Landesliga Hammonia

Rothosen reißen BU ins Tal: „Unser Problem liegt derzeit zwischen den Schultern!“

19. August 2023, 04:12 Uhr

Sepehr Nikroo (li.) bejubelt seinen Kopfballtreffer zum 2:1-Sieg für seinen HSV III bei BU. Foto: noveski.com

„Ihr macht einen – und dann feiern wir das Ding“, sprach Michael Koss seinen Mannen in den letzten Zügen der Partie noch einmal Mut zu. Stattdessen lag ein inzwischen wieder in sein Tor zurückgeeilter Lasse Erichsen wenige Augenblicke später komplett bedröppelt und niedergeschlagen in seinem Kasten. Im vierten Saisonspiel setzte es die dritte 1:2-Niederlage für seinen HSV Barmbek-Uhlenhorst (alle Highlights im LIVE-Ticker). „Das fühlt sich komisch an. Wir hätten aber auch heute den Platz wieder nicht als Verlierer verlassen müssen“, befand BU-Coach Michael Koss.

Martin Fedai (Mi.) brachte den Gast aus Norderstedt nach nicht einmal 240 Sekunden an der Diesekstraße auf die Siegerstraße. Foto: noveski.com

Die aus seiner Sicht spielentscheidende und für die aktuelle Situation „symptomatisch“ stehende Szene des Spiels: Nach einer Ecke von Mazlum Oguz scheiterte der am „Fünfer“ völlig freistehende Marc Lange am linken Torpfosten (54.). Im direkten Gegenzug düpierte Martin Fedai zwei Gegenspieler. Artur Krüger bediente den stark angeschlagen ins Spiel gegangenen Marcel Perz, der einen herrlichen „Diago“ auf den rechts im Strafraum lauernden Amir Arsalan Aram Bonjar spielte. Dessen direkte Abnahme aus der Luft wurde von einem Barmbeker Kopf unglücklich auf den zweiten Pfosten verlängert, wo Sepehr Nikroo im Vollsprint heranrauschte und unter die Latte einnickte – 1:2 (55.)!

„Wir haben mit Sicherheit kein überragendes Spiel gemacht, ich habe den HSV III aber nicht besser gesehen“, urteilte Koss. „Dass so eine Situation in den Köpfen manchmal etwas auslöst oder für Fragezeichen sorgt, das ist einfach menschlich“, betonte er, dass man sich wieder auf die kleinen Dinge besinnen müsse. „Ich glaube, dass weniger fußballerische Problemstellungen zu lösen sind, sondern das Problem, was wir zurzeit haben, zwischen den Schultern liegt. Da geht es nur über eine gewisse Hartnäckigkeit im Kopf, daran zu glauben, dass wir das können.“ Das Spiel gegen den Hamburger SV III habe „so ein bisschen die letzten Wochen widergespiegelt“, konstatierte Koss.

BU "pennt" und nimmt "frühen Rucksack mit"

HSV III-Torwart Patrick Tiedje (re.) und Michael Ulbricht (Mi.) laufen sich über den Haufen - und Jonas Wesemann (li.) sagt artig "Danke". Foto: noveski.com

„Man nimmt sich viel vor, ich habe bei den Jungs auch eine gute Energie und Spannung gesehen – und dann kriegst du gleich wieder so ein Ding direkt auf die Zwölf, wo wir eigentlich überhaupt keinen Stress haben“, sprach der BU-Übungsleiter auf die allererste Aktion des Spiels an, als Edward Pfister, aufgrund der dünnen Personaldecke als Linksverteidiger aufgeboten, eigentlich Nikroo in Szene setzen wollte, dieser aber nach einem Schuber von Benjamin Baffour zu Boden ging. Die Barmbeker ohne jede Zuteilung – und so marschierte Pfister mit dem Ball am Fuß einfach durch, legte quer – und fand in Fedai einen dankbaren Abnehmer (4.)!

„Das ist eine Situation, wo wir Überzahl haben, aber pennen – und dann nimmst du diesen Rucksack mit“, lief BU vor 340 Zuschauern einem frühen Rückstand hinterher. Doch nach einer guten halben Stunde profitierten die Hausherren nach einem langen Lange-Huf von einem kapitalen Missverständnis in der Rothosen-Defensive: Keeper Patrick Tiedje kam zu unentschlossen raus, auch Michael Ulbricht ging nicht entschlossen genug zu Werke – und so spritzte Jonas Wesemann dazwischen und schädelte zum Ausgleich ein (31.)!

"Es ist nicht der Wille, sondern die mentale Überzeugung"

Auf der einen Seite steigt BU-Kapitän Marc Lange (Mi.) zum Kopfball hoch und trifft aus fünf Metern nur den Pfosten... Foto: noveski.com

In der Folge aber fehlte es BU an der Durchschlagskraft in der Offensive. Kaum Abschlüsse, kaum Kreativität, kaum Chancen. „Natürlich kann man über Struktur und Abläufe sprechen. Aber in der Offensive hat das auch viel mit Gefühl zu tun. Und wenn du dann einen Rucksack mit dir herumträgst und nicht die einfachen Dinge machst, fehlt auch der Mut. Der ist aktuell nicht da. Das ist eine Konsequenz aus der Phase, in der wir sind“, so Koss, der anfügte: „Es ist nicht der Wille, sondern die mentale Überzeugung.“ Und die fehlt seinen Barmbekern im Augenblick. „Gedanklich macht das müde und frustriert auch. Ich glaube aber, der einzige Weg ist, das richtige Mindset zu haben. Denn solche Phasen gibt es im Fußball.“

Und obwohl es an der Dieselstraße im Sommer zu einem neuerlichen (Groß-)Umbruch kam und insgesamt 13 Mann nicht zur Verfügung standen, ist Koss überzeugt: „Der Kader ist gut. Die Qualität wird sich irgendwann auf Strecke auch so zusammenfinden, dass du in die richtige Spur kommst. Die Frage ist halt, wie lange das dauert. Man kann aber nicht erwarten, dass man in acht Wochen schon diese klare Hierarchie hat. Das ist ein Prozess, der einfacher vonstattengeht, wenn man erfolgreich ist. Der stottert aber, wenn man die Ergebnisse nicht erzielt werden.“ Die guten Vorbereitungsspiele und -ergebnisse haben nicht nur von außen eine hohe Erwartungshaltung geschürt, sondern auch innerhalb der Mannschaft: „Die letzten drei Ligaspiele haben wir wirklich nicht gut gespielt. Sie waren aber auch nicht grottenschlecht. Es war irgendwas dazwischen. Das einzige Spiel, was wirklich schlecht war, war die erste Halbzeit in Ahrensburg im Pokal (3:5 nach 1:4-Pausenrückstand, Anm. d. Red.). Ich glaube, dieses Pokalspiel hat uns sehr überrascht, dass das so passieren kann. Danach haben wir nicht mehr die Leichtigkeit gefunden, plötzlich war der Kopf an und Sand im Getriebe. Da musst du rauskommen. Das ist die Kunst. Aber ich bin überzeugt davon, dass die Mannschaft das hinkriegt.“

"Ein extrem starkes Landesligaspiel"

... im direkten Gegenzug schlägt es auf der anderen Seite ein, weil Sepehr Nikroo (2. v. li.) seinen Kopfball etwas besser platziert und unter dem Querbalken einschlagen lässt. Foto: noveski.com

Und wie hat sein Gegenüber die insgesamt 95 Minuten gesehen? „Meiner Meinung nach war das ein extrem starkes Landesligaspiel, wo zwei Mannschaften taktisch super und sehr diszipliniert gegen den Ball gearbeitet und wenig Fehler das Spiel entschieden haben.“ Nach dem Führungstor zum 2:1 habe man die Begegnung „mit Ballbesitz sehr gut runtergespielt und ich glaube, am Ende auch, obwohl es wenig Chancen gab, verdient gewonnen“, so Stefan Gerhke, der ein Duell „zwischen zwei Top-Mannschaften“ in der Hammonia-Staffel ausmachte. „Die sind ja auch mit vielen Verletzten behaftet und werden irgendwann anfangen, zu marschieren – und dann wird man die auch in der oberen Tabellenhälfte sehen“, fand der neue Cheftrainer der HSV-Dritten lobende Worte für den Gegner.

Obwohl man einige Ausfälle zu beklagen hatte, hätten sich angeschlagene Spieler „in den Dienst der Mannschaft gestellt, auf die Zähne gebissen und sich reingeschmissen. Das macht uns im Moment so ein bisschen aus. Denn das kannst du normal nicht kompensieren. Hut ab vor der Truppe!“

Autor: Dennis Kormanjos

Fotogalerie