Halbzeitpause für Dongsu Kim eingewechselt wurde, Andrej Startsev zu Boden beförderte (48.). Mit Verlauf der zweiten Hälfte spielte die HSV-Reserve zielstrebiger nach vorne, erhöhte den Druck und wollte unbedingt den Anschlusstreffer erzielen. Der Gastgeber dagegen ging mit „der Prämisse in die zweite Halbzeit, organisiert und kompakt zu stehen und durch schnelles Konterspiel das 3:0 zu erzielen“, wie Elert verlauten ließ. Und die angesprochenen Konterchancen boten sich dem Gastgeber einige Male, allerdings blieben sämtliche Abschlussmöglichkeiten erfolglos. In der 81. Spielminute ging dann ein Raunen durch das Stadion Hoheluft, indem 613 Zuschauer für einen neuen Saisonrekord sorgten, als die Gäste durch Philipp Müller den Treffer zum 1:2 erzielten. Nun hatte auch das Dutzend mitgereister HSV-Fans Grund zum Jubeln, die ansonsten wohl lieber das Bundesligaspiel gegen Werder Bremen angeschaut hätten. Nico Charrier zog aus 14 Metern stumpf ab, fand zwar in Torwart Brodersen seinen Meister, aber Müller konnte den Nachschuss verwandeln! Nun wurde die Schlussphase noch einmal spürbar spannender. Die ’Rothosen’ versuchten mit allen Mitteln, den Ausgleichstreffer zu erzielen und die Kiez-Reserve konzentrierte sich darauf, das Ergebnis über die Zeit zu bringen. Schlussendlich sollte sich an dem Spielstand nichts mehr ändern, so dass die Auswechselbank der Hausherren beim Abpfiff der Partie auf das Spielfeld stürmte, um mit ihren Mitspielern zu feiern, während die HSV-Akteure mit gesenktem Kopf schnell in den Katakomben verschwanden. 

„Die restlichen 80 Minuten kann ich meiner Mannschaft nur Komplimente machen. Wir haben genügend Chancen gehabt, um den Anschlusstreffer und danach das zweite Tor zu erzielen. Leider hat es am Ende nicht geklappt“, so Uysal auf der anschließenden Pressekonferenz. Lediglich das Tor habe dem 38-Jährigen in der Offensive gefehlt.

War durchweg zufrieden: Pauli-Coach Remigius Elert. Foto: noveski.com

Auch Elert konnte seinen Jungs nur Komplimente machen: „Wie die Mannschaft in der letzten Zeit und in den letzten Spielen zusammengerückt ist, ist sensationell. Die Ergebnisse stimmten zwar nicht immer, aber der Sieg heute ist eine kleine Belohnung dafür.“ Doch was bedeutet dieser Sieg für die Kiezkicker im Tableau? Mit einem Dreier mehr auf dem Konto klettert man auf Rang elf und hat nun vier Punkte Vorsprung zum ersten Abstiegsplatz. „Wir waren unter Zugzwang und deshalb sind die drei Punkte enorm wichtig. Unser Ziel ist es, einzig und allein den Klassenerhalt zu schaffen“, so Elert abschließend. Sollten die Braun-Weißen auch in den kommenden Spielen gegen den SV Meppen und Eintracht Braunschweig II mit solch einem Blitzstart in die Partie kommen, können die Sankt Paulianer frühzeitig den Ligaverbleib feiern.

Sprach trotz der Niederlage Komplimente aus: HSV-Trainer Soner Uysal. Foto: noveski.com

Die Uysal-Elf dagegen wird in den nächsten Tagen nicht besonders ruhig schlafen können. Mit nur einem Punkt Vorsprung steht die HSV-Reserve momentan auf dem letzten Nicht-Abstiegsplatz, hat aber noch ein Spiel mehr zu absolvieren und das gerade gegen Tabellenschlusslicht TSV Schilksee. Möglicherweise also ein Joker in dieser Phase der Saison? „Wenn man auf die Ergebnisse von Schilksee schaut, wird das sicher kein Selbstläufer. Die Bereitschaft muss bei uns definitiv da sein und für mich sind das ganz ganz schwierige Spiele“, so der Gästecoach. Doch Uysal bleibt trotzdem weiterhin optimistisch: „Wenn die Art und Weise heute eine andere gewesen wäre, hätte ich kein gutes Gefühl.“

Autor: Daniel Meyer