„Lasse mir nicht nachsagen, ich hätte die Jungs nicht mehr erreicht!“

Ingo Desombre über den Rissen-Abschied und die neue Aufgabe bei Hansa 11

05. Februar 2016, 00:43 Uhr

FussiFreunde: Natürlich wollen wir auch nochmal auf Deine Zeit in Rissen zurückblicken. Wie kam es aus Deiner Sicht schlussendlich zu der Trennung – war es eine Entscheidung, die Du getroffen hast, um vielleicht auch neue Impulse innerhalb der Mannschaft zu setzen?

Desombre: „Fangen wir ganz vorne an. Nach dem Abstieg aus der Bezirksliga habe ich klar gesagt, dass wir einen Schnitt machen müssen, da die Mannschaft zu alt ist und viele von den Erfahrenen kaum noch trainiert haben. Wir hatten 18 Spieler in der A-Jugend und wenn man die halten beziehungsweise hochziehen will, muss man denen etwas bieten können. Das kann man nicht, wenn man sie in den Herrenbereich reinschmeißt neben Spielern, die zwar lange dabei sind, aber kaum bis nie trainieren können. Das ist nicht meine Welt, nicht meine Philosophie. Ich habe dem Verein klargemacht, wenn man mit mir verlängern möchte, dann nur, wenn man auf die Jugend baut. Zudem möchte ein Gespräch mit den Älteren führen, dass es in der kommenden Saison nicht mehr so läuft wie bisher. Wir haben genügend Spieler und wenn sie nicht mehr trainieren wollen oder können, dann müssen sie sich eben einen neuen Verein suchen oder in die Zweite gehen. Das war der Ansatz und diesen Schnitt haben wir dann auch gemacht. Dadurch haben wir tatsächlich alle Spieler aus der Jugend im Verein halten können, was ich für Rissener Verhältnisse prima finde. Dass die Qualität und auch die Leistung ein Stück weit darunter leiden würden im ersten Jahr, ist klar. Also haben wir uns zur Halbserie auch gesagt, wir nehmen den Abstieg billigend in Kauf – und da hat sich auch keiner traurig gezeigt, sondern gefreut, dass man die Bühne bekommt, sich im Herrenbereich zu zeigen. Man muss ja auch mal ganz ehrlich sein: Wenn man aus der A-Bezirksliga in den Herrenbereich kommt, dann ist das vom Niveau her eigentlich Kreisklasse! In der Kreisliga hatte man die Bühne bekommen, die als erste Spielwiese gut ist, in der man aber auch kämpfen, kratzen und beißen muss.

FussiFreunde: Viele junge Spieler, die sich erst an den Herrenbereich gewöhnen müssen und ein dünner Kader: War der Absturz mehr oder minder vorprogrammiert?

Desombre: „Da Rissen nicht gerade ein Verein ist, wo die Leute alle Schlange stehen, musste ich den einen oder anderen externen Spieler hinzu gewinnen – was schwierig genug war! Da viele der jungen Leute entweder im Ausland oder in einer anderen Stadt ein Studium absolviert haben, schrumpfte der Kader auf 16 Mann zusammen. Darunter waren wiederum vier erfahrene Leute, die aus beruflichen Gründen kaum trainiert haben. Und schon kriegt man einen Keil rein, dahingehend, dass man sagt: Die Leistung der anderen ist nicht gut genug, um die älteren Spieler draußen zu lassen. Hätten wir nur mit 19-Jährigen gespielt, wäre es geradeaus nach unten gegangen – also habe ich die Mischung daraus gesucht. Natürlich bekommt man da mal auf die Nuss und hat immer wieder 'Ups' und 'Downs'. Es waren auch gute Spiele dabei – aber natürlich fehlte es an Qualität und Erfahrung. Dann hatte man einen Vorstand, der wenig Einfluss auf die Liga genommen hat – wo vieles an mir hängen geblieben ist und man sich nur von den Ergebnissen hat leiten lassen. Schließlich habe ich dem Abteilungsleiter mitgeteilt, dass mein Weg am Ende dieser Saison zu Ende sein wird. Ich wollte das rechtzeitig im Winter ankündigen, damit man die Planungen aufnehmen kann. Ich bin eigentlich keiner, der vorzeitig aufhört und hätte das auch durchgezogen, habe aber gleichzeitig gesagt, wenn man der Meinung ist, man wolle einen neuen Reizpunkt setzen, dann können sie es tun. Aber ich werde nicht aufhören – es sei denn, ich erreiche die Mannschaft nicht mehr. Also kam es zum vorletzten Punktspiel, dass wir relativ deutlich verloren haben, obwohl wir nicht unbedingt die viel schlechtere Mannschaft waren. Aber es war eindeutig zu wenig Dampf drin. Danach habe auch ich logischerweise ein wenig resigniert, der Abteilungsleiter ging davon aus, ich hätte aufgegeben. Aber für mich sind Resignation und Aufgabe zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Resignieren ist für mich situativ und aufgeben heißt, dass ich auf den ganzen Sch... keinen Bock mehr habe! Und das war definitiv nicht gegeben, da die Mannschaft und ich eins waren. Die Meinung des Abteilungsleiters war aber die, dass es besser wäre, man trenne sich sofort. Ich hätte natürlich das Osdorf-Spiel abschließend noch gerne gehabt und die gemeinsame Weihnachtsfeier als Trainer durchgezogen. Aber dieser Part wurde mir genommen, das fand ich weniger schön. Es war nicht so, wie es hätte sein sollen. Man hat mir so die Chance genommen, mit einem Sieg in die Winterpause zu gehen und dann die Felder neu abzustecken. Sich zu hinterfragen, ob es noch Sinn macht, das bis zum Schluss durchzuziehen oder sich neu zu orientieren und sagen: Neue Besen kehren gut. Das wäre ein sauberer Schnitt gewesen.“

FussiFreunde: Wie fiel die Verabschiedung von der Mannschaft nach vierjähriger Tätigkeit aus?

Desombre: „Auf der Weihnachtsfeier hatte ich die Chance, den Jungs für den weiteren Weg alles Gute zu wünschen. Und die Resonanz war überwältigend, die Jungs haben mich richtig geil verabschiedet, so dass auch Tränen gekullert sind. Die Jungs sind mir in der Zeit natürlich sehr ans Herz gewachsen. Es war definitiv nicht so, wie anschließend dokumentiert, dass ich die Mannschaft nicht mehr erreicht hätte. Ich habe so viele Zuschriften von Spielern bekommen, habe jetzt noch zu unzähligen Jungs Kontakt und kriege nach wie vor Reaktionen, dass man es gerne mit mir bis zum Ende gerockt hätte. Das ist für mich ein eindeutiges Zeichen, dass ich nicht viel falsch gemacht habe und mir im Nachhinein auch nichts anheften lassen muss. Wenn man im Verein der Meinung war, man musste neue Reize setzen, dann ist dem so. Aber ich lasse es nicht zu, dass mir nachgesagt wird, ich hätte die Mannschaft nicht mehr erreicht. Dem war nicht so!“

FussiFreunde: Hast Du denn die Befürchtungen, dass die Mannschaft in Rissen komplett auseinander fallen könnte?

Desombre: „Ich habe den Jungs ins Gewissen geredet, habe ihnen klar gesagt, dass ich zwar ab Januar nicht mehr da bin, aber ich erwarte von euch und nehme euch in die Pflicht, dass ihr alles versucht, um den Klassenerhalt zu erreichen! Das seid ihr auch mir schuldig. Ich habe versucht, die Jungs an der Ehre zu packen und sie haben mir versichert, dass sie es bis zum Ende durchziehen werden. Die ganzen Randgeschichten haben letztlich dazu geführt, dass sich der sportliche Erfolg nicht mehr eingestellt hat. Die Mannschaft und ich waren nach wie vor eins. Deshalb bin ich ein Stück weit enttäuscht, dass der Weg so gegangen wurde. Wie bereits erwähnt, bin ich jemand der sehr rational denkt. Und wenn man eine solche Entscheidung trifft, dann verlange ich einerseits: dass man sich von der Mannschaft ein Bild macht und auch mal beim Training ist. B: Dass man sich mal die Kapitäne schnappt. Und C: Dass man sich mal mit der Mannschaft zusammensetzt und fragt, ob man reden müsse. Das alles ist nicht geschehen! Stattdessen hat man sich direkt nach dem 0:5 kurz den Kapitän geschnappt, der natürlich aufgrund des Ergebnisses total genervt war und dann aus der Wut heraus etwas sagt, was so gar nicht gemeint war. Ich habe ein Stück weit die Rückendeckung vermisst – aber gut, ich bin nicht der Chef. Am Ende des Tages muss jeder für sich entscheiden, ob er es für gut heißt oder eben nicht. Ich glaube, dass der Verein einen ganz schweren Weg vor sich hat. Es wurde viel von neuen Strukturen geredet – davon ist überhaupt nichts zu sehen. Um ehrlich zu sein, habe ich ein wenig Bange um die Mannschaft.“

FussiFreunde: Dann scheint der Kontrast zu Deiner neuen Aufgabe bei Hansa 11 ja sehr groß zu sein...

Desombre: „Ich finde hier einfach eine Struktur wieder. Angefangen bei der Wäsche, den Trikots. Du musst dich hier um nichts kümmern, es wird alles gemacht. Hier kann ich mich wirklich voll auf den Fußball konzentrieren. Der Verein ist wirklich gut aufgestellt und das werde ich genießen. Trotz einiger anderer sehr interessanter Anfragen habe ich mich für Hansa entschieden und bin darüber sehr froh.“

FussiFreunde: Ist es denn für Dich eine ungewohnte Situation, künftig jemanden an der Seite zu haben und Entscheidungen gemeinsam treffen zu müssen – wenn man so lange im Alleingang die Richtung vorgegeben hat?

Desombre: „Nein, das denke ich nicht. Ich hatte sogar schon den Gedanken, als Trainer aufzuhören und mich in die Richtung des Team-Managers zu orientieren, was ich zu HR-Zeiten ja auch schon mal gemacht habe und durchaus Spaß bringt. Es gab da auch drei Anfragen. Aber ich habe einfach gemerkt, dass es noch in den Füßen juckt. Für mich ist es kein Problem, ins 'zweite Glied' zu rücken, da ich ja weiß, welche Option es geben könnte, sollte Holger irgendwann von sich aus sagen: Er möchte nicht mehr. Wir sind sicherlich unterschiedliche Typen, aber das sind sicher auch genau die Reizpunkte, die man der Mannschaft gegenüber setzen kann. Es kann eine Win-Win-Geschichte werden. Denn wir sind beide Typen, beide richtige 'Fußball-Idioten', die sich auch nicht zu schade sind, mal anzupacken. Ich freue mich richtig drauf!“