Nichts mit „Dassendorf reloaded“: AFC hat vom Punkt mehr Glück als Dersim

Oberligist nach 6:5 im Elfmeterschießen im Pokal-Halbfinale

14. April 2017, 19:05 Uhr

Antreten zum Jubeln: Die AFC-Spieler eilen nach dem gehaltenen letzten Elfmeter zu ihrem Keeper Bojan Antunovic. Foto: Heiden

Es war knapp, doch am Ende hatte der Favorit die Nase vorne: Altona 93 steht im Halbfinale des ODDSET-Pokals. Die Mannschaft von Trainer Berkan Algan setzte sich im Viertelfinale beim Hansa-Landesligisten Dersimspor mit 6:5 im Elfmeterschießen durch. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns so schwer tun“, bekannte der AFC-Coach und lobte nach der Partie den Auftritt Dersimspors, während sich Dersim-Coach Sven Siebert darüber ärgerte, „dass wir nach dem 1:0 nicht konsequent das 2:0 nachgelegt haben...“ 

Fitra Rijono lag auf dem Rücken und hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen. Neben ihm stand Fikret Tirpanci, bis zur vergangenen Saison noch Betreuer bei Dersimspor, und wollte dem Keeper des Hansa-Landesligisten aufhelfen. Rijono ergriff die Hand, die Tirpanci ihm entgegenstreckte, ließ sie dann doch wieder los und blieb bedröppelt am Boden sitzen. „Ich hab bis zuletzt dran geglaubt, dass uns 'Dassendorf relaoded' gelingen wird“, sagte der 28-Jährige und spielte auf den 1. Oktober 2014 an. Am Abend jenes Tages hatte Dersim damals die TuS Dassendorf aus dem ODDSET-Pokal-Wettbewerb geworfen und Rijono war der Mann gewesen, der mit zwei gehaltenen Elfmetern die TuS in erster Linie raus boxte. „Diesmal hat es nicht sein sollen...“, ärgerte sich Rijono auf dem Kunstrasen an der Baererstraße etwa 20 Meter von dem Ort des Geschehens entfernt, wo gerade eben im Duell des Hansa-Landesligisten gegen Altona 93 die Entscheidung gefallen war.

Dzigbede verschießt den entscheidenden Elfmeter

Kurz vorm entscheidenden Fehlschuss: Dersims Price Dzigbede bei seinem Versuch vom Elfmeterpunkt. Foto: Heiden

Und die Entscheidung war knapp ausgefallen. Äußerst knapp sogar. „Dass wir uns so schwer tun würden, hätte ich nicht gedacht“, musste auch AFC-Trainer Berkan Algan nach dem Spiel erst einmal durchpusten und bekannte: „Ich weiß gerade gar nicht, was ich sagen soll. Der Fußballgott hat uns heute leben gelassen. Wir waren in dieser Saison im Pokal gegen Sasel schon fast beerdigt, heute war das noch ein bisschen komplizierter.“ Wie recht er hatte: Die ersten fünf Schützen im Elfmeterschießen waren allesamt bereits angetreten – Dersims Serhat Cayir hatte den Ball an die Latte geschossen, Altonas Abdullah Yilmaz war an Rijono gescheitert –, also musste nun als nächstes Altonas Clifford Aniteye ran. Und der traf! Damit war Prince Dzigbede, der für Dersim den sechsten Strafstoß trat, unter Zugzwang. Er lief an, zielte – und fand seinen Meister in Bojan Antunovic, der anstelle des verletzten Tobias Grubba von Beginn an das Tor hütete. Der Rest waren ein großer Jubelsturm der Altonaer Spieler in Richtung ihres Torhüters, den sie schließlich freudig unter sich begruben, und lange Gesichter auf Seiten der Gastgeber.

„Das Ende ist sehr bitter“, konstatierte Dersimspor-Trainer Sven Siebert nach dem Match, „wir waren Altona aus meiner Sicht ebenbürtig. Man muss als unterklassige Mannschaft immer eine Top-Leistung bieten. Das haben wir gemacht. Wir haben Altona alles abrufen lassen, wobei ich davon überzeugt bin, dass die noch viel mehr können. Aber wir haben heute eben nicht mehr zugelassen. Unterm Strich hat hier der Glücklichere das Spiel gewonnen.“ Und dieses Glück, so fuhr Siebert in seiner Spielanalyse fort, habe auch damit zu tun, „dass wir nicht konsequent das 2:0 nachgelegt haben. Dann wäre das Spiel durch gewesen.“ Für den Landesligisten, wohlgemerkt. Denn Siebert lag mit seiner Einschätzung nicht ganz falsch. Der AFC hatte vor den 550 Zuschauern an der Baererstraße alles erwischt, nicht aber einen Gala-Tag.

Kurz vor der Pause fehlt den Hausherren ein Quäntchen Glück

Da war die Dersim-Welt noch in Ordnung: Serhat Cayir (re.) freut sich mit seinen Teamkollegen über den Treffer zum 1:0. Foto: Heiden

Das wurde schon im ersten Durchgang deutlich. Zwar klärten Rijono und Dzigbede nach acht Minuten gegen Altonas Nick Brisevac zur Ecke, doch danach war Dersim die Mannschaft, die mehr überzeugte. Ging Edison Sa Borges Djus Flanke von rechts nach zehn Minuten noch ins Leere, weil Mohamed Josef Shirdel in der Mitte verfehlte, so lag der Ball eine Minute später doch hinter Antunovic im AFC-Kasten. Cayir war im Strafraum an den Ball gekommen und hatte ins lange Eck vollendet – 1:0 für die Hausherren. Die hatten nach 37 Minuten dann Glück, das Chris Pfeifer nach einem Freistoß von Brisevac drüber köpfte, und anschließend aber auch eine große Portion Pech, als Shirdel in der dritten Minute der Nachspielzeit – Referee Alexander Nehls (SC Eilbek) gab nach einer Verletzungsunterbrechung, in der Sa Borges Dju ausgeknockt wurde und seine Zunge zu verschlucken drohte, mehr als fünf Minuten obendrauf – frei auf Antunovic zusteuerte, der Altonaer Schlussmann den Ball aber irgendwie noch abwehren konnte. Das hätte das sichere 2:0 sein können, wenn nicht gar müssen.

So aber ging es mit einem knappen 1:0 für Dersim in die Pause und nachdem Brisevac im Anschluss an eine Flanke von Max Stolzenburg eine Etage übers Tor gezielt hatte (50.), glich der Gast das Resultat nach 56 Minuten aus: Brisevac flankte von rechts in den Strafraum, Dennis Thiessen stieg in der Mitte hoch und köpfte das Leder über die Linie. Mit dem einsetzenden Regen herrschte auf Seiten von Dersim nun Frust statt Freude. Der AFC war nun mehr und besser im Spiel, als dies noch in der ersten Hälfte der Fall gewesen war. Chancen verzeichneten beide Seiten: Für Altona vergaben Pfeifer (68., per Kopf) und Brisevac, der selbst aufs Tor schoss, statt den rechts mitgelaufenen Finn Rettstadt zu sehen (90.+1). Für Dersimspor hatten Marco Löffke (71., am langen Pfosten vorbei) und Sa Borges Dju (71., Kopfball übers Tor) kein Glück. Es ging also in die Verlängerung.

Auswechselungen von Shirdel und Sa Borges Dju machen Sieberts Plan zunichte

Dennis Thiessen (Zweiter v. re.) traf für den AFC zum 1:1-Ausgleich in der regulären Spielzeit. Foto: Heiden

Hier traf Christian Fuchs für Dersim das Außennetz (103.), dann forderte der AFC nach einem Foul an Brisevac im Sechzehner vergeblich Elfmeter (104.). Umut Yildiz zielte nach einer Unsicherheit von Antunovic aus der zweiten Reihe vorbei (107.), auf der anderen Seite klärte Dersim-Keeper Rijono gegen Brisevac (107.). Die größte Möglichkeit für die Altonaer, noch vor dem Elfmeterschießen eine Entscheidung herbeizuführen, vergab Jan Novotny, dessen Kopfball nach einem Brisevac-Freistoß die Latte streifte (118.). Also musste letztlich doch das Elfmeterschießen entscheiden – mit dem bekannten Ende! „Es war ein Nachteil, dass wir Shirdel und Sa Borges Dju verletzt frühzeitig rausnehmen mussten. Jeder, der mich kennt, weiß, das ich für jedes Spiel einen Plan habe. Wir wollten von der Bank nachlegen. Das ging dann überhaupt nicht mehr. Ab der 75 Minute war bei uns der eine oder andere im roten Bereich. So ist halt der Fußball. Das kann anderen auch passieren. Auf die Leistung kann man trotz der Niederlage stolz sein“, bilanzierte „Dersim-Dopmteuer“ Sven Siebert.

„Im Pokal gibt es nur zwei Dinge, die zählen. Eines ist ein Weiterkommen nach 90 Minuten. Wenn das nicht klappt, ist das andere ein Weiterkommen nach 120 Minuten oder im Elfmeterschießen“, gab AFC-Coach Berkan Algan nach dem finalen Schuss zu Protokoll und ergänzte: „Dersim ist eine nominell starke Mannschaft, die das heute gut gemacht hat.“ Er und sein Team hätten den Ausfall von vielen Spielern kompensieren müssen, so Algan, der auf der Ersatzbank den unter der Woche aus Südafrika zurückgekehrten Joshua du Preez als Ersatzkeeper sowie überraschend auch Marc-Kemo Kranich, der im Winter eigentlich schon beim HSV Barmbek-Uhlenhorst angeheuert hatte, in Altona aber noch einen Vertrag besitzt, zur Verfügung hatte. „Ich wusste in der Woche zwei oder drei Tage gar nicht, wen ich wie und wo spielen lasse“, verriet Algan, „aber das ist mir nach dem Sieg jetzt gerade im Grunde genommen egal.“ So egal, wie der nächste Gegner im Halbfinale: „Alles, was ich mir wünsche, ist, dass wir ein Heimspiel haben“, sagte Algan.

Jan Knötzsch